Fangen wir doch mal mit den Vorzügen des autonomen Fahrens an und schauen voraus auf das Autofahren der wohl übernächsten Generation.
Ein Blick in die Zukunft
Stellen Sie sich vor, Ihr aktuell für einige Wochen gemietetes Fahrzeug parkt allein aus der Tiefgarage im dritten Untergeschoss und fährt mit nach hinten gleitender Schiebetür vor. Eine freundliche Stimme begrüßt Sie mit Ihrem Vornamen. Sie steigen ein, lehnen sich bequem zurück, nennen Ihr Fahrziel. Sie verfolgen an einem animierten Bildschirm die Neuigkeiten des Tages. Längst wundert es Sie nicht mehr, dass das Automobil kein Lenkrad und keine Bedienelemente hat.
Unterwegs steigen wie angekündigt Arbeitskollegen zu, die wie Sie gerade kein Homeoffice praktizieren. Unbemerkt kommuniziert Ihr Level-5-Auto unablässig mit anderen Verkehrsteilnehmern und Verkehrsüberwachungssystemen. Niemand missachtet die Vorfahrt, niemand drängelt von hinten oder überholt riskant. Solche archaischen Szenarien gehören längst einer fast vergessenen früheren Epoche an.
In Kreisverkehren und am Zebrastreifen verhält sich Ihr autonom fahrendes Auto vorbildlich, völlig kontrolliert, völlig sicher. Sie sind Passagier, nicht Fahrer.
Stau- und stressfrei unterwegs dank KI
Während der Fahrt ist alles im Fluss und im ständigen Informationsaustausch. Laser- oder Radarsensoren, 360-Grad-Kameras und vor allem Künstliche Intelligenz 2.0 verknüpfen sich zu alles erfassenden, vorausschauenden sowie Situationen beurteilenden Systemen, zuverlässig, sicher, 24 Stunden am Tag. So wie früher der Mensch selber – nur ohne Fehler, ohne Müdigkeit, ohne Emotionen.
Vollkasko beim Fahren
Spurwechsel, Bremsmanöver, geschickte Routenwahl – Ihr rollender Mega-Computer erkennt, berechnet, berücksichtigt, wertet aus, reagiert, schätzt ab, korrigiert permanent und ohne jeden Zweifel. Vollkasko schon beim Fahren.
Aus dem Seitenfenster beobachten Sie Robotaxis ohne Chauffeur, deren Fahrgäste so entspannt wirken wie Sie selbst. Sie genießen Ihre wohlige Passivität und das bestmögliche Dahingleiten in diesem Roboter, dessen Außenhülle allein noch an das gängige Bild eines Automobils erinnert. Die Freiheiten des Individualverkehrs mit den Vorzügen der Öffentlichen Verkehrsmittel: Eine Vision wurde zur Realität.
Mit Hightech zur Vision Zero
So könnte es sich tatsächlich auf unseren Straßen abspielen, ginge es nach den Vorstellungen der führenden Entwickler in den USA, in Deutschland, in China, Japan und Südkorea.
Doch wirklich große, ja revolutionäre Visionen haben den Nachteil, dass ihre Umsetzung nicht ohne Hindernisse und technologische Probleme erfolgt und vielleicht sogar auf gesellschaftliche Ablehnung stößt.
Schließlich wird das autonome Fahren so ziemlich jede unserer heute gewohnten Fahrgewohnheiten auf den Kopf stellen. Sie wird den Individualverkehr, so wie wir ihn heute gewohnt sind und ihn – bei allen Mängeln und Risiken – lieben, in die Vergangenheit katapultieren.
Allein die jährlich knapp 3.000 Verkehrstoten hierzulande bzw. rund 25.000 europaweit (der Information halber: rund 1,3 Millionen weltweit) werden keine dramatischen Meldungen mehr auslösen oder Horror-Verkehrsstatistiken füllen. Denn das ist das ureigentliche Ziel des autonomen Fahrens, die Vision Zero: Jeder kommt an, keiner kommt um.
Beim autonomen Fahren geht es nicht ums Ob, sondern ums Wie und Wann
Das autonome und damit im Idealfall völlig stress- und unfallfreie Fahren ist also keine Option, sondern ein Muss der Zukunft der Mobilität.
Diese vermutlich absolut höchste Evolutionsstufe des Automobils ist längst nicht mehr nur eine spinnerte Idee von Elon Musk und seinem Technologietreiber Tesla, sondern erklärtes Unternehmensziel aller führenden Automobilhersteller und Tech-Konzerne. Der Weg ist längst eingeschlagen, nur der Zeitpunkt und die weitreichende Flächendeckung – das ist nach wie vor völlig offen.
Die fünf Stufen des autonomen Fahrens (pdf)
USA bleiben Hauptmotor und Szene-Treiber
Die Unternehmen, die uns diese Art der Fortbewegung versprechen, sind erst in zweiter Linie die Autohersteller. An vorderster Front bringen sich eher reine Technologiegiganten wie Google, Waymo, Tesla, Uber, Baidu ins Spiel. Auch Apple, Cruise, Nvidia oder Mobileye mischen kräftig mit.
Mit Ausnahme von Baidu (chinesisches Unternehmen, das sich auf die Entwicklung von künstlicher Intelligenz und selbstfahrenden Technologien spezialisiert hat) stammen alle diese Intelligenzzentren aus den USA, arbeiten eng mit den dortigen führenden Universitäten zusammen. An der University of Stanford etwa forscht und lehrt der deutsche Informatiker und Robotik-Spezialist Stefan Thrun. „Künstliche Intelligenz ist der Schlüssel zu allem“, ohne sie werde es kein Autonomes Fahren geben, betont Thrun immer wieder.
Ein wichtiger Anwendungsfall von KI im autonomen Fahren ist das maschinelle Lernen, bei dem die KI-Modelle mit riesigen Mengen von Daten trainiert werden, Muster zu erkennen und Entscheidungen zu treffen. Zum Beispiel können KI-Modelle verwendet werden, um Objekte in der Umgebung des Fahrzeugs zu erkennen und zu klassifizieren, um Kollisionsrisiken zu minimieren oder gar ganz auszuschließen. Es ist aber gerade diese Fehlerlosigkeit, die Voraussetzung für die Akzeptanz der Autofahrer ist, gleichzeitig aber tiefes Misstrauen auslöst. Ein klassisches Dilemma.
Robotaxis als Mobilitätsgarant der Zukunft
In der Branchenzeitschrift „Wirtschaftswoche“ äußerte sich Wissenschaftler Thrun pragmatisch und bringt die enormen Vorteile fahrerloser Robotaxis ins Spiel: „Sie melden Ihren Fahrtwunsch an. Ein Algorithmus bündelt ihn mit den Fahrtwünschen anderer Menschen und bringt dann möglichst viele gemeinsam möglichst schnell von A nach B. Das Robotaxi eröffnet zudem die Chance, jenseits von Fahrrad und ÖPNV mobil zu sein. Dasselbe gilt für Menschen, die zu krank, zu alt oder zu jung sind, ein eigenes Auto zu fahren. Hinzu kommt: Das Auto selbst zu besitzen ist schon heute in Metropolen wie Tokio, Seoul oder Paris mit sehr hohen Kosten und vor allem Unannehmlichkeiten verbunden: Citymaut, Parkverbote, mehr Spuren für Busse und immer mehr Radfahrer. Wenn es genügend solcher Robotaxis gibt, muss fast niemand mehr ein eigenes Auto besitzen, da Sie immer ein Mobilitätsangebot finden, das für Sie genauso schnell oder schneller, aber günstiger und sicherer sein wird.“
Thrun betrachtet also längst den Wandel der Mobilität, die eigentliche Verkehrswende – und nicht nur die gewiss faszinierenden Technologien, die diese Art der Fortbewegung erst möglich machen.
Der heutige ÖPNV ist zu unflexibel
Wissenschaftler wie er betrachten dabei – aus heutiger Sicht politisch sehr unkorrekt – öffentliche Verkehrsmittel wie die Bahn eher kritisch, ja als anachronistisch: „Die Eisenbahn ist eine Idee des 19. Jahrhunderts. Sie hat auch heute ihre Berechtigung, lässt sich aber für die moderne Welt meist nicht flexibel genug auf Bedarfsschwankungen anpassen. Züge, U-Bahnen und große Omnibusse können nur ein kleines Stück des Bedarfsraums abdecken, meist sternförmig in die Städte hinein. Wer abseits der Haltestellen wohnt oder außerhalb der dicht getakteten Stoßzeiten fahren muss, hat meist Pech. Es ist trotz der technischen Herausforderungen am Ende viel einfacher und billiger, Autos autonom zu machen, als überall neue Gleise und Busspuren zu bauen.“
In Deutschland ist die Euphorie der Ernüchterung gewichen
Hierzulande ist von der ansteckenden Anfangsbegeisterung nicht mehr viel übrig geblieben. Renommierte Autohersteller wie BMW, Mercedes und viele andere kündigten zwar vor Jahren vollmundig leistungsfähige Systeme bis hin zu Level 4 oder sogar Stufe 5 für die „nähere Zukunft“ an. Der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) prophezeite noch 2020: „Deutschland wird Weltspitze beim autonomen Fahren. Dafür machen wir Tempo!“
Deutsche Autohersteller ziehen sich aus der Entwicklung zurück
Doch inzwischen ist Scheuer Geschichte und in der Szene Ernüchterung eingekehrt.
Im Herbst 2022 stellten beispielsweise Volkswagen und Ford überraschend ihre Kooperation und ihre finanzielle Unterstützung für den Softwareentwickler Argo.AI ein, der doch für beide Firmen Systeme für autonom fahrende Taxis entwickeln sollte.
In die gleiche Kerbe schlug ein Pressesprecher von Mercedes: „Bei der Stufe 5 kann man schnell philosophieren, ob diese überhaupt erreicht werden kann.“
Auch BMW und Mercedes haben ihre Kooperationsprojekte zumindest vorübergehend beendet. Budgets für automatisiertes und autonomes Fahren wurden bei vielen Unternehmen reduziert.
Apropos BMW: Der iNEXT sollte das erste vollständig autonome Serienfahrzeug der Münchner sein und in der Lage, autonom auf Autobahnen und in Städten zu fahren. BMW betonte, dass das Fahrzeug Level-3- und Level-4-Fähigkeiten besitzen werde. Startpunkt sollte ursprünglich 2021 sein. Jetzt ist wieder alles ungewiss.
Hoffnung spendet da der BMW i5, der im Oktober 2023 auf den Markt kommt: Über Augenkontakt und einen Blick in den Seitenspiegel erkennt das System einen beabsichtigten Spurwechsel und führt diesen auch durch (wenn die Lücke groß genug ist). BMW spricht hier von „Level Zwei Plus“, nicht von Stufe drei.
Und Audi? Die ursprüngliche Pläne der Ingolstädter aus dem Jahr 2017, das Oberklassemodell A8 mit Level 3 rasch auf den Markt zu bringen, sind wieder in der Schublade verschwunden.
Auch der namhafte Automobilzulieferer Continental hat sich von der Entwicklung hochautomatisierter Fahrfunktionen vorübergehend verabschiedet. Die Industrie könne sich jetzt nicht mehr „gleichzeitig auf vernetzte Fahrzeuge, E-Mobilität und automatisiertes Fahren konzentrieren“, sondern müsse Prioritäten setzen.
Nur zwei Level-3-Autos aus deutscher Produktion
Zur Erinnerung: In Deutschland wurde im Jahr 2020 die "Strategie automatisiertes und vernetztes Fahren" vom Bundesverkehrsministerium veröffentlicht.
Ziel dieser Strategie war und ist es, die technischen Voraussetzungen für das autonome Fahren zu schaffen und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu klären. Es gibt mehrere Teststrecken, auf denen autonome Fahrzeuge getestet werden, darunter die A9 in Bayern oder die A52 in Nordrhein-Westfalen.
2021 wurde ein Gesetz zur Regelung des autonomen Fahrens verabschiedet: Es ermöglicht Tests mit Level-4-Fahrzeugen – also Autos, die in bestimmten Situationen ohne menschliches Eingreifen fahren können.
Aus deutscher Produktion gibt es derzeit jedoch nur exakt zwei Fahrzeuge, die immerhin Level-3-zertifiziert sind: die Modelle S-Klasse und EQS von Mercedes – aus Haftungsgründen aber ausschließlich auf Autobahnen, nicht bei Spurwechseln, nicht oberhalb von 60 km/h, nur bei Tageslicht, nicht in Tunneln oder Baustellen und auch nur bei Temperaturen über dem Gefrierpunkt. Immerhin: Der „Drive Pilot“ der Stuttgarter ist kaum mehr als ein autonomer Stau-Pilot. Und der Fahrer muss bereit sein, die Kontrolle innerhalb von zehn Sekunden wieder zu übernehmen.
Das autonome Fahren birgt auch Risiken
Das greifbare Szenario vom multitalentierten Selbstfahr-Auto ist heute wieder reine Zukunftsmusik. Zu komplex die Technik, zu groß die Erwartungen und die Herausforderungen.
- Sicherheit: Autonome Fahrzeuge müssen in der Lage sein, unvorhergesehene Situationen zu erkennen und darauf angemessen zu reagieren.
- Cyberangriffe könnten die Sicherheit der autonomen Fahrzeuge und damit der Insassen gefährden.
- Datenschutz-Bedenken vieler Menschen
- Infrastruktur: Straßen müssen beispielsweise durch den Einbau von Sensoren und die Schaffung spezieller Fahrspuren an die Bedürfnisse des autonomen Fahrens angepasst werden.
All diese gravierenden Änderungen werfen Fragen auf, machen zuweilen Angst, wenn die Menschen nicht frühzeitig mitgenommen und vorbereitet werden. Technikversessenheit hier, breite Skepsis dort.
Level 5 – weder nahe Zukunft noch Utopie
Technologieoffene Autofahrer fragen sich weiterhin: Wann wird trotz aller Schwierigkeiten das erste voll funktionstüchtige Level-5-Auto auf den Markt kommen?
Level 5 stellt die höchste und damit die High-End-Stufe des autonomen Fahrens dar. Bei dieser fährt das Fahrzeug vollständig autonom und ohne menschliche Eingriffe. Im Grunde genommen kann also erst bei Level 5 von „echtem“ autonomen Fahren gesprochen werden.
Fakt ist: Bisher gibt es weltweit noch kein einziges Serienfahrzeug, das diese Stufe auch nur annähernd erreicht. Die meisten Fahrzeuge, die derzeit auf den Straßen getestet werden, befinden sich auf Stufe 2 oder 3.
Es wird wohl noch einige Jahre dauern, bis ein voll funktionsfähiges Level-5-Auto auf den Markt kommt. Es gibt noch zu viele technologische Herausforderungen zu bewältigen, zum Beispiel:
- die Entwicklung von zuverlässigen Sensoren und Kameras,
- die Bewältigung von komplexen Verkehrssituationen und
- die Entwicklung von Systemen zur Entscheidungsfindung in Echtzeit.
- enorme Rechenkapazitäten werden erforderlich
Auch viele regulatorische, gesetzliche und soziale Aspekte sind noch ungelöst, wie zum Beispiel die Haftungsfrage im Falle eines Unfalls mit einem autonomen Fahrzeug.
Autonome Fahrzeuge müssen in der Lage sein, unvorhergesehene Situationen sofort und eindeutig zu erkennen und darauf angemessen zu reagieren. Dazu sind umfangreiche Tests und Simulationen notwendig, um sicherzustellen, dass die autonomen Fahrzeuge in jeder Situation sicher fahren.
Das Negativ-Beispiel des versagenden Tesla-Autopiloten mit tödlichem Ausgang ist bis heute unvergessen. Doch bei allem spürbarem Pessimismus diesseits des Atlantiks. Es gibt durchaus positive Signale – aus den USA.
USA deutlich weiter als Rest der Welt
In den USA scheint die Entwicklung des autonomen Fahrens noch ungestört, ja fast optimistisch. Hier ist man schon bei Level 4 angekommen, es hakt allerdings noch an den höheren Geschwindigkeiten.
Das Tech-Unternehmen Cruise etwa hat die Freigabe für autonome Level-4-Taxis für einen großen Teil des Stadtgebiets von San Francisco erhalten – ganz ohne menschlichen Fahrer als Rückfall-Ebene. Aber eben zunächst nur innerstädtisch. Weitere Gebiete wie Phoenix oder Houston sollen folgen.
Konkurrent Waymo (ein Ableger von Google, Gründer ist der zuvor erwähnte Sebastian Thrun) setzt auf künstliche Intelligenz und das ‚Machine Learning‘, tüftelt seit 2009 am autonomen Fahren. Die Kalifornier sind technologisch deutlich weiter als etwa Tesla und dürfen ihre autonomen Fahrzeuge Flotte in San Francisco, Phönix und Los Angeles betreiben: In Bundesstaaten wie Kalifornien und Arizona sind Tests mit Level-5-Fahrzeugen generell erlaubt.
Lidar als Schlüsseltechnologie
Eine Schlüsseltechnik hin zu Level 5 ist der sogenannte Lidar-Sensor (Lidar: Light detection and ranging = Methode zur Laser-gestützten Abstands- und Geschwindigkeitsmessung). Neueste Ableger erreichen Reichweiten von bis zu 1.000 Metern.
Immer mehr Autobauer haben angekündigt, Lidar-Sensoren in verschiedenen Fahrzeugmodellen einzusetzen, die sich inzwischen sogar platzsparend in Autoscheinwerfer integrieren lassen.
Pikanterweise hatte Tesla-Chef Elon Musk die teure Lidar-Technologie lange Zeit mit Eifer verschmäht, setzte beinahe halsstarrig ausschließlich auf Kamera-basierte Umfelderfassung. Doch in letzter Zeit wurden erste Tesla-Prototypen mit Lidar-ähnlichen Aufbauten gesichtet.
Einerseits setzt sich also die „richtige“ Technologie wohl durch, andererseits lässt dieses Beispiel erkennen, wie zerstritten die federführenden Unternehmen teilweise auftreten. Auch das trägt nicht dazu bei, auf breiter Front Vertrauen zu schaffen.
Laser-Technologie als Hoffnungsträger
Vom wachsenden Lidar-Trend profitieren längst auch deutsche Firmen, die solche Sensoren entwickeln, darunter etwa Blickfeld aus München oder Ibeo Automotive Systems aus Hamburg. Für beide stellen klar die USA den Schlüsselmarkt, den Kern dieser HighTech-Bewegung dar.
Blickfeld zeigte auf der CES (Consumer Electronics Show) in Las Vegas (Nevada) einen nochmals weiterentwickelten Lidar-Sensor, der 3D-Daten in einem einzigen kompakten Gerät zu verarbeiten vermag.
Aber auch Entwickler und Zulieferer wie Velodyne Lidar, ZF, Bosch oder Jenoptik investieren und entwickeln weiter intensiv in diesem Bereich. Jenoptik schwärmt gar von hunderttausenden Abstandsmessungen, die in einer Sekunde möglich seien.
Also doch Lichtblicke am deutschen Horizont? Ja, es gibt sie, unverkennbar bedeutende Fortschritte, wenn auch „nur“ im Detail.
Die Situation in China
Auch in China wird das autonome Fahren weiter vorangetrieben. Der chinesische Internetgigant Baidu betreibt eine der größten Entwicklungsabteilungen für autonome Fahrzeuge weltweit. Baidu setzt auf eine Kombination aus künstlicher Intelligenz und Cloud-Technologie, um autonome Fahrzeuge sicher auf den Straßen zu halten.
Rückschritt im Fortschritt
Und doch: Wer sich näher mit dem Thema autonomes Fahren befasst, stellt relativ schnell fest, dass der technologische Fortschritt – bei allen respektablen Einzel-Ergebnissen – auf absehbare Zeit nicht den erhofften „großen Sprung nach vorn“ schafft. Einer der Hauptgründe ist, dass die Technologie extrem komplex ist und es schwierig ist, sämtliche verschiedenen Aspekte zu bündeln, zu integrieren und zu optimieren. Ein weiterer Hemmschuh ist die begrenzte Verfügbarkeit geeigneter Sensorenund anderer Komponenten, die für eine zuverlässige Funktion notwendig sind.
Was den Fortschritt beim autonomen Fahren zudem behindert, ist das Fehlen einheitlicher Standards und Schnittstellen. Viele Unternehmen arbeiten an eigenen Systemen und Plattformen, was zu Inkompatibilitäten und Schwierigkeiten bei der Integration führen kann.
Hier kocht jeder sein eigenes Süppchen, zu groß ist das Konkurrenzdenken, ja die Sehnsucht, als erster über die Ziellinie zu rollen.
Einheitliche Standards und Schnittstellen würden die Zusammenarbeit und den Austausch von Technologien und Daten zwischen verschiedenen Unternehmen erleichtern und beschleunigen.
Paradebeispiel für diese Inkompatibilität und damit Kopfschütteln bei den Verbrauchern sind aktuell die verschiedenen Ladesteckersysteme oder Abrechnungsmodalitäten bei Elektro-Autos. Auch der Vergleich mit den unzähligen Smartphone-Ladekabel-Versionen taugt als abschreckendes Beispiel.
Das gemeinschaftliche, weniger gewinnorientiert-egoistische Denken hat sich hier wie dort noch nicht durchgesetzt.
Entwicklung in kleinen Schritten
Bis zur Serienreife oder gar nennenswerten Verbreitung von Level 5 und damit durchgreifendem autonomen Fahren kann also noch lange keine Rede sein. Zwar begeistern uns Technologieunternehmen immer wieder mit herausragenden Zwischenentwicklungen und Highlights.
Die deutschen Automobilhersteller tun gut daran, das Rad nicht komplett neu erfinden zu wollen und kooperieren mit hochtalentierten Think Tanks und Start-ups. Und sie erkennen immer mehr, dass klassischer Automobil-Maschinenbau hier nicht weiterführt.
Die übergroße Komplexität des absolut zuverlässigen Selbstfahr-Autos hat Hersteller wie Verbraucher nachhaltig überrumpelt. Hinzu kommen Konkurrenzdenken und finanzielle Hemmnisse.
Laut "TÜV Mobility Studie 2020" würden nur sieben Prozent sich komplett auf das Automobil verlassen, einen teilweisen Kontrollverlust könnten 34 Prozent akzeptieren, 26 Prozent gestehen dem System nur unterstützende Aufgaben zu. Rund die Hälfte der Befragten (49%) der Befragten glaubt schlicht nicht, dass ein System mit künstlicher Intelligenz besser Auto fährt als ein Mensch.
Während also die Zukunft auf sich warten lässt, lässt sich die Vergangenheit nicht so leicht abschütteln.