28.11.2019

Dashcams – Der Zeuge fährt mit

Seit Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel bei Unfällen grundsätzlich zulässig sind, wächst das Marktangebot an Geräten. Allerdings verleiten die kleinen Rekorder für die Windschutzscheibe immer noch zu Verstößen gegen den Datenschutz. Eine Kaufberatung.

Damit hatte Gerda Kaul (Name von der Redaktion geändert) nicht gerechnet: Als sie die Videoaufzeichnungen der Polizei übergab, hatte sie gutes Beweismittel im Sinn. Doch statt zu helfen, den Unfallhergang zu ihren Gunsten aufzuklären, bescherten die Mitschnitte ihr ein Bußgeld von 150 Euro. Laut einem Urteil des Amtsgerichts München von 2017 (AZ.: 1112 OWi 300 Js 121012/17) hatte sie mit den Aufnahmen gegen das Datenschutzgesetz verstoßen.

Dauerhaftes Filmen ohne Anlass ist verboten

Dashcams sind ein stets mitfahrender Augenzeuge, der Licht ins Dunkel manchen Unfallhergangs bringen kann. Doch wenn er zu viel beobachtet, sich zu viel merkt, können seine Aussagen wertlos werden: Das permanente, anlasslose Filmen mit Dashcams ist in Deutschland im Straßenverkehr nicht erlaubt. Denn dabei ist es kaum zu vermeiden, dass personenbezogene Daten wie Gesichter von Menschen oder Kfz-Kennzeichen aufgezeichnet werden – im Zweifel ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen.

Werden die Daten nur kurzfristig gespeichert, können sie auch vor Gericht verwendet werden

Jedoch können Aufnahmen unter bestimmten Voraussetzungen als Beweismittel vor deutschen Zivilgerichten zur Klärung von Verkehrsunfällen zulässig sein, wie der Bundesgerichtshof (BGH) 2018 in einem Grundsatzurteil entschied (Az.VI ZR 233/17). „In der Regel müssen die Aufnahmen anlassbezogen sein und dürfen nicht dauerhaft erfolgen“, sagt ACE-Rechtsexperte Hannes Krämer. Notwendig sei, dass die Geräte Zeitschleifen aufnähmen, mit denen der Kameraspeicher immer wieder überschrieben wird: „Erst bei einem Unfall kann die dauerhafte Speicherung von zum Beispiel 20 Sekunden vor und nach dem Unfall zulässig sein.“

Das Angebot an Dashcams auf dem Markt wächst

Das bedeutet: Gerichte entscheiden im Einzelfall über die Verwertbarkeit der Mitschnitte. Dennoch hat das BGH-Urteil eine Produktschwemme ausgelöst. Nachdem Garmin bereits 2015 ein Navi mit Dashcam auf den Markt brachte, bieten mittlerweile rund ein Dutzend namhafter Hersteller Autokameras an, darunter deutsche Traditionsmarken wie Rollei, Blaupunkt oder Braun. Geräte für unter 100 Euro werden angeboten, Modelle mit großem Funktionsumfang und High-End-Videotechnik für über 400 Euro.

Die Befestigung erfolgt über Saugnapf- und Klebehalterungen oder am Rückspiegel

Dashcams sind mehr oder minder zigarettenschachtelgroß, werden an der Windschutzscheibe befestigt und beziehen ihren Strom über den Zigarettenanzünder im Auto beziehungsweise für den Notfall aus einem eingebauten oder zusätzlich erhältlichen Akku. Die Montage ist einfach. Es gibt zwei Methoden. Modelle wie die Rollei DashCam-408 (99,99 Euro) oder das NavGear MDV-2770 (53,95 Euro) werden per Saugnapfhalterung befestigt, andere, allen voran die teureren Garmin-Modelle, mit einer Klebehalterung, Saugnapfhalterungen gibt es hier für 15 Euro als Zubehör. Teils, etwa bei der True Cam A5 Pro WiFi (179 Euro), wird beides standardmäßig geliefert, selten sind Modelle, die am Rückspiegel fixiert werden.

Auch ein fester Einbau ist möglich

Wichtig ist, dass die Geräte fest sitzen, um Vibrationen während der Fahrt nicht aufs Bild zu übertragen. Klebepads sorgen für bombenfesten Halt und sind für den permanenten Gebrauch im Auto gedacht. Saugnapfhalterungen können flexibel abgenommen werden und das Fahrzeug wechseln, sitzen aber etwas weniger stabil. Allerdings macht vor allem das preisgünstige NavGear-Modell einen in dieser Hinsicht robusten Eindruck. Soll das Gerät dauerhaft im Auto bleiben? Für den Fall sehen Hersteller die Verlegung des Stromkabels hinter der Innenraumverkleidung entlang der Windschutzscheibe vor – was den Montageaufwand deutlich erhöht.

Geräte ohne eigenes Display sind komplizierter auszurichten

Die kleinen Windschutzscheiben-Kameras, die über ein eigenes Display verfügen, lassen sich anhand des Monitors gut ausrichten, das gilt etwa auch für die Rollei-Dashcam. Die Bildschirmlosen dagegen lassen sich nur umständlich über eine App in Position bringen – per WLAN oder Bluetooth wird das Gerät mit dem Smartphone gekoppelt – das das Kamerabild zeigt. So verfahren muss man etwa bei Garmins äußerst handlichem Einstiegsmodell Dash Cam Mini (UVP: 129,99 Euro) oder der Blackvue DR900S-2CH, die zudem eine Heckkamera im Lieferumfang hat und dank 4K-Video sehr hochauflösende Bilder liefert, aber mit rund 450 Euro ins Kontor schlägt.

Beim Kauf sollte man auf Format und Bildfrequenz achten

Die Blackvue liefert mit die detailreichsten Aufnahmen am Markt. Um verwertbares Material zu bekommen, genügt den kleinen Autokameras aber das Full-HD-Format (1920 x 1080 Pixel), so lassen sich Details wie Nummernschilder oder Verkehrszeichen immer noch gut erkennen. Auch auf die Bildwiederholfrequenz sollte man achten: Gängig sind 30 Bilder je Sekunde (fps – frames per second), besser sind 60 fps. Das kann wichtig werden, soll etwa das Kennzeichen eines schnell vorbeifahrenden Autos noch erkennbar sein. Die teuren Garmin- und Blackvue-Geräte liefern diese hohe Bildfrequenz.

Viele Funktionen verbessern die Bildqualität und unterstützen den Fahrer

Einen weiten Blick haben alle Dashcams – ideal ist ein Aufnahmewinkel von 130 bis 140 Grad, werden es mehr, neigen Aufnahmen zum Rand hin grundsätzlich zu Verzerrungen, selbst bei der Rollei mit ihrem Winkel von 118 Grad tritt das schon auf. Wirksames Mittel gegen schnelle Lichtwechsel ist HDR. Geht es auf einer baumbestanden Allee der tief stehenden Wintersonne entgegen oder aus einer Tunnelausfahrt heraus, liefert diese Funktion die kontrastreicheren Bilder, indem sie je Videoframe mehrere Belichtungswerte kombiniert – so das Garmin-Flaggschiff Dash Cam 66W (249,99 Euro), das auch ansonsten beim Funktionsumfang ganz vorn liegt: Es bietet Fahrassistenzsysteme wie Kollisionswarnung, Spurhalteassistent und Losfahralarm oder eine Sprachsteuerung und wie die TrueCam einen Blitzerwarner, dessen Benutzung hierzulande jedoch untersagt ist.

Dashcam-Aufnahmen dürfen nicht veröffentlicht werden

Überhaupt muss man aufpassen, dass man die Regeln einhält. Die Geräte erlauben in der Regel Endlosaufnahmen; sobald man im Auto die Zündung betätigt, beginnen die Winzlinge zu filmen. Manche der Cams beherrschen Zeitraffer; Hersteller werben mit der Aufzeichnung von Urlaubsfahrten, die man in sozialen Medien teilen könne. Doch zur Erinnerung: Wer die Cam dauerhaft aufzeichnen lässt, riskiert ein Bußgeld, schlimmer kann man es dann nur noch machen, indem man die Videos zusätzlich publiziert (siehe Interview). In diesem Überblick verzichtet auf solchen Schnick-Schnack einzig die Rollei-Kamera komplett, deren Funktionsumfang sich auf das Nötigste, aber Wichtigste beschränkt: die Notfallaufnahme. Die Länge der aufgezeichneten Loops beträgt hier unveränderlich je eine Minute.

Sensoren reagieren auf Unfälle und Bewegungen und lösen die Aufnahme automatisch aus

Dass Dashcams generell Unfälle und Vollbremsungen erkennen, wird durch einen 3-Achsen-Beschleunigungssensor (G-Sensor) ermöglicht, der das notwendige und je nach Gerät in seiner Empfindlichkeit einstellbare Auslösemoment registriert und damit die automatische Notfallaufnahme startet. Diese wird meist schreibgeschützt auf einer MicroSD-Karte abgelegt, die allerdings nur selten zum Lieferumfang gehört. Und einen weiteren Sensor bieten die Geräte oft: Er registriert im Parkmodus, wenn sich das Auto bewegt – die Cam wacht dann auf und zeichnet in Intervallen auf. So tappen bei Vandalismus mit etwas Glück die Täter in die Videofalle, etwa die TrueCam bietet dieses Feature. Andere Kameras registrieren Bewegungen in ihrem Blickfeld, weitere filmen während des Parkens dauerhaft, was gemäß der oben genannten Entscheidung des Amtsgerichts München ebenfalls unzulässig ist und zudem eine Dauerstromversorgung voraussetzt – zum Beispiel über eine Powerbank oder die Autobatterie.

Der Videostempel zeigt alle Daten zum Unfallhergang

Ein anderes Ausstattungsmerkmal ist wichtiger: der Videostempel. Denn sind die Aufnahmen mit Angaben zu Datum, Uhrzeit, Geschwindigkeit und Ort des Geschehens versehen, die sich je nach Gerät auch per PC-Software auslesen lassen, erleichtert das die Beweisführung. Allerdings: Auch das mögliche eigene Fehlverhalten im Straßenverkehr zeichnen die Geräte vorbehaltlos auf. Dashcams sind eben auch ein neutraler Augenzeuge.

Vier Fragen an Hannes Krämer, ACE-Rechtsexperte: „Aufnahmen im Ausland sind höchst sensibel“

In welchen Fällen ist der Gebrauch von Dashcams legal?

Da gibt es leider kein Schwarz oder Weiß. Grundsätzlich gilt: Wer einfach personenbezogene Aufnahmen in der Öffentlichkeit macht, muss mit einem Bußgeld rechnen.

Wann können Videoaufnahmen vor Gericht Bestand haben?

Der Verstoß gegen den Datenschutz bedeutet nicht gleichzeitig auch die Unverwertbarkeit in einem Zivilprozess. Im Rahmen der Schadensregulierung können anlassbezogene Aufnahmen im Rahmen der Beweiswürdigung verwertbar sein.

Darf man Dashcam-Fotos und -Videos veröffentlichen?

Ohne Einverständnis der gefilmten Personen auf keinen Fall. Die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten stellt einen bußgeldbewährten Verstoß dar. Außerdem haben die gefilmten Personen einen Anspruch auf Löschung, Unterlassung und auch Schadensersatz gegen den Filmenden.

Die Rechtslage im europäischen Ausland unterscheidet sich von der in Deutschland. Wozu raten Sie?

In Österreich etwa ist es grundsätzlich verboten, nur mit Genehmigung erlaubt und es drohen auch hier bei Verstößen empfindliche Bußgelder. In Belgien, Luxemburg und der Schweiz sollte von einer Verwendung aufgrund der unklaren Rechtslage abgesehen werden.