Der Neuheiten-Jahrgang 2020 ist zahlenmäßig ein eher schwacher, zugleich aber ein extrem starker. Gleich zwei neue Nakedbikes mit mindestens 200 PS gab es noch niemals zuvor. Dass es die Kompressor-Kawasaki Z H2 (1000 ccm, 148 kW/200 PS, 240 kg, ab 17.100 Euro) oder die Ducati Streetfighter V4 (1100 ccm, 153 kW/208 PS, ca. 200 kg, ab 20.000 Euro) deshalb unter die Top Ten der Zulassungsstatistik 2020 schaffen werden, ist nicht zu erwarten; dafür stellen beide trotz jeder Menge Fahrassistenzsysteme zu hohe Ansprüche an das Fahrkönnen ihrer Piloten sowie an den Geldbeutel ihrer Bewunderer. Wichtiger für den Erfolg von Neuheiten am Markt sind das Verhältnis von Preis und Nutzen sowie eine möglichst leichte Handhabung.
Die BMW F 900 XR bietet viel Fahrkomfort und technische Leckerbissen
BMW geht mit drei Neuheiten an den Start, dem Roadster F 800 R und den beiden Sports Adventure Bikes F 900 XR und S 1000 XR; letztgenannte ist unter derselben Modellbezeichnung bereits jahrelang erfolgreich gewesen, kommt aber 2020 mit neuer Technik und zehn Kilogramm weniger Gewicht bei unveränderter Motorleistung von 121 KW/165 PS zum Preis ab 16.950 Euro. Einen vielleicht noch größeren Erfolg könnte die etwas zierlichere, aber bereits ab 11.400 Euro erhältliche Schwester der S 1000 XR landen, die F 900 XR. Sie weist einen neuen Zweizylinder-Reihenmotor mit 895 Kubikzentimetern Hubraum und einer Leistung von 77 kW/105 PS auf, ihr Gewicht von 219 Kilo sowie die Zuladung von weiteren 219 Kilogramm machen sie leicht handhabbar, lassen die kleine XR aber auch für den Zweipersonenbetrieb als geeignet erscheinen. Zudem bietet BMW vom adaptiven Kurvenlicht bis hin zum Kurven-ABS viele technische Schmankerl, manche allerdings nur gegen Zuzahlung. Weil die Federwege von 17 Zentimetern lang genug für hohen Fahrkomfort sind und zugleich die Sitzhöhe mit 82,5 Zentimetern nicht einem „Hochsitz“ entspricht und zudem viele Sitzbankhöhen realisierbar sind, dürfte die F 900 XR schon im ersten Jahr am Markt ein wichtiges Motorrad darstellen.
Mit dem Cruiser R 18 möchte BMW den amerikanischen Markt erobern
Noch wichtiger für die Marke BMW wird aber der Cruiser R 18, der allerdings erst im Frühjahr offiziell vorgestellt werden und in der zweiten Jahreshälfte 2020 zu kaufen sein wird. Die R 18 zielt insbesondere auf den großen Motorradmarkt USA, in dem BMW bislang eine eher geringe Rolle spielt – und insofern steht für BMW viel auf dem Spiel. Der Motor der R 18 ist mit 1.802 Kubikzentimetern Hubraum der weltgrößte je für den Serieneinsatz gebaute Zweizylindermotor, die Maximalleistung beträgt 67 kW/91 PS, das maximale Drehmoment 158 Nm. Die R 18, von der es bisher nur Concept-Versionen zu sehen gab, dürfte auch in der Serienausführung beeindruckend ausfallen. Doch nicht zuletzt wegen des Preises, aber auch wegen des hohen Gewichtes von deutlich über sechs Zentnern wird die BMW R 18 in der deutschen Zulassungsstatistik nicht sehr weit nach vorne fahren können; extrem wichtig ist sie dennoch.
Die Pan America soll neue Kunden für Harley-Davidson begeistern
Nicht viel anders wird es nach aller Voraussicht bei der Harley-Davidson Pan America laufen. Die erste Reiseenduro des US-Traditionsherstellers wird sogar noch einige Monate später zu den Händlern rollen, dürfte aber eine Sonderstellung im Modellprogramm der Amis einnehmen. Sie soll mithelfen, neue Kunden für die Motor-Company zu generieren. Die Pan America ist eine Neuentwicklung: Der 1250 ccm große, wassergekühlte V2 mit mindestens 107 kW/145 PS Leistung ist genauso neu wie das Chassis und der Kettenantrieb des Hinterrads. Die Fahreigenschaften der Pan America auf wie abseits der Straße werden nach Überzeugung der amerikanischen Entwickler „auf Augenhöhe mit den wichtigsten Wettbewerbern“ sein – gemeint sind die BMW R 1250 GS und die KTM 1290 Super Adventure.
Die Honda CRF1100 Africa Twin soll die Erfolgsgeschichte der Vorgängerin fortsetzen
Große Resonanz am Markt dürfte 2020 Honda mit der neuen CRF1100 Africa Twin finden. Das Nachfolgemodell der sehr erfolgreichen Tausender kommt mit einem etwas leistungsfähigeren Motor mit 75 kW/102 PS Leistung, geringfügig geringerem Gewicht (ab 226 kg) und einer stark verbesserten technischen Ausstattung (TFT-Display, Fahrassistenz-und Regelsysteme) sowie mit einem deutlich ausgeweiteten, zugleich verbesserten Zubehörangebot. Der Preis beginnt bei 14.165 Euro, kann aber je nach Version und bei Ausstattung mit dem DCT-Doppelkupplungsgetriebe auch bis an die 20.000 Euro ansteigen.
KTM bietet mit der 390 Adventure viel Ausstattung und Komfort zum günstigen Preis
Noch wichtiger für KTM als die vermutlich rundum überzeugende neue 890 Duke R dürfte langfristig die kleine 390 Adventure sein; deren Nakedbike-Vorläufer, die 390 Duke, hat es 2019 in Deutschland auf immerhin 1730 Verkäufe und damit Rang 8 der Neuzulassungsstatistik gebracht. Die Adventure-Cousine des agilen Nakedbikes (373 ccm Hubraum, 32 kW/44 PS) soll einen breiten Spagat zwischen sehr guten Fahreigenschaften auf Asphalt wie im Gelände schaffen und damit ein großes, nicht unbedingt vermögendes Publikum ansprechen. Denn der Preis ist mit 6195 Euro im Verhältnis zum Gebotenen günstig, dabei ist die technische Ausstattung überdurchschnittlich gut und das Gewicht mit 170 Kilogramm niedrig. Auch bei den Federwegen von 17 Zentimetern und der Sitzhöhe von 85,5 cm hat KTM kundenfreundliche Werte realisiert.