Sehr lange galt der Lithium-Ionen-Akku als das Nonplusultra der Batterie-Technologie. Aus unserem Leben sind die in Smartphones, Kameras und tausenden anderen Geräten eingebauten kleinen Kraftwerke nicht mehr wegzudenken. Doch ausgerechnet im Automobilsektor, dort, wo Emissions-Grenzwerte und die Abkehr von fossilen Energieträgern die E-Mobilität logisch und erstrebenswert machen, stößt die Li-Ion-Technologie an ihre Grenzen.
Die E-Mobilität hat es (noch) schwer
Stand 2020: Spätestens nach realen 300 Kilometern ist Schluss. Im Winter deutlich früher. Das Laden raubt immer noch viel Zeit und die Infrastruktur aus Ladesäulen, Ladetechnik und Bezahlmodi ist nach wie vor ein einziger Flickenteppich. Auch der Einstiegspreis in die E-Mobilität ist noch eine Hürde. Zwar gibt es den Bonus vom Staat, aber viele Automodelle sind nach wie vor teuer. Und trotz sinkender Akkupreise reicht die Autoindustrie den Preisvorteil nicht oder nur teilweise an ihre Kunden weiter.
Die Ökobilanz spricht für die Stromer
Anfang 2020 rollten rund 137.000 E-Autos auf bundesdeutschen Straßen. Die aktuelle Batterietechnik und die Begleitumstände bremsen den großen Durchbruch der E-Mobilität aber eher aus. Dabei wird sie doch so dringend gebraucht: Auf die Frage nach der Ökobilanz von Elektrofahrzeugen sieht die Autoindustrie den Stromer im Vorteil gegenüber den klassischen Verbrennern. Zwar belastet die Antriebs-Batterie eines E-Autos in der Produktion mit höheren Emissionen die Umwelt. Doch selbst wenn die E-Autos nicht mit CO2-neutralem Strom betankt werden, verursachen Batteriefahrzeuge über den gesamten Lebenszyklus hinweg rund 40 Prozent weniger Emissionen als ein Benziner und immerhin noch 30 Prozent weniger gegenüber dem Diesel, führt etwa Hersteller Mercedes-Benz an. Dabei sei das Recycling von Rohstoffen wie etwa Kobalt, Nickel, Kupfer und Silizium, die künftig viel stärker als bisher zurück in den Produktionskreislauf fließen sollen, noch nicht mit eingerechnet. Fest steht zum heutigen Zeitpunkt: Die Li-Ion-Batterie ist hoch entwickelt – und gleichzeitig technisch weitgehend ausgereizt. Zudem werden die für sie wichtigen Rohstoffe wie Kobalt und Lithium knapp. Deshalb wird der Li-Ion-Akku den weltweit stetig wachsenden Energiehunger bald nicht mehr stillen und im Fall der Elektroautos die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen können.
So funktioniert der Lithium-Ionen-Akku
Um den Lithium-Ionen-Akku physikalisch, aber auch in seiner globalen Bedeutung besser verstehen zu können, betrachten wir kurz seinen Aufbau: Wie jeder Energiespeicher erzeugt er Strom durch die Bewegung von Ionen und Elektronen, das sind die beweglichen Bausteine eines jeden Atoms. Beim Einsatz und damit Entladen der Batterie wandern Lithium-Ionen durch eine flüssige Trennschicht (Elektrolyt) vom Pluspol (Anode) zum Minuspol (Kathode). Dieser Elektrolyt hat die Aufgabe, Plus- und Minuspol sicher voneinander zu trennen, um einen Kurzschluss zu vermeiden. Gleichzeitig müssen die Ionen, also die Träger der positiven Ladung, im Innern der Batterie, von der einen zur anderen Seite gelangen. Was speziell die Lithium-Ionen so einzigartig macht: Sie sind besonders klein und leicht und rasen daher besonders schnell zwischen Plus- und Minuspol hin und her. Dieses Geschwindigkeitsplus hat der Li-Ion-Batterie ihren Leistungsvorteil und damit ihren weltweiten Siegeszug beschert.
Die Rohstoffgewinnung sorgt für Kritik
Von entscheidender Bedeutung für die Leistung der Batterie ist aber auch das Kathodenmaterial. Bei der Lithium-Ionen-Batterie besteht die Kathode aus Lithium-Kobaltoxid. Kobaltoxid, wie es etwa auch zur Keramikherstellung benötigt wird, sorgt zwar für eine hohe Speicherdichte. Aber speziell das hierzu erforderliche Grundmaterial Kobalt ist giftig, teuer, nicht in beliebiger Menge verfügbar und wird unter absolut menschenunwürdigen Bedingungen überwiegend in den afrikanischen Staaten Kongo und in Sambia gewonnen, aber auch in Kanada, Marokko, Kuba, Russland und USA.
Neue Materialien könnten problematische Rohstoffe ersetzen
Längst wird versucht, das umstrittene und wichtige, aber giftige Schwermetall Kobalt in Teilen zu ersetzen. Hoffnungsvolle Kandidaten sind Nickel und Mangan. Beide Rohstoffe sind in großen Mengen vorhanden. Doch ganz ersetzen lässt sich Kobalt nicht, sonst würde der Li-Ion-Akku versagen. Um auf Kobalt verzichten zu können, muss man sich konsequenterweise vom Li-Ion-Akku verabschieden. Dieser Wechsel ist bereits eingeläutet. Forscher sprechen längst offen von der „Post-Lithium-Ära“. Neue und vor allem unkritische Materialien sind allen voran das Elektrolyt Natrium (auch Bestandteil von Kochsalz), aber auch Magnesium, Aluminium oder Kalzium.
Auch Natrium-Ionen-Akkus haben ihre Tücken
Unter allen denkbaren Konstellationen stechen derzeit die Natrium-Ionen-Akkus heraus. Sie gelten als neuer Hoffnungsträger, technologisch wie auch unter Umweltaspekten. Also Natrium statt Lithium sowie Kobalt raus – so einfach ist das? Tatsächlich stehen die ersten Na-Ion-Akkus unter Federführung von Toyota vor der Serienreife. Ist das dann der ersehnte Königsweg? Nicht ganz. Denn Natrium-Ionen sind größer und schwerer als Lithium-Ionen und damit langsamer. Der Na-Ion-Akku benötigt deshalb begleitende chemische Elemente, damit der Strom schneller fließt. Forscher des Max-Planck-Instituts stellten fest, dass durch die richtige Kombination von Aluminium und Silizium mit Natrium und Schwefel eine neue Struktur entsteht, die besonders vorteilhaft für einen schnellen Ionentransfer ist.
Hoffnungsträger ist der Festkörper-Akku
Es ist aber ein dritter, entscheidender Schritt, der dem Automobil-Akku den Weg in die Zukunft weist: Der Elektrolyt ist nicht mehr flüssig, sondern fest. Das ermöglicht ein schnelleres Laden und Entladen, mindert die Brandgefahr und macht den Einsatz eines Systems zur Temperaturregelung beinahe überflüssig. Ein Feststoff-Akku kann bei gleichem Gewicht und Volumen zudem mehr Energie speichern und ein festes Material in der Mitte kann sehr viel dünner sein als eine flüssige Trennschicht. Das macht den Akku kleiner und leichter. Potenzielle Kandidaten für feste Elektrolyte mit Dicken von Tausendsteln Millimetern sind momentan Glas, Keramik, Schwefelverbindungen und einige Polymer-Kunststoffe.
Wann ist der Festkörper-Akku serienreif?
Die Begeisterung für die Feststoff-Batterie und die Erwartungen sind in der Forscherszene sehr groß – verbunden mit oft wagemutigen und voreiligen Äußerungen in der Öffentlichkeit. Denn bei allem Optimismus steht und fällt die Zukunft dieser Batterie-Art mit der Serienreife: Was in Labors schon unter Idealbedingungen funktioniert, muss auf der Straße nicht zwingend Bestand haben. Berechtigte Hoffnung macht da der zweitgrößte Automobilhersteller der Welt: Toyota wollte ursprünglich noch dieses Jahr einen E-Auto-Prototyp mit Feststoffbatterie zur Olympiade in Tokio präsentieren. Das wurde wegen der Corona-Pandemie abgesagt. Wann der revolutionäre Akku nun wirklich kommt, darüber kommunizieren die Japaner unklar. Mal ist von Ende 2023 die Rede, dann wieder von „Mitte des Jahrzehnts“. Wohl aber will Toyota seine Technologie nicht alleine vermarkten, sondern allen Mitbewerbern zur Verfügung stellen. BMW ist eine Kooperation mit den Japanern eingegangen, will nach Firmenaussagen aber nicht vor 2030 mit einem solchen Festkörperakku erscheinen. VW forscht ebenfalls an der Festkörper-Technik, ist mit 100 Millionen Dollar bei einem kalifornischen Festkörper-Start-up eingestiegen. Die Reichweite eines E-Golf soll sich durch den Einsatz der Feststoffbatterie wohl von derzeit 300 auf bis zu 750 Kilometer erhöhen. Das wäre eine Sensation.
Noch sind viele Fragen offen
Aber hätte so ein Lithium-Ionen-Akku auch Bestand im „Reallife“, auf allen Straßen, bei jedem Wetter? Ist ein minutenschnelles Laden auch bei minus 20 Grad möglich? Sind serientaugliche Festkörper-E-Autos bezahlbar? Niemand kann diese Fragen derzeit beantworten. Vor allem bei der Lebensdauer gibt es noch Schwierigkeiten – durchaus ein Problem für Autohersteller, die acht Jahre Garantie auf ihre Akkus geben. Branchenmagazine und Internet-Portale überschlagen sich derweil mit immer neuen „sensationellen“ Nachrichten zum „kurz bevorstehenden“ Durchbruch des Festkörper-Akkus. Doch schaut man genauer hin, so erkannt man schnell, dass viele hoffnungsvolle Projekte den Forschungsstatus noch nicht verlassen haben. Der Lithium-Ionen-Akku bleibt uns also voraussichtlich noch einige Jahre erhalten. Der ersehnte Festkörper-Akku kommt definitiv, aber der Zeitpunkt ist noch völlig offen.
Ausführliche Informationen rund um das Thema Elektromobilität finden Sie auf den ACE-Ratgeber-Seiten. Wie ausgediente Lithium-Ionen-Akkus nachhaltig genutzt werden können, lesen Sie in unserem Artikel "Batterien aus E-Autos – Fit genug für ein zweites Leben".