3,8 Mio. Euro-4-Diesel und 5,6 Mio. Euro 5- Diesel gab es Anfang 2018 noch in Deutschland. Wegen ihres hohen Stickoxid-Ausstoßes drohen ihnen in immer mehr Städten Fahrverbote. Für Euro-4-Diesel gelten diese bereits seit Mitte 2018 auf zwei Straßen in Hamburg und seit dem ersten Januar 2019 im gesamten Stuttgarter Stadtgebiet. In vielen weiteren Städten drohen sie in den kommenden Monaten. Euro 5 sind frühestens ab September 2019 betroffen. Eine Lösung könnte die Hardware-Nachrüstung sein. Doch bisher gibt es noch keine zugelassenen Nachrüst-Systeme. Die Zeit drängt.
Autokonzerne treten beim Thema Nachrüstung auf die Bremse
David Dharsono fährt einen VW Caddy, Baujahr 2013. Doch ab dem kommenden Jahr darf er damit wohl nicht mehr in die Stadt. Der Grund: Der einst über 20.000 Euro teure VW ist zwar immer noch in optisch und technisch einwandfreiem Zustand, doch er erfüllt nur die Abgasnorm Euro 5. Dabei wäre die Lösung so einfach. Gerade relativ junge Modelle wie den VW Caddy gab es oft als Euro-5- oder Euro-6-Modell. Benötigte Komponenten für eine bessere Schadstoffklasse gibt es teilweise sogar im Ersatzteilregal. Außerdem haben Nachrüster wie Oberland-Mangold, TwinTec oder Dr. Pley bereits gezeigt, dass sich Euro-5-Diesel mit mehr oder weniger großem technischen und finanziellen Aufwand auf das Niveau neuester Euro-6-Diesel bringen lassen. Doch die Autokonzerne geben sich bisher unwillig, verweisen auf Haftungsrisiken oder raten wie VW sogar von der Nachrüstung ab. Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) hat das mit deutlichen Worten kritisiert: „Erst streuen sie die Infektion, und dann warnen sie vor dem Medikament. Das ist erbärmlich!“, ließ sich ZDK-Hauptgeschäftsführer Axel Koblitz zitieren.
Auch die Behörden blockieren die Nachrüstung
Doch bei der Nachrüstung scheitert es bisher noch nicht mal allein an den Autokonzernen. Das größte Hindernis scheinen bisher das Verkehrsministerium und das untergeordnete Kraftfahrtbundesamt zu sein. Denn damit Fahrzeuge nachgerüstet werden können, muss es diesen Eingriff erst genehmigen. Doch für die entsprechende Richtlinie hat sich das Verkehrsministerium Zeit gelassen. Erst kurz vor Silvester hat das Team um Verkehrsminister Andreas Scheuer sie veröffentlicht. Und das 40 Seiten starke Papier stellt Anforderungen, die teilweise strenger sind als bei der Zulassung von Neufahrzeugen. Unter anderem müssen die Nachrüster belegen, dass ihre Lösung mindestens fünf Jahre oder 100.000 Kilometer funktioniert; wohlgemerkt bei gebrauchten Fahrzeugen, die unter Umständen schon mehrere zehntausend oder gar hunderttausend Kilometer auf der Uhr haben.
Höhere Anforderungen an Nachrüster als Hersteller
Hubert Mangold, Geschäftsführer des Nachrüsters Oberland-Mangold, sieht jedoch in einem anderen Detail den Knackpunkt: „Wir müssen garantieren, dass hinten wirklich nicht mehr als knapp 300 mg Stickoxid pro Kilometer rauskommen, selbst bei minus sieben Grad.“ Doch das wird schwierig, denn die Nachrüst-Lösungen auf Ammoniak-Basis (AdBlue-Technologie und Patronen-Systeme) können nur anteilig das reinigen, was der Motor an Abgasen produziert. Und dem Hersteller habe der Gesetzgeber bei niedrigen Temperaturen sogar die Abschaltung der kompletten Abgasreinigung erlaubt, Stichwort „Thermofenster“. Auf die Frage, warum es diese Unterschiede gibt, kommt aus dem Ministerium nur die lapidare Antwort: „Durch die Hardwarenachrüstung werden die Maßnahmen für saubere Luft und zur Reduzierung der Schadstoffemissionen auch bei winterlichen Temperaturen unterstützt.“ Doch das sollte selbstredend auch für die Abgasreinigung bei Neufahrzeugen gelten.
Die Finanzierung der Nachrüstung ist ungeklärt
Trotz dieser Details erachtet Oberland die Anforderungen zwar als „ambitioniert, aber machbar“. Grundsätzlich ermöglicht die Richtlinie auch einen komplett anderen Ansatz (z. B. Wassereinspritzung). Stellt sich noch die Frage der Finanzierung. Eine Umrüstprämie vom Staat, wie vor ein paar Jahren beim Dieselpartikelfilter, ist bisher nicht vorgesehen. Bis jetzt haben nur VW und Daimler bestätigt, dass sie bis zu 3000 Euro übernehmen würden; und das auch nur in den 14 sogenannten „Intensivstädten“, BMW lehnt kategorisch ab, ähnlich sieht das bei Opel sowie bei den Importeuren aus.
Haftungsfragen weiter ungelöst
Abgesehen von der Finanzierung gibt es jedoch noch weitere Hürden: So darf der Verbrauch nach der Umrüstung nicht um mehr als sechs Prozent im neuen Fahrzyklus WLTP steigen. Um das nachzuweisen, benötigen die Nachrüster die Fahrwiderstandswerte. Für die Nachrüstung würden sie außerdem gerne auf die Ersatzteile von Zulieferern zurückgreifen. Beides untersagen die Hersteller bisher, erst kurz vor Redaktionsschluss kündigt VW an, die Informationen und den Zugriff auf Ersatzteile doch zu ermöglichen. So sind Stand heute viele Punkte offen, auch wer beispielsweise bei einem Schaden an einem umgerüsteten Auto haftet.
Ab 2020 drohen auch Fahrverbote für Euro-5-Diesel
Die Autokonzerne spielen auf Zeit und haben in Gerichten, Kommunen und im Verkehrsministerium offenbar Verbündete gefunden. Doch ab 1. April gelten die Euro-4-Fahrverbote in Stuttgart beispielsweise auch für Anwohner. Ein Verstoß soll dann mit 80 Euro geahndet werden, Ausnahmegenehmigungen gibt es zwar, aber sie sind vor allem für klamme Handwerker vorgesehen, nicht für Pendler. Viele weitere Städte mit Euro-4-Verboten werden folgen, ab 2020 droht auch Dharsono und seinem Euro-5-Caddy ein Fahrverbot. Deshalb appelliert der Grafikdesigner an Politik und Interessenvertretungen: „Ermöglicht die schnelle und unbürokratische Nachrüstung und rettet so meinen Diesel!“
Das fordert der ACE
Besitzer älterer Diesel sehen sich mit Fahrverboten und Wertverlust konfrontiert. Der ACE fordert die Bundesregierung und die Autohersteller auf, die Hardware-Nachrüstung unverzüglich anzupacken, bevor es zu spät ist: Aus Sicht des ACE muss die Bundesregierung die Autohersteller jetzt nach dem Verursacherprinzip zu einer zügigen, kostenneutralen Lösung im Sinne der Verbraucher verpflichten. Dabei kann nur die Hardware-Nachrüstung der richtige Weg sein. An diese dürfen jedoch nicht strengere Maßstäbe angesetzt werden als an Fahrzeuge ab Werk. Den Nachrüstern ist außerdem Zugriff auf alle für die Abgasnachbehandlung relevanten Daten der Autokonzerne zu ermöglichen, so dass die Luft in den Städten schnellstmöglich sauberer wird.
Kommentar
Oberland-Mangold, TwinTec und Co. haben bewiesen, dass selbst alte Euro-4-Diesel so sauber sein können wie modernste Selbstzünder. Doch die erfolgreiche Lobbyarbeit der Autokonzerne hat bisher verhindert, dass die erschwingliche Nachrüstung kommt. So werden nur zehn Jahre nach der letzten großen „Abwrackprämie“ erneut voll funktionsfähige und sogar nachrüstbare Autos geschreddert. Und das Ganze unter dem Deckmantel des Umweltschutzes. Doch während auf globaler Ebene um Klimaschutzabkommen und CO2-Vermeidung gerungen wird, vergessen deutsche Politiker, dass es für die Umwelt in der Regel sinnvoller ist, ein bereits hergestelltes Produkt weiter zu nutzen, als es wegzuwerfen und ein neues herzustellen.