Vor dem Hotel ein Dutzend Ferrari, auf dem 17-Miles-Drive drei Jahresproduktionen von Koenigsegg und Pagani und auf den Straßen dazwischen mehr Bentleys als BMWs – kein Wunder, dass sich ein Mann wie Herbert Diess hier ein bisschen fremd fühlt. Schließlich ist er Chef von VW und seine Marke hat beim Concours d’Elegance in Pebble Beach etwa so viel zu suchen wie Pappteller im Sterne-Restaurant. Und trotzdem sonnt sich ausgerechnet Volkswagen diesmal in Glanz der großen Aufmerksamkeit. Denn die Niedersachsen bitten am Rande der edelsten Autoshow der Welt zur ersten Ausfahrt mit dem ID Buzz und stehlen damit jedem Supersportwagen die Schau.
Nur noch das Innendesign erinnert an den ersten Bulli
Während man sonst in Pebble Beach vor allem zurückschaut, wagen wir deshalb den Blick in die Zukunft und steigen in den elektrischen VW Bus von morgen ein. Das schnörkellose, cleane und radikal reduzierte Design erinnert dabei zwar geschickt an die erste Generation des Bulli, die mittlerweile auch schon fast 70 Jahre auf dem Buckel hat. Und das Format entspricht mit seinen knapp fünf Metern beinahe dem T6. Doch sonst ist nicht mehr viel, wie es einmal war: Die Türen öffnen automatisch, sobald man sich mit dem Smartphone autorisiert oder die Kamera das Gesicht erkannt hat und wenn man einsteigt, betritt man tatsächlich eine andere Welt. Denn noch nie hat VW ein Auto so weit entschlackt und auf das wesentliche reduziert wie hier. Alle Anzeigen werden vom Head-Up-Display ersetzt und auch der letzte Schalter macht Platz für eines der vielen Sensorfelder. Die finden sich nicht nur in den Türen, sondern vor allem in dem ungewöhnlich eckigen Lenkrad, in dem Designchef Klaus Bischoff neben dem Blinker und der Steuerung des Infotainments gleich auch noch die Gangauswahl integriert hat.
Viel Platz und Standartkomponenten beim Antrieb
Wie jeder VW Bus bietet auch der ID Buzz Platz in Hülle und Fülle. Erst recht, wenn hinten nur ein verschiebbarer Klapptisch und ein riesiges Sofa montiert sind. Doch selbst wenn man ihn mit vollen acht Plätzen bestuhlt, sitzt man bequemer als im T6, versprechen die Macher. Und wenn man ihn leerräumt, wächst der Kofferraum von 660 auf 4 600 Liter. Die 200 Liter hinter der Haube im Bug nicht mitgerechnet.
So ungewöhnlich das Ambiente, so gewöhnlich ist der Antrieb. In der Praxis, weil die Prototypen-Bauer für das Einzelstück einfach einen E-Golf ausgeschlachtet haben. Und in der Theorie, weil der ID Buzz auf dem Modularen Elektrizitätsbaukasten fußt und deshalb mit lauter Standardkomponenten fährt: Wahlweise mit einem Motor mit 150 kW/204 PS oder als Allradler mit dann zwei Motoren und maximal 275 kW/375 PS und im besten Fall mit einem 111 kWh großen Akku, der für mehr als 600 Kilometer reicht. Und wäre der ID Buzz kein sündhaft teures Unikat, das fragilen Spezialfelgen mit besonders hohen aber sehr schmalen Reifen rollen würde, man könnte mit ihm bis zu 160 km/h fahren und in weniger als fünf Sekunden von 0 auf 100 beschleunigen. Davon können VW-Bus-Fahrer bislang nur träumen.
Davon einmal abgesehen, wirkt der ID Buzz aber schon nach ein paar Minuten ungeheuer vertraut. Denn gerade weil VW alles neu macht, ist der Bulli plötzlich wieder ganz der alte: „Er bietet eine unerreichte Raumeffizienz, er ist variabel wie eh und je er sogar wieder einen Heckantrieb “, sagt Dzemal Sjenar, der den Aufbau des Showcars geleitet hat.
Alles an Bord was man zum autonomen Fahren braucht
Neben dem elektrischen Antrieb bedienen die Niedersachsen mit dem ID Buzz allerdings noch einen zweiten Trend: Denn zumindest in der Theorie braucht der Bulli von Übermorgen keinen Fahrer mehr, sondern hat alles an Bord, was es zum autonomen Fahren braucht. Deshalb muss man nur lange genug auf das VW Logo drücken oder den Sitz etwas drehen, dann verschwindet das Lenkrad und der Autopilot übernimmt das Kommando. In der Vision der Techniker kann man sich dann auch während der Fahrt nach hinten drehen, die Beine übereinanderschlagen und sich seinen Mitfahrern zuwenden.
Während der Testfahrt dagegen reicht es schon, wenn man einfach nur rausschaut und die Reaktionen der anderen Verkehrsteilnehmer beobachtet. Denn wo der ID Buzz auftaucht, bleiben selbst die Fahrer von Supersportwagen stehen und zücken die Handys und der gereckte Daumen wird zum Standard-Gruß. „Es gibt kaum ein VW-Modell, in dem einem so viel Sympathie entgegenschlägt und dass so eine Ikone ist wie der Bulli“, sagt Diess und nach einem halben Dutzend gescheiterten Anläufen hat VW diesen Reiz jetzt offenbar endlich auch ins hier und heute übertragen.
Deshalb soll es auch nicht bei dem einen ID Buzz bleiben. Nachdem alle bisherigen Bulli-Studien entweder am Design, an der Technik, an den Kosten oder an der Kombination dieser Faktoren gescheitert sind, hat Diess dem Retro-Bus mit Zukunftstechnik jetzt grünes Licht gegeben und eine Serienfertigung angekündigt: „Der Buzz wird eines von mindestens fünf elektrischen ID-Modellen bei Volkswagen“, melden die Mannschaft stolz und stellt gleich auch noch eine Corga-Variante für den lautlosen Lieferverkehr in Aussicht.
Der ID Buzz ist nicht vor 2022 auf dem Markt
Dass erst den konventionellen ID im Golf-Format sowie den ID Cross als SUV-Modell geben wird und der ID Buzz nicht vor 2022 kommt, ist da zwar schade. Aber nach so einer langen Wartezeit kommt es auf die paar Jahre jetzt auch nicht mehr an.
Während die VW-Mannen ihr millionenschweres Einzelstück nach den Testfahrten bereit machen für den großen Auftritt beim Concours selbst, werden in den riesigen Zelten rund um die berühmte Lodge im Accord die Oldtimer versteigert. Und wenn es noch eines weiteren Beweises für die Beliebtheit des Bullis bräuchte, würde man ihn dort finden. Denn gut erhalten Exemplare aus den ersten Jahren wechseln zum Teil für deutlich mehr als 100.000 Euro den Besitzer. Das ist allerdings eine der wenigen Bulli-Eigenschaften, die VW besser nicht in die Zukunft retten sollte. Ganz so teuer jedenfalls darf der ID BUZZ nicht werden, wenn er tatsächlich nicht Sympathieträger, sondern auch Erfolgsmodell sein will. Selbst wenn VW-Chef Diess sich damit dann bei der Fahrt nach Pebble Beach in fünf Jahren wieder ein bisschen fremd fühlen dürfte.