17.03.2016

VW-Skandal – Umrüstpläne für Passat in Gefahr

Baustellen wegen des Abgas-Skandals hat Volkswagen derzeit schon mehr als genug, da kam der gelungene Rückruf-Start des Amarok vor Wochen gerade recht. Doch nun droht auch hier Ungemach. Ausgerechnet beim Volumen-Modell Passat gefährden technische Probleme den Plan.

Ein halbes Jahr nach dem Bekanntwerden der Diesel-Manipulationen reißen die schlechten Nachrichten für Europas größten Autobauer Volkswagen nicht ab. In Deutschland gefährden mögliche höhere Kraftstoff-Verbrauchswerte den Rückrufplan für den Passat, europaweit fielen im Februar die Marktanteile - und auch der Großaktionär Katar soll den Druck auf den Aufsichtsrat erhöhen.
Einzig aus Bochum kam eine gute Neuigkeit: Im bundesweit ersten Prozess wegen des Abgas-Skandals wies das dortige Landgericht am Mittwoch die Klage eines VW-Kunden erwartungsgemäß zurück.

KBA gibt noch keine Freigabe


Nach dem erfolgreich angelaufenen Rückruf des Pick-up Amarok vor einigen Wochen ist der Rückrufplan für das erste Volumen-Modell Passat möglicherweise wegen höherer Spritverbräuche in Gefahr. "Es steht Spitz auf Knopf", erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch auf Nachfrage aus Konzernkreisen. Demnach verweigert das zuständige Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) noch das grüne Licht, weil nicht zweifelsfrei nachgewiesen sei, dass der Kraftstoff-Verbrauch nicht steige. Es liefen derzeit aber noch weitere Messungen. "Die Freigaben erfolgen dann, wenn nachgewiesen wurde, dass die Fahrzeuge hinsichtlich aller Belange dem genehmigten Typ entsprechen", sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums in Berlin. Die Freigaben für alle weitere betroffene Modelle seien beim KBA in der Prüfung.

Eine Null-Toleranz-Linie


Grundsätzlich sollen sich die Eigenschaften des Fahrzeugs mit dem nötigen Update der Motorsoftware nicht ändern. Selbst ein minimal höherer Verbrauchswert könnte dann als nicht zulässig gelten, weil bei den Nachrüstungen eine "Null-Toleranz-Linie" gilt. Sollte der Passat nach der Umrüstung einen höheren Verbrauch haben, müsste Volkswagen die bisher geplante Aktion bei dem Modell überarbeiten. Ein VW-Sprecher in Wolfsburg sagte, wann der Rückruf starten könne, sei derzeit offen. Zunächst hatte es geheißen, die Aktion könne in der achten Kalenderwoche beginnen - sie war dann zunächst ohne Nennung von Gründen auf Mitte März verschoben worden.

Verhandlungen in den USA


In den USA sind die Vorzeichen für einen Rückruf der etwa 580.000 vom Abgas-Skandal betroffenen Diesel noch schlechter. Die Verhandlungen mit den Regulierern schleppen sich dahin, seitdem die Manipulationen am 18. September 2015 öffentlich wurden. Die bisherigen Vorschläge zur Beseitigung der Betrugs-Software wiesen die Umweltbehörden EPA und Carb im Januar als unzureichend zurück.


Auch hier waren ungeklärte Auswirkungen auf Spritverbrauch, Motorleistung und Fahrsicherheit die Ursache. Der Zeitdruck ist aber hoch: Am 24. März läuft ein Ultimatum aus, dann fordert der US-Richter Charles Breyer Klarheit über eine Einigung mit der EPA.


Dass VW alle Wagen in einen zulässigen Zustand versetzen kann, gilt in den USA, wo deutlich strengere Grenzwerte für den Ausstoß von Stickoxiden (NOx) gelten, inzwischen als so gut wie ausgeschlossen. "Unser Ziel war es, dass alle Fahrzeuge so schnell wie möglich repariert und in einen gesetzeskonformen Zustand gebracht werden. Leider dürfte das aber nicht möglich sein", sagte Carb-Vertreter Todd Sax jüngst bei einer Senatsanhörung in Kalifornien.

Marktanteile spiegeln Probleme


Auch die Veröffentlichung der aktuellen europäischen Marktanteile durch den Branchenverband Acea in Brüssel zeigt Volkswagens Probleme. VW hat demnach infolge des Skandals gegenüber der Konkurrenz deutliche Verluste hinnehmen müssen. Im Februar fiel der Marktanteil in den EU-Ländern von 25,3 Prozent im Vorjahr auf 23,9 Prozent. Die Marke VW-Pkw kam zwar auf ein Absatzplus von 4,4 Prozent. Insgesamt legte der EU-Automarkt angesichts niedriger Spritpreise und Finanzierungszinsen aber um 14,3 Prozent auf 1,05 Millionen Wagen zu. Dagegen schnitten etwa der Stuttgarter Autobauer Daimler mit einem Verkaufsplus von 21,5 Prozent sowie BMW mit 13,9 Prozent mehr Absatz überdurchschnittlich gut ab.

Ärger für den Aufsichtsrat


Abseits des Tagesgeschäfts droht auch dem mächtigen Aufsichtsrat von Volkswagen neuer Ärger. Großaktionär Katar verlangt laut einem Bericht der Online-Ausgabe des "Manager-Magazins" mehr Mitsprache. Das Emirat will demnach einen Sitz im sechsköpfigen Präsidium des Kontrollgremiums. Ein Sprecher von Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch wollte den Bericht nicht kommentieren. Nach dpa-Informationen sind Unstimmigkeiten mit dem Emirat in der Vergangenheit aber mehrfach Thema im Aufsichtsrat gewesen. Katar ist wie das Land Niedersachsen einer der größten Anteilseigner von Volkswagen. Anders als das Bundesland ist das reiche Emirat aber bislang nur mit zwei Sitzen im Aufsichtsrat, nicht aber im Präsidium vertreten. Katar besitzt 17 Prozent der Stammaktien von VW.

Gerichtsentscheidung in Bochum


Zumindest an einer der vielen Baustellen im Konzern gab es aber an diesem Tag Entwarnung: Enttäuschte VW-Kunden in Deutschland können ihre betroffenen Diesel-Autos laut einer Gerichtsentscheidung nicht zurückgeben. Das Landgericht Bochum wies im bundesweit ersten Prozess dieser Art die Klage eines VW-Fahrers zurück. Der Mangel sei nur gering und vergleichsweise günstig zu beheben, betonten die Richter. Mehrere Anwälte, die klagende Kunden vertreten, sehen hier aber noch keine Richtungsentscheidung. "Das Landgericht Bochum hat als einzelnes Instanzgericht eine Entscheidung getroffen", hieß es etwa bei der Düsseldorfer Kanzlei Rogert & Ulbrich. Die Argumentation, dass der Mangel durch die falschen Abgaswerte nur gering sei, lasse sich hinterfragen. Ein möglicher Mehrverbrauch nach Umrüstungen könne zudem möglicherweise einen "entstandenen neuen Mangel" bedeuten.