Schon bevor die Teilnehmer der ersten Diskussionsrunde auf dem Podium Platz genommen hatten, wurde beim ACE-Symposium in Berlin heftig debattiert. Anlass war der Name der Veranstaltung, „AutoNeuDenken“. „Wir müssen endlich aufhören, das Auto immer in den Mittelpunkt zu stellen“, forderte ein Besucher bereits bei der Anmeldung – und nahm damit gleich einen Teil des Fazits des Symposiums vorneweg.
Und auch der ACE-Vorsitzende Stefan Heimlich machte in seiner Begrüßungsrede deutlich, dass „Mobiliät ganzheitlich betrachtet“ werden muss. Autos seien „notwendig, aber nicht ausreichend“. Schließlich würden emissionsfreie Autos ebenfalls Staus verursachen. Aber auch der ÖPNV sei kein Allheilmittel, hier fehle die erste und letzte Meile. Bike- und Carsharing-Angebote können eine Ergänzung sein, rund um die Haltestellen stehen immer mehr Fahrzeuge zur Verfügung. Einen kleinen Seitenhieb in Richtung Politik konnte sich Heimlich nicht verkneifen: „Die Menschen sind viel weiter als unsere Politiker – sie leben den Mobilitätsmix schon.“
In den Metropolen drohen Fahrverbote für Diesel-Autos
Solchermaßen eingestimmt ging es in die erste Talkrunde „Neue Konzepte für Metropolen“. Hier zeigte sich exemplarisch, wie unterschiedlich die Voraussetzungen in den Städten sein können – und dass es keine einfachen, allgemeingültigen Lösungen gibt. Während es in Berlin – die Hauptstadt war durch Hartmut Reupke, Abteilungsleiter Verkehr in der Senatsverwaltung Berlin für Umwelt und Verkehr, vertreten – nicht nur den gut funktionierenden S-Bahn-Ring, sondern auch ein gut ausgebautes Radwegenetz gibt, ist in der Stau- und Feinstaubhauptstadt Stuttgart ein weiterer Ausbau des ÖPNV so gut wie nicht mehr möglich. Denn „das Nadelöhr Hauptbahnhof ist an seiner Kapazitätsgrenze“, räumte Prof. Dr. Uwe Lahl, Ministerialdirektor im baden-württembergischen Verkehrsministerium, ein. „Würden wir einen radikalen Umstieg anordnen, hätten wir ein massives Infrastrukturproblem“, sagte Lahl – wohl wissend, dass Stuttgart angesichts drohender Diesel-Fahrverbote genau das bevorsteht.
Etwas neidisch blickten beide zu Jens Christian Boysen, Erster Botschaftssekretär der norwegischen Botschaft, als dieser die Situation in Oslo schilderte, wo dank diverser Vergünstigungen bereits ein guter Teil der Fahrzeuge emissionsfrei, sprich mit Strom, unterwegs sind. Wer mit einem Diesel in die Stadt will, soll ab 2020 mit sechs Euro pro Tag zur Kasse gebeten werden.
Schärfe brachte Dr. Weert Canzler vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung in die Debatte. Er monierte, dass das Auto immer noch bevorzugt werde. So koste ein Anwohnerparkausweis in Berlin gerade mal 10,20 Euro im Jahr. „Das private Auto hat in der Stadt nichts zu suchen. Und wenn, muss es richtig kosten – eine harte Diskussion, aber die müssen wir aushalten“, so Canzler. Anders werde sich die Situation für Fahrradfahrer nicht verbessern. Den Vertretern der Politik gab er noch einen guten Rat mit auf den Weg: „Je länger ein Sektor keine Emissionen einspart, desto härtere Maßnahmen müssen letztendlich ergriffen werden.“
Moderne Sharing-Angebote sind noch kein Ersatz fürs eigene Auto
Dass der Verkehrssektor etwas tun muss, darin waren sich alle einig. Nur was? Während Reupke vom Auto weg will – „Berlin ist auf gutem Weg, noch nicht einmal ein Drittel der Wege werden aktuell mit dem Auto zurückgelegt“ – und eine „anbieterübergreifende Mobilitätskarte“ forderte, warnte Lahl davor, sich zu einseitig auf die Elektromobilität zu fokussieren. „Wir sollten Klimaschutzziele vorgeben. Ob die dann mit dem E-Motor, der Brennstoffzelle oder dem Diesel erreicht werden, ist doch ganz egal.“
Auch die zweite Diskussionsrunde versprach Zündstoff. Hier trafen Vertreter der Automobilindustrie auf die Anbieter neuer Mobilitätsformen. Dr. Randolf Wöhrl, der die Mobilitätsapp Moovel vertrat, forderte, den Zugang zu Mobilitätsangeboten zu vereinfachen. Denn „je besser die Mobilitätsservices vernetzt sind, umso stärker werden sie genutzt“. Wichtig sei es, sowohl ein großes Angebot wie auch die Nachfrage zu haben, betonte Marei Martens von der Mitfahr-Plattform BlaBlaCar, vor allem auf dem Land hapere es noch deutlich. Nicht nur deshalb ist für Ferry Franz von Toyota klar, dass alle modernen Sharing-Angebote noch lange kein Ersatz für das eigene Auto sind – und das müsse eben sauber sein. Für das Elektroauto sieht Martin Zimmermann von Renault weniger Preis und Reichweite als Problem, sondern vielmehr psychologische Faktoren: „Dass man jederzeit und überall tanken kann, das ist über Jahrzehnte gelerntes Verhalten.“ Aus diesem Grund forderte Dennis Steinsiek von Nextbike, dass „künftig bei Neubauten generell alle Verkehrsträger berücksichtigt werden“ sollten. Das gelte für Ladestationen wie auch Fahrradstellplätze. Wie Daimler mit car2go hat BMW mit DriveNow ein Sharingkonzept. Laut Thiemo Schalk vom Kompetenzzentrum Urbane Mobilität bei BMW hat das einen einfachen Grund: „Wir wollen die neue Mobilität mitgestalten und nicht irgendwann nur noch der Hardware-Lieferant von Google und Co. sein.“
„Das Auto – egal ob emissionsfrei oder nicht –, welches nur eine einzelne Person bewegt, führt schon heute zum Verkehrskollaps. Die Mobilität muss dringend neu gedacht werden“, zog Stefan Heimlich ein Fazit der Diskussionsrunden. Die nächste ACE-Veranstaltung ist bereits in Planung. Und diese wird dann nicht mehr das Auto, sondern die Mobilität im Titel tragen.