Bei der Beratungsqualität von E-Autos im Autohandel scheint Nachholbedarf zu bestehen: Im Sommer 2020 wurden dazu 345 Autohäuser von der Zeitschrift „auto motor und sport“ getestet sowie nach 15 Kriterien wie zum Beispiel Verkäuferverhalten und Produktberatung bewertet. Insgesamt attestierte die Zeitschrift dem Handel bezüglich der Beratung rund um E-Autos eine „miserable“ Qualität: Die Verkäufer hätten beispielsweise nur oberflächlich informiert und für Probefahrten wären keine Fahrzeuge vorhanden gewesen.
Auch wenn Stichproben nicht unbedingt repräsentativ sind, Fahrzeuge zum Testen nicht immer verfügbar sein können und Verkäufer auch mal einen schlechten Tag erwischen: Komplett erklären lässt sich die massive Kritik damit nicht. Welche Gründe gibt es also noch?
Autoverkäufer zu sein ist in den vergangenen Jahrzehnten nicht einfacher geworden
Noch bis in die späten 90er Jahre waren Autoverkäufer glänzende Superstars. Das Geschäft lief wie von selbst, neue Autos waren begehrt und der Handel war mehr oder weniger der einzige Vertriebskanal. Heute leiden Autoverkäufer – wie auch Verkäufer aus anderen Branchen – unter dem zusätzlichen Vertriebskanal Internet. Die Verbraucher informieren sich dort und wollen dann beim Händler vielleicht noch eine Probefahrt absolvieren, aber oft auch nur noch über den Preis sprechen. Die Motivation, jeden Kunden proaktiv und engagiert zu beraten, ist dadurch sicherlich nicht gestiegen. Dementsprechend sind beide Seiten unzufrieden: Der bestens qualifizierte und top vorbereitete Berater kann sein Fachwissen nicht vermitteln – und der Kunde kommt bei der Preisverhandlung meist nicht so weiter, wie er sich das vielleicht vorgestellt hat.
Beim Thema E-Auto spitzt sich dieser Konflikt noch mehr zu. Ältere, erfolgsverwöhnte Verkäufer haben oft keine Lust mehr, sich auf etwas Neues einzulassen. Und jüngere Verkäufer müssen erst Mal ausgebildet und gehalten werden. Hinzu kommt, dass natürlich auch die Umschulung erfolgen bzw. die persönliche Erfahrung rund um die E-Mobilität wachsen muss: „Der klassische Verkäufer hat wohl eher Benzin als Volt und Watt im Blut“, gibt Ansgar Klein, Geschäftsführender Vorstand beim Bundesverband freier Kfz-Händler BVfK e.V. offen zu. Mit steigender Nachfrage würde aber auch die Beratungsqualität automatisch steigen.
„Die Verkäufer stecken genauso im Wandel wie die Verbraucher“, bestätigt auch Roberto Wegener, dessen Autohaus sich schon seit 2012 auf den Handel mit E-Autos spezialisiert hat – und zudem mehrfach für eine außerordentlich gute Beratung ausgezeichnet wurde. Auch er sieht das Problem mancher Verkäufer, sich auf das neue Thema einzustellen.
Der Autohandel braucht also wie auch die Gesellschaft Zeit, sich auf die E-Mobilität einzustellen. So weit, so gut – aber leider gibt es noch einen weiteren Grund, der den Autohandel bei der Mobilitätswende tatsächlich bremsen könnte: die staatliche Förderung.
Die hohe Neuwagenförderung erzeugt Druck auf Gebrauchtwagenpreise
Was für den Verbraucher gut ist und den E-Auto-Boom erst so richtig in Schwung gebracht hat, ist für den Handel erst mal eine bittere Pille: Neuwagen werden durch die Förderung so günstig, dass sich der Kauf eines Gebrauchtwagens des gleichen Modells nicht mehr lohnt. Oder anders gesagt: Wer interessiert sich schon für ein gebrauchtes E-Auto, wenn es neue E-Autos zu immer günstigeren Preisen gibt? Der Handel mit jungen Gebrauchten oder Leasing-Rückläufern wird daher eher zum Verlustgeschäft. Am meisten betroffen seien davon E-Fahrzeuge mit einem Listenneupreis von 22.000 bis 40.000 Euro, bestätigt die Deutsche Automobil Treuhand in einer Meldung des Berliner „Tagesspiegel“. Dort wird auch angemahnt, dass diese Problematik aufgrund der verlängerten Förderung des Bundes bis 2025 anhalten wird. Erst dann rechnen Experten mit einer schrittweisen Etablierung eines funktionierenden Gebrauchtwagenmarktes.
Händler erfahren Wertverlust von fast 5.000 Euro durch E-Auto-Prämie
In einer Beispielrechnung wird zudem das Dilemma eines Wertverlustes bei Leasing-Rückgaben deutlich: Der Listenpreis eines Nissan Leaf lag im Juni 2019 bei 36.000 Euro. Abzüglich des damaligen Umweltbonus ging das Auto damals für ca. 31.600 € über den Tisch. Bei einem 36-monatigen Leasingvertrag lag der kalkulierte Restwert dann noch bei 19.000 Euro.
Seit Juni 2019 haben sich aber die Rahmenbedingungen deutlich geändert: Zum einen wurden der Preis für den Nissan E-Leaf vom Hersteller um satte 3.500 Euro gesenkt – und der Umweltbonus wurde in zwei Schritten zunächst auf 6.570 und dann auf 9.750 Euro erhöht. Dadurch sank der Kaufpreis eines Nissan Leaf im Vergleich zum Vorjahr um rund 8.700 Euro auf ca. 22.900 Euro.
Das wiederum wirkt sich natürlich auch auf den Restwert aus, der bei der Leasing-Rückgabe Mitte 2022 nun nur noch 14.000 Euro beträgt. Beim ursprünglichen Verkauf im Juni 2019 betrug der Restwert aber noch 19.000 Euro. Insgesamt muss der Händler also einen Verlust von 5.000 verbuchen – und dieser Verlust wird entscheidend durch die momentan sehr hohe Förderung verursacht.
Nicht der Kauf an sich, sondern die elektrische Nutzung könnte mehr gefördert werden
Eine mögliche Lösung wäre laut Roberto Wegener, die Förderung mehr an die reine elektrische Nutzung zu knüpfen, zum Beispiel in Form eines Ladeguthabens. Mit dem momentanen Umweltbonus von 6.000 Euro könnte sich jeder E-Autofahrer die Stromkosten für 200.000 Kilometer sparen. Damit würde die reine elektrische Nutzung belohnt – und damit wäre die auch vom ACE kritisch betrachtete Förderung von Plug-in-Hybriden gelöst. Für deren Kauf gibt es zwar insgesamt 6.750 Euro Förderung, aber meistens sind diese Fahrzeuge nur als Verbrenner unterwegs. Würden die Prämien als Ladeguthaben ausgezahlt, wäre der umweltschonende Effekt auch hier wesentlich deutlicher.