Ob auf der großen Urlaubstour oder nur mal kurz auf der Fahrt zum Bäcker: Kinder müssen im Auto immer mit einem geeigneten Rückhaltesystem transportiert werden. Welches das ist und wie es genutzt werden sollte, wissen weltweit nur wenige Menschen so gut wie Lotta Jakobsson. Die schwedische Biomechanikerin ist Leiterin der Abteilung Insassenschutz beim Autohersteller Volvo und darüber hinaus Vorsitzende der internationalen ISO-Arbeitsgruppe für Kinderrückhaltesysteme, die sich mit der weltweiten Normung von Kindersitzen befasst. Hier beantwortet sie die wichtigsten Fragen zum Thema.
Welcher Platz im Auto ist der sicherste?
Lange Zeit empfahlen Experten die Rückbank und da oft den Mittelsitz als optimalen Platz für den Nachwuchs – weil man dort in der Regel am weitesten vom Kollisionshindernis entfernt sitzt. „Bei modernen Autos sind jedoch alle Plätze gleich sicher“, sagt Jakobsson. Ist bei älteren Autos die weiche Karosserieflanke noch eine Schwachstelle bei seitlichen Kollisionen, sind aktuelle Modelle in dieser Hinsicht deutlich stabiler. Wichtig ist allerdings, dass die Plätze mit Gurtstraffern ausgestattet sind. Auf der Rücksitzbank sind sie aber längst nicht bei allen Autos serienmäßig vorhanden.
Beifahrer-Airbag aus oder ein?
Wird eine Babyschale oder ein rückwärts gerichteter Kindersitz vorne platziert, muss der Airbag ausgeschaltet werden. Ansonsten würde er bei einem Crash gegen den Kindersitz schlagen. Sitzt das Kind mit dem Gesicht in Fahrtrichtung in einem Kindersitz oder auf einer Sitzerhöhung, sollte er an bleiben. „Der Beifahrer-Airbag hat für das Kind im Grunde weder positive noch negative Auswirkungen bei einem Crash“, sagt Jakobsson. Wird er deaktiviert, bestehe allerdings die Gefahr, dass er nicht wieder eingeschaltet wird, wenn ein Erwachsener Platz nimmt. Also besser gar nicht abschalten.
Isofix, Gurt oder beides?
Isofix-Kindersitze werden mit einer Basisstation an der Fahrzeugkarosserie verankert, die Sitzschale selbst lässt sich dann schnell aufstecken oder abnehmen – vor allem bei Babyschalen, die auch außerhalb des Autos genutzt werden ist das praktisch. „Allerdings hält die Befestigung nur bis zu einem Gewicht von 18 Kilogramm sicher“, sagt Jakobsson. Dabei handelt es sich um das Gesamtgewicht von Sitz und Kind. Der Sitz allein kann schon bis zu 10 Kilogramm wiegen. Nicht zu empfehlen ist laut der Expertin, den Sitz parallel per Gurt und Isofix im Auto zu befestigen. Bei den Isofix-Systemen wird der Sitz häufig etwas versetzt zur Mitte der Sitzfläche positioniert, für Gurtsysteme muss er jedoch genau in der Mitte platziert sein.
Darf man einen gebrauchten Kindersitz verwenden?
Sitzhersteller raten vom Second-Hand-Kauf ab. Eigentlich spricht aus Jakobssons Sicht aber nichts dagegen – zumindest, wenn der Sitz nicht in einen Unfall verwickelt war. „Kindersitze halten unserer Erfahrung nach durchaus zehn Jahre und länger“, sagt die Expertin. Wer ein gebrauchtes Exemplar aus sicherer Quelle – etwa von Bekannten oder Verwandten – kaufen kann, sollte das durchaus tun. Allerdings darf der Sitz nicht offensichtlich beschädigt sein. „Am anfälligsten sind die Körpergurte – sind die schon verschlissen, Finger weg.“
Gesicht in Fahrtrichtung oder lieber andersrum?
Babyschalen (Klasse 0+) müssen immer entgegen der Fahrtrichtung befestigt werden. Nach dem ersten Lebensjahr, wenn ein sogenannter Klasse-I-Sitz nötig wird, steigen in Deutschland aber die meisten Eltern auf vorwärtsgerichtete Rückhaltesysteme um. Ein schwerer Fehler, findet Jakobsson. Bei den besonders gefährlichen Frontalkollisionen ist das Kind in einem rückwärtsgerichteten Klasse-I-Kindersitz viel besser geschützt. „Die am stärksten gefährdete Körperpartie bei einem Kind ist der Nacken. Der Kopf eines Kindes ist gegenüber dem eines Erwachsenen proportional viel schwerer und größer“, so Jakobsson. Zudem sind die Muskeln noch nicht ausreichend ausgebildet. Bei einem Frontalaufprall schleudert der Kopf daher mit großer Wucht nach vorne. Sitzt das Kind jedoch mit Blickrichtung nach hinten, wird der Kopf bei einem Frontalaufprall gegen die Rückenlehne des Sitzes gepresst, was den Nacken entlastet. Jakobsson empfiehlt daher, das Kind bis zum Alter von drei bis vier Jahren rückwärtsfahren zu lassen. Dann sei es groß genug, den Sicherheitsgurt des Fahrzeugs zusammen mit einem Gurtkissen zu nutzen. Ohne geeigneten Sitz dürfen Kinder in Deutschland erst ab 1,50 Meter Körpergröße im Auto mitfahren.
Was ist von Kindersitzen mit Rückhalte-Tischchen oder -kissen zu halten?
Etwa ab Kindergartenalter steigen Kinder auf einen Klasse-II- oder Klasse-II/III-Sitz um. Häufig dient dann ein vor den Bauch geschnalltes und mit dem Dreipunktgurt fixiertes Kissen als Rückhalt. „Wir raten von solchen Systemen ab“, so Jakobsson. Zum einen sei der Oberkörper nicht gesichert, weil der Gurt durch das Kissen und nicht über die Schulter geführt wird. Bei einem Crash pendeln Brustkorb und Kopf dann ungebremst nach vorne. Außerdem muss bei einem Crash der weiche Bauch des Kindes die Aufprallenergie aufnehmen. Das kann zu schlimmen Verletzungen der inneren Organe führen.
Reicht eine reine Sitzerhöhung oder muss es ein Exemplar mit Lehne sein?
Reine Sitzkissen sind umstritten und gelten vielen Eltern als Billiglösung. Rechtlich sind sie für Kinder ab etwa vier Jahren zugelassen. Zu Recht, findet Jakobsson. „In einem modernen Auto mit Fensterairbags bieten sie ausreichenden Schutz, auch bei seitlichen Crashs.“ Ein Rückteil kann jedoch vor allem auf Langstrecken komfortabler sein, da der Oberkörper beim Schlafen besser gestützt wird und das Kind nicht aus dem Schultergurt rutscht.
Worauf ist bei der Nutzung einer Sitzerhöhung zu achten
Der Gebrauch von Sitzerhöhungen ist sehr simpel, weil aktuelle Modelle über Führungshörnchen für den Gurt verfügen, die den korrekten Verlauf nahe legen. „Der Beckengurt sollte auf dem Becken des Kindes liegen, nicht über den Bauch führen“, erklärt Jakobsson. Der Schultergurt sollte zudem nicht zu eng am Hals anliegen. Das sei zwar nicht gefährlich, aber für das Kind so unkomfortabel, dass es sich aus dem Gurt herausdrehen könnte.