Vor ziemlich genau 130 Jahren präsentierten zwei Tüftler namens Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach eine Kutsche, die mit einem Einzylinder-Benziner angetrieben wurde. Die Weiterentwicklung dieses Benzinmotors brachte nur drei Jahre später auf der Pariser Weltausstellung den großen Durchbruch des Automobils. Und bis heute ist Benzin der Kraftstoff, der die meisten Autos antreibt: Laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ist der Benzinmotor in Deutschland zum 1. Januar 2016 mit 66,2 Prozent die verbreitetste Antriebsart gewesen. Und der Diesel-Skandal bei VW wird dem Benziner nun zusätzlich Auftrieb verliehen haben, schätzen Experten.
Abgasskandal wirkt sich auch auf die Benziner aus
Allerdings ist der VW-Abgasskandal für den Benziner nicht nur positiv. Als Konsequenz aus dem Abgasskandal will die EU-Politik voraussichtlich ab 2017 Testverfahren strenger und mit dem Straßentest RDE auch realistischer machen. Das bringt auch den Benziner in Bedrängnis. Die Motoren stoßen zwar weniger Schadstoffe aus als die Selbstzünder, sollen aber auf der Straße ebenfalls die Grenzwerte überschreiten. "Der Straßentest hat einen sehr großen Einfluss, weil Betriebsstrategien, die bei aufgeladenen Motoren heute zum Standard gehören, dann nur noch mit einer sehr deutlich verbesserten Regelung realisierbar sind", sagt Prof. Michael Bargende, Lehrstuhlinhaber des Bereichs Fahrzeugantriebe am Institut für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen (IVK) der Universität Stuttgart. Das fordert auch für den Benziner – ähnlich wie beim Diesel der Zukunft – neue, teurere Technik. An der wird bereits getüftelt.
Der europäische Kurs des Benzinmotors ist aktuell klar definiert: In Europa hat der Direkteinspritzer bei Benzinmotoren die sogenannte Saugrohreinspritzung als Standard so gut wie abgelöst. Der Grund ist einfach: "In Europa werden die schärfsten CO2-Grenzen diskutiert und erlassen", sagt IVK-
Professor Bargende. Und die Direkteinspritzung bringt einen geringeren Verbrauch als die Saugrohreinspritzung – und damit niedrigere CO2-Werte.
Autobauer setzen auf Downsizing und Aufladung
Seit gut einem Jahrzehnt setzen Autobauer in Kombination mit der Direkteinspritzung zudem auf das sogenannte Downsizing für Benzinmotoren. Hier geht der Trend in Richtung kleinerer, aber dennoch leistungsstarker Motoren. Das bedeutet weniger Hubraum und damit auch weniger Verbrauch. "Downsizing mit Aufladung hat den Benziner unglaublich verändert – allerdings nicht in einer Weise, dass es für den Laien direkt ersichtlich wird", sagt Bargende. "Für den Laien sieht alles sozusagen etwas kleiner, etwa wie ein Motoradmotor, aus. Tatsächlich sind Kolben, Ventile, Einspritzdüsen, Motorsteuerung, Thermomanagement et cetera komplett anders. Wir haben nun Literleistungen in Serie, die früher nur bei Rennmotoren möglich waren."
Leistung und Fahrspaß sollen erhalten bleiben
Um Leistung und Fahrspaß zu erhalten, ergänzen die Autobauer die Downsizing-Motoren mit einer Turboaufladung. „Gerade in der Kompaktklasse dominieren aufgeladene Drei- und Vierzylinder-Motoren“, sagt Dr. Rolf Bulander, der als Geschäftsführer beim Automobilzulieferer Bosch für die Antriebstechnik zuständig ist. Die kleinen Turbo-Benziner profitieren dabei von dem aktuellen Testzyklus NEFZ, bei dem auf dem Prüfstand gemessen wird – mit geringen Beschleunigungen und kaum Geschwindigkeiten über 100km/h. In der Realität sieht das anders aus, denn schon beim normalen Anfahren steigt der Schadstoffausstoß über den Grenzwert hinaus. Dieser Vorteil verschwindet mit dem Straßentest RDE, der in der EU 2017 kommen soll.
Das Turboloch wird gestopft
Hinzu kommt, dass Downsizing die Fahrbarkeit verschlechtert. Ursache: das sogenannte Turbo-Loch. Dieser Effekt tritt im unteren Lastbereich auf. Dann reicht die Abgasmenge im Motor nicht mehr aus, um die Turbine auf hoher Drehzahl zu halten, das nimmt dem Auto die Spritzigkeit. Um das Turbo-Loch zu verhindern, tüfteln Autobauer fleißig an Lösungen. "Das bedeutet für die kommenden Modelle eine komplette Veränderung in der Motorentechnik, das kostet einen hohen dreistelligen Millionenbetrag für Forschung und Entwicklung", sagt Bargende. Am Ende dürfte sich das im Portemonnaie des Kunden zeigen.
Partikelfilter auch für Benzinmotoren unumgänglich
Gut im Verbrauch bedeutet zudem nicht automatisch gut beim Schadstoffausstoß. "Rußpartikel sind kein spezifisches Dieselproblem", sagt der Emissions-Experte Emmanuel Jean vom Autozulieferer Faurecia. "Auch Benziner, darunter besonders die mit Direkteinspritzung, erzeugen Partikel." Damit könnte der Partikelfilter, der bisher nur bei Dieselmotoren zwingend notwendig ist, bald auch für den Benziner in Europa zum Muss werden.
Hinzu kommen die durch den Wolfsburger Abgasskandal mehr in die Öffentlichkeit gerückten Stickoxide (NOx). "Auch der Ottomotor kann auf der Straße Stickoxide produzieren, die so im Testzyklus auf dem Prüfstand nicht stattfinden", sagt Bargende. "Es ist eine Mär, dass nur der Diesel diesbezüglich ein (legales) Sünderlein ist." Die modernen Benziner mit Downsizing können die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte von 60 Milligramm pro Kilometer je nach Fahrsituation überschreiten. Also auch hier besteht für die Autobauer Verbesserungsbedarf.
Entwicklungspotenzial ist groß
Ein Grund zur Sorge um den Benziner ist das vorerst noch nicht. Denn dem Ottomotor wird hinsichtlich der Reduzierung von Abgasemissionen und Verbrauch weiterhin großes Entwicklungspotenzial nachgesagt. Neue Grenzwerte zu den Rußpartikeln sind derzeit laut dem Stuttgarter Antriebsexperten Bargende kein Problem. "Es wird aber wahrscheinlich so lange weitergehen, bis wir auch einen Partikelfilter im Ottomotor haben, weil es halt technisch machbar ist." Die notwendige Technologie hat der ein oder andere Zulieferer schon parat. Mit Preisaufschlägen für diese und andere Technik müssen Autofahrer in absehbarer Zeit wohl zwangsläufig rechnen.
Als Hybridantrieb hat der Benziner eine Zukunft
Benzin dürfte bei den Antrieben jedoch erst einmal weiterhin führend bleiben in Europa. Zumindest so lange, bis alternative Antriebe ähnlich gute Bilanzen (zum Beispiel hohe Reichweite und niedriger Preis) vorweisen können. Die Zukunft des Ottomotors liegt aber wohl in der Hybridisierung. "Spätestens in zehn Jahren werden wir bereits in der Golfklasse nahezu zwingend eine Hybridisierung haben, um die dann wahrscheinlich gültigen CO2-Normen zu erfüllen", wirft Bargende den Blick in die Zukunft. Bis dahin bleibt der klassische Benziner der günstigste Motor in der Anschaffung und wohl auch der Liebling auf deutschen Straßen.