Selbstfahrende Autos, die ohne Eingriff des Fahrers Passagiere von A nach B bringen – das klingt nach wie vor eher nach Zukunft als nach Gegenwart (siehe auch unser Bericht "Autonomes Fahren – Das Roboter-Auto schläft noch"). Voraussetzung dafür: Autos müssen untereinander kommunizieren, also miteinander vernetzt sein. Dazu sind viele Daten notwendig: Wer ist wann wie lange und wohin unterwegs? Wie schnell beschleunigen wir auf welchen Straßen? Fragen, die für Industrie und Forschung äußerst interessant sind. Kein Wunder, dass Hersteller immer mehr Daten erheben.
Welche Daten aus dem Auto werden erfasst?
Bei vernetzten Autos ist das Übermitteln der GPS-Daten am weitesten verbreitet. Damit lässt sich der Standort des Automobils zu einem bestimmten Zeitpunkt abfragen. Manche Hersteller fragen die Standorte alle zwei Minuten, andere „nur“ jede halbe Stunde ab.
Weiterhin werden Kilometerstand, Ladezustand des Akkus oder Tankzyklen am häufigsten abgefragt. Auch der Fehlerspeicher wird regelmäßig übers Internet ausgelesen. Dieser enthält unter anderem auch Ereignisse wie eine zu hohe Motortemperatur oder eine zu hohe Drehzahl.
Ein weiteres Thema ist die Erfassung der Umgebung durch Kameras am Auto, sei es zum Schutz des Autos gegen Diebstahl oder als Voraussetzung für autonomes Fahren. Für viele Daten muss ein Auto aber gar nicht internetfähig bzw. „vernetzt“ sein: Bei einem Service-Termin lesen die Werkstätten regelmäßig die Zahl der gefahrenen Kilometer aus.
Zudem kann ein „intelligentes Fahrzeug“ auch den Schlüssel erkennen und feststellen, welche Person wann den Wagen geöffnet hat. Das Einstellen der Sitzposition, der Spiegel und der Lieblingssender im Radio lässt Rückschlüsse darauf zu, wann welche Personen wie oft mit dem Auto unterwegs sind.
Was lässt sich aus diesen Daten ableiten?
Durch das Erfassen der GPS-Daten lässt sich – wie bei einem Smartphone – auch für ein Auto ein Bewegungsprofil erstellen. Bewegt sich das Auto im Stop & Go, könnte ein Stau die Ursache sein – eine interessante Information für jeden Anbieter von Navigationsdiensten.
Wer oft in die Berge fährt, ist vermutlich offen für Werbung zu Wanderschuhen. Regelmäßige
Fahrten zu Möbelhäusern wiederum lassen beispielsweise ein starkes Interesse an Einrichtung und Interior Design vermuten. Profile, die für jeden Werbetreibenden wertvoll sind – und dafür fließt auch Geld.
Aus anderen Parametern wiederum lassen sich Annahmen über den Fahrstil ableiten. Wer öfter stark beschleunigt und bremst, verzeichnet mehr Gurtstraffungen und natürlich auch temporär höhere Drehzahlen und Motortemperaturen. Solche Daten fänden Versicherer ohne Zweifel sehr interessant. Mit in Autos erfassten Daten beschäftigten sich bereits mehrfach Gerichte in Verfahren gegen den Verursacher eines Unfalls.
Auch Kameraaufzeichnungen können an Behörden übermittelt werden und zur Klärung der Unfallursache beitragen. Deshalb ist ab 2022 der Einbau von sogenannten Blackboxen in Neuwagen Pflicht: Wie in einem Flugzeug lassen sich dann bei einem Unfall durch Daten Rückschlüsse auf mögliches Fehlverhalten der einzelnen Akteure ziehen.
Sind die erfassten Daten für den Fahrer transparent?
Bewegungsprofile, Fahrverhalten, Unfallanalysen auf der einen Seite – mehr Sicherheit, Effizienz und Umweltfreundlichkeit auf der anderen Seite: Die Gründe für die Datenerhebung
sind ebenso vielfältig wie zwiespältig. Natürlich ist es komfortabel, wenn sich der Sitz genau auf die vordefinierte Position des Fahrers einstellt. Oder das Navi im Auto schon von vorneherein weiß, dass die Strecke zur Arbeit heute gesperrt ist.
Wer aber meint, dass Hersteller die Daten ausschließlich erfassen, um den Verbrauchern etwas Gutes zu tun, irrt sich gewaltig. Denn viele Daten dienen dazu, Marketing-Experten möglichst aussagekräftige Nutzerprofile ihrer Kunden zu erstellen. Das muss für Kunden nicht negativ sein – allerdings schafft dieses Wissen Begehrlichkeiten, für die Drittanbieter viel Geld bezahlen.
Jeder Verbraucher sollte also genau wissen, welche Daten sein Hersteller aus seinem Auto zieht. Die meisten Hersteller verhalten sich aber bezüglich der Erfassung der Daten und auch hinsichtlich der damit verbundenen Methoden alles andere als transparent. Wünscht der Verbraucher Einsicht in die Daten zu erhalten, ist dies mit enormem Aufwand verbunden.
Viele Autohersteller verlangen dafür Extra-Gebühren.
Was hat das für Nachteile beziehungsweise Konsequenzen?
Daten- und Verbraucherschützer bemängeln, dass Automobilhersteller die Daten nutzen könnten, um sich so gegen mögliche Rechtsansprüche zu wehren, zum Beispiel bei Schadensersatzprozessen. Für einen Motorschaden könnte dann der zu aggressive Fahrstil verantwortlich gemacht werden. Auch Autoversicherer könnten ein solches Verhalten mit
höheren Prämien abstrafen. Spekulationen und Vermutungen sind Tür und Tor geöffnet.
Hinzu kommt, dass die Hersteller auf Daten sitzen, die zur Gestaltung der Verkehrswende beitragen könnten. Denn auch für Politiker, Wissenschaftler und Forscher gilt: Je mehr Wissen über das Fahrverhalten vorhanden ist, desto bessere Projekte können gestartet werden.
Das Zurückhalten der Daten durch die Hersteller blockiert damit auch Innovation und Wettbewerb – und diesen Nachteil müssen natürlich letztendlich die Verbraucher ausbaden.
Denn je weniger Daten insgesamt gesammelt und geteilt werden, desto weniger hoch ist die
Wahrscheinlichkeit, dass Autos auch in Zukunft noch sicherer, effizienter und umweltfreundlicher werden.
Die öffentliche Meinung zur Datenerfassung
Die Datensammelwut der Hersteller stößt nicht nur auf Gegenliebe: In einer repräsentativen, vom TÜV-Verband VdTÜV und Bitkom Research durchgeführten Mobility-Studie begrüßt eine Mehrheit der Bundesbürger zwar das autonome Fahren in bestimmten Situationen. Gleichzeitig haben 63 Prozent der Befragten Bedenken wegen Hackern, und 52 Prozent befürchten eine unberechtigte Nutzung der Daten durch Drittanbieter.
Der ACE fordert klare Regeln und die neutrale Auswertung der Daten!
Beim Erfassen und Verarbeiten von Daten in Autos fordert der ACE eine Strategie, die ethischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Standards gerecht wird. Denkbar sind die vom Verband der technischen Überwachungsvereine VdTÜV vorgeschlagenen Trust Center. Diese speichern die erhobenen Daten zentral, aber neutral und unabhängig und stellen sie zur Verfügung. Eine Manipulation oder Zurückhaltung der Daten durch die Automobilhersteller, bei denen diese zurzeit gespeichert werden, kann dadurch verhindert werden.
Es muss klare Regeln dafür geben, wozu Daten genutzt werden dürfen und welche Nutzungszwecke ausgeschlossen sind: Halter und Fahrende eines Fahrzeugs müssen technisch jederzeit problemlos in der Lage sein, die Entscheidung über die Art, den Umfang und den Zweck einer Datenspeicherung eigenständig und informiert zu treffen. Sie müssen bestimmte private Daten, die für den Fahrzeugbetrieb nicht zwingend erforderlich sind, jederzeit löschen können.
Es muss sichergestellt sein, dass Fahrzeugnutzer – ohne Umweg über den Fahrzeughersteller – frei über den Datenfluss entscheiden können und damit auch über die Frage, an welchen externen Dienstleister die Daten übermittelt werden sollen.