29.03.2017

Dieselmotoren - Diskussion um Fahrverbote

Fahrverbote, blaue Plakette und Schadstoffbelastung in Städten – kaum ein verkehrspolitisches Thema wird derzeit so kontrovers diskutiert. ACE LENKRAD informiert über die Hintergründe.

Die baden-württembergische Landesregierung will ab 2018 in Stuttgart Teile der Innenstadt bei stark schadstoffbelasteter Luft für ältere Dieselfahrzeuge sperren. Druck für Fahrverbote kommt unter anderem von der EU: Bereits vor zwei Jahren hatte sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland angestrengt, da der vereinbarte Rahmen für Schadstoffgrenzen in 29 Regionen immer wieder überschritten wurde. Zudem klagen Umweltorganisationen in belasteten Städten.

Welche Fahrzeuge sind von geplanten Fahrverboten betroffen?

Die jeweilige Schadstoffklasse gibt den Ausschlag für Fahrverbote. Sie drohen bereits Diesel-Fahrzeugen, die nicht der Abgas-Norm Euro 6 entsprechen. Entspannter ist die Lage bei Autos mit Otto-Motor. Hier sind nur ältere Benziner betroffen, die nicht die Abgasnorm Euro 3 erreichen. Autos mit Elektro- oder Hybrid-Antrieb werden bei Schadstoffalarm freie Fahrt haben.

Welche Schadstoffe verursachen hauptsächlich Schwierigkeiten?

Bisher galt das Augenmerk besonders den Feinstaubemissionen. Im Auto entstehen sie im Brennraum des Motors in Form von Rußpartikeln, wenn Kraftstoff nicht vollständig verbrennt. Reduzieren ließ sich das Problem im Lauf der vergangenen Jahre mit Rußpartikelfiltern. Auch moderne Hochdruck-Einspritzsysteme führen zu einer feineren Kraftstoffzerstäubung im Brennraum und gründlicheren Verbrennung, haben aber gleichzeitig die Entstehung ultrafeiner Partikel zur Folge, die teils weniger als den zwanzigstel Durchmesser eines Haares betragen. Sie sind lungengängig und stehen im Verdacht, krebserregend zu sein. Hinzu kommen im Auto weitere Feinstaubemissionen, die durch den Abrieb von Reifen, der Bremsanlage und anderen sich bewegenden Teilen entstehen. Zweiter Übeltäter sind die Stickoxide (NOx). Sie bilden sich verstärkt in Dieselmotoren durch das Brennverfahren (mit Luftüberschuss unter hoher Temperatur), in geringerem Maß aber auch in Otto-Motoren (durch Turboaufladung und hohe Verdichtung). Hauptvertreter der aus Stickstoff und Sauerstoff bestehenden Stickoxide sind Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid.

Was genau ist mit der blauen Plakette gemeint und welche Fahrzeuge würden sie erhalten?

Sie ist als Erweiterung der roten, gelben und grünen Plaketten gedacht. Bei der blauen Plakette stehen aber vor allem strengere Stickoxid-Werte im Mittelpunkt. Entsprechend der in Stuttgart geplanten Fahrverbote werden sie nur Diesel-Pkw erhalten, die der Abgasnorm Euro 6 entsprechen, und Benziner mit der Norm Euro 3 oder besser, die höchstens 80 Milligramm Stickoxide pro Kilometer ausstoßen. Die Einstufung in die jeweilige Schadstoffklasse geht im alten Fahrzeugschein aus der „Schlüsselnummer zu 1“ oder bei Fahrzeugen mit Zulassung ab Oktober 2005 in der Zulassungsbescheinigung Teil 1 aus dem Feld 14.1 hervor.

Was würde auf Besitzer von Pkw ohne blaue Plakette zukommen?

Sie müssten an Tagen mit hohen Schadstoffwerten mit Restriktionen rechnen. Von eventuellen Fahrverboten betroffen wären deutschlandweit rund 13 Millionen Diesel-Pkw, auch neuere Fahrzeuge, die noch bis Herbst 2015 mit Euro 5 verkauft wurden. Hinzu kommen drei Millionen Benziner, die unter der Norm Euro 3 liegen. Ob sich Fahrverbote auf die bisherigen Umweltzonen oder nur auf besonders belastete Straßenzüge beziehen werden, ist noch in der Diskussion. Zudem dürften Autos ohne blaue Plakette einem Wertverlust unterworfen sein. Bei Einführung der Feinstaub-Plaketten hat die Deutsche Automobil Treuhand (DAT) beobachtet, dass Gebrauchte mit roter und gelber Plakette vor allem in den Städten mit deutlichen Abschlägen verkauft wurden.

Lassen sich Dieselfahrzeuge nachrüsten, um die geplanten Fahrverbote zu umgehen?

Notwendig wäre die Nachrüstung mit einem SCR-System zur Stickoxid-Minderung. Dies ist zwar technisch möglich, aber sehr aufwendig. Laut Motorenentwicklern ist sie mit speziellem Kat, komplexer Sensorik, tiefen Eingriffen in die Motorsteuerung, einem Vorratstank für Adblue und entsprechender Einspritztechnik im Abgastrakt verbunden.

Welche Alternativen für Fahrverbote und blaue Plakette sind in der Diskussion?

Neben dem Ausbau von Radwegen und einem attraktiveren öffentlichen Nahverkehr diskutiert die Landesregierung in Stuttgart, den Busverkehr und Warenlieferungen in der City innerhalb des kommenden Jahrzehnts konsequent auf E-Fahrzeuge umzustellen. Gegen Fahrverbote jeweils nach Kennzeichen mit gerader oder ungerader Zahl kommt vor allem Protest von den gewerblichen Flottenbetreibern. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) schlägt vor, mit intelligenter Steuerung, einem gleichmäßigeren Verkehrsfluss und grüner Welle die Stickoxid-Belastung zu reduzieren.

Befürworten neben Stuttgart auch andere Städte und Länder Fahrverbote und blaue Plakette?

Neben Baden-Württemberg wollen unter anderem die Bundesländer Hessen und Bremen Fahrverbote oder die blaue Plakette durchsetzen. Unterstützung kommt auch von den Städten Berlin, München, Bremen, Hannover und Osnabrück.