28.11.2022

Gefährliches Cannabis?

In den Diskussionen rund um die geplante Cannabis-Legalisierung in Deutschland geht es hoch her. Marc-Philipp Waschke vom TÜV-Verband gibt in diesem Gastbeitrag einen Überblick über die Fakten.

Die Bundesregierung plant die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene. Mit dieser Neuregelung sollen Verkauf und der Erwerb von Cannabisprodukten im gesetzlichen Rahmen nicht mehr strafbar sein. Damit rückt auch die Frage in den Fokus, welche Auswirkungen die angestrebte Legalisierung auf die Verkehrssicherheit haben wird. 

Cannabis im Straßenverkehr

Insbesondere die Frage, ob der gültige Grenzwert für die Cannabissubstanz Tetrahydrocannabinol (THC) im Straßenverkehr noch dem aktuellen Stand der Wissenschaft entspricht, ist Gegenstand kontroverser Diskussionen.

Damit verbunden ist die Frage, welche Gefahren von Cannabis im Straßenverkehr ausgehen. Es ist das nach Alkohol am häufigsten konsumierte berauschende Mittel, insbesondere bei jungen Erwachsenen.

Fahren unter Cannabis-Einfluss bleibt verboten

Den Rahmen für die Legalisierung von Cannabis hat das Bundeskabinett nun in einem Eckpunktepapier festgesteckt und die Pläne für die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene konkretisiert.

Geklärt ist darüber, dass Fahren unter der Wirkung von Cannabis auch unabhängig von einer Legalisierung verboten bleibt. Das ist ein wichtiges Signal für die Verkehrssicherheit in Deutschland.

Verkehrssicherheit muss Maßstab für Neuregelungen sein

Regelungen über die Zulässigkeit von Fahrten unter der Wirkung von Cannabis müssen sich auch weiterhin ausschließlich an der Sicherheit im Straßenverkehr orientieren. Denn Cannabis wirkt psychoaktiv und schränkt die Reaktions- oder Konzentrationsfähigkeit von Konsumentinnen und Konsumenten erheblich ein.

Der Konsum kann auf unterschiedliche Weise das Fahrverhalten beeinflussen. Auch die oft erwünschte Entspannung kann bei der Teilnahme am Straßenverkehr fatale Folgen haben. Insbesondere wenn Cannabis mit weiteren Drogen oder in Kombination mit Alkohol konsumiert wird, wird das Fahren zu einem nicht mehr einschätzbaren Risiko.

Erhöhtes Unfallrisiko und hohe Dunkelziffer

Wissenschaftlich erwiesen ist, dass Cannabiskonsum mit einem erhöhten Unfallrisiko einhergeht. Hinsichtlich der genauen Höhe des Risikos variieren die Studienergebnisse.

Wie viele durch Cannabis verursachte Unfälle, Getötete und Verletzte es in Deutschland tatsächlich gibt, kann gegenwärtig nicht festgestellt werden. Unfälle, die sich unter dem Einfluss von Cannabis ereignen, werden unter einer Sammelkategorie in der Unfallstatistik zusammengefasst. Auch ist kaum abschätzbar, wie groß das Dunkelfeld der polizeilich nicht bekannt gewordenen Unfälle ist.

Sanktionen und Folgen

Der THC-Wert von 1,0 ng/ml Blutserum markiert aktuell den Grenzwert für eine Ordnungswidrigkeit. Ab diesem festgestellten Wert treten Sanktionen in Kraft.

  • beim erstmaligen Verstoß: Bußgeld in Höhe von 500 Euro, zwei Punkte in Flensburg und ein Fahrverbot von einem Monat
  • im Wiederholungsfall entsprechend höhere Strafe

Entzug der Fahrerlaubnis

Über viele Jahre bestand in der Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass bei gelegentlichem Cannabiskonsum bereits bei einer erst- und einmaligen Fahrt unter der Wirkung von Cannabis die Fahrerlaubnis ohne weitere Aufklärung zu entziehen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat 2019 jedoch klargestellt, dass einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter der Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, nicht unmittelbar die Fahrerlaubnis entzogen werden darf, sondern die Fahrerlaubnisbehörde über die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) entscheidet.

Hingegen als Regelfall folgt die unmittelbare Entziehung der Fahrerlaubnis bei regelmäßiger Einnahme von Cannabis oder bei Abhängigkeit. Die selbstkritische Überprüfung der eigenen Fahrsicherheit ist  erheblich gestört, mit der Konsequenz, dass die Teilnahme am Straßenverkehr aufgrund des regelmäßigen Konsums mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aucu unter dem Einfluss von THC erfolgt.

Der Entzug der Fahrerlaubnis droht ebenfalls,

  • wenn die Polizei Fahrauffälligkeiten und  Ausfallerscheinungen feststellt,
  • der Drogennachweis im Blut positiv ist
  • und daraufhin ein Strafverfahren eingeleitet wird.

Weitere Sanktionen

  • Fahrten unter Cannabis-Einfluss ohne Folgen für den Straßenverkehr: Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe
  • mit Gefährdung des Straßenverkehrs: Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, Entzug der Fahrerlaubnis für mindestens zehn Monate, zwei bzw. drei Punkte im Fahreignungsregister, erfolgreiche MPU zur Wiedererlangung des Führerscheins

Vergleichbarkeit mit Promillewerten ist nicht gegeben

Regelmäßig wird gefordert, die Regeln zum Umgang mit Cannabis an den Promillegrenzen für Alkohol zu orientieren. Doch während sich Alkohol gleichmäßig im Körper abbaut, verläuft der Abbau von Cannabis nicht linear und ist abhängig von der sich im Blut befindlichen Drogenkonzentration, welche meist unbekannt ist.

Erst in diesem Jahr hat die Grenzwertkommission, ein vom Bundesverkehrsministerium berufener Expertenrat, deutlich gemacht, dass eine THC-Konzentration, die mit dem 0,5-Promille-Wert für Alkohol vergleichbar ist, auf Basis allgemein akzeptierter wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht angegeben werden kann.

Der THC-Grenzwert ist umstritten

Häufig wird in den Diskussionen zur Angemessenheit des Grenzwertes angeführt, dass bei Cannabiskonsum auch noch Tage nach dem letzten Genuss ein THC-Wert über der Grenze von 1,0 ng/ml Blutserum nachgewiesen werden könnte. Doch Studien zeigen, dass dies in der Regel nur bei chronischem Konsum der Fall sein kann.

Nach geltender – auch europäischer – Rechtslage sind Personen mit regelmäßigem Konsum generell ohnehin ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs. Bei gelegentlichem Cannabiskonsum konnte hingegen gezeigt werden, dass ein THC-Wert von 1 ng/ml regelhaft nach 24 Stunden nicht nachweisbar ist. Bereits nach acht bis zwölf Stunden, so Studien, wird der Grenzwert unterschritten.

Wer Cannabis konsumiert, darf nicht ans Steuer

In ihrem Eckpunktepapier stellt die Bundesregierung in Aussicht, die Aufklärung über Cannabis stärker in den Fokus der Verkehrssicherheitsarbeit zu rücken. Das scheint besonders wichtig. Denn es muss deutlich werden, dass eine Legalisierung des Konsums von Genusscannabis keine Legalisierung von Fahrten unter der Wirkung von Cannabis bedeutet. Wer Cannabis konsumiert, muss daher klar zwischen Konsum und Fahren trennen.