25.02.2020

Hardware-Nachrüstung für Diesel-Pkw – Ein aufregendes erstes Mal

Roland Kühnle ist gespannt. Seine Mercedes-Werkstatt auch. Für beide ist die Hardware-Nachrüstung etwas Neues. Wir haben sie begleitet.

Es ist Montagmorgen, 10. Februar. Im schwäbischen Uhingen bereitet sich ein Mechatroniker-Team des Mercedes-Benz Service-Partners Burger-Schloz auf einen ereignisreichen Tag vor. Ein Mercedes C 250 CDI mit Erstzulassung 2012 und Euro 5 soll eine Hardware-Nachrüstung mit AdBlue-Technologie des Herstellers Dr Pley verbaut bekommen.

Nachrüstung als einzig sinnvolle Alternative

Für den Mercedes-Fachbetrieb ist es das erste Mal. Autobesitzer Roland Kühnle ist gespannt wie ein Flitzebogen. Denn die Umrüstung hatte Kühnle eigentlich schon länger geplant. Das langjährige ACE-Mitglied hatte sich dann auf den Aufruf im ACE LENKRAD hin gemeldet: „Ich benutze meinen Mercedes auch als Zugfahrzeug für meinen Wohnwagen“, erzählt er. „Die einzige Alternative wäre für mich ein deutlich leistungsstärkerer Benziner gewesen, denn E-Mobilität ist für Wohnwagen noch nicht geeignet.“ Und weil der sparsame Diesel-Mercedes noch nicht so viele Kilometer auf dem Tacho hat, war es für den umweltbewussten Roland Kühnle keine Frage, ihn zu behalten und nachrüsten zu lassen.

Nach der Bestellung begann das Warten

Während die Mercedes-Techniker in der großen Werkstatthalle seinen Mercedes auf einen Reparaturplatz schieben und ihn für den chirurgischen Eingriff vorbereiten, macht sich ACE-Mitglied Roland Kühnle etwas Luft, denn der Weg zur Nachrüstung war für ihn nicht unbedingt ein Zuckerschlecken: „Ich habe zuerst lange auf die Freigabe durch das Kraftfahrtbundesamt gewartet und als ich dann auf der Internetseite von Dr Pley aus Bamberg den Nachrüstsatz entdeckt habe, sofort bestellt.“ Das war am 27. September 2019. Eine Woche später kam die Auftragsbestätigung. Dann begann aber eine sehr lange Wartezeit für den Mercedes-Fahrer.

Dr. Pley ist der einzige Hersteller, der Nachrüstsets derzeit ausliefert

„Es hieß sechs bis acht Wochen Lieferzeit“, weiß Roland Kühnle. Tatsächlich wurde es Januar, bis die Teile bei Burger-Schloz in Uhingen eintrafen. Eigentlich wollte er die Nachrüstung für den Dieselmotor vor dem Jahreswechsel über die Bühne bringen lassen, noch bevor in Stuttgart die Fahrverbote für die Abgasnorm Euro 5 greifen. Die Firma Dr Pley erklärt die Verzögerung mit Serienanlauf und einem Ansturm bei den Bestellungen. „Herr Kühnle war einer der Ersten, die die Nachrüstung bestellt und auch bekommen haben“, erklärt Dr. Martin Pley auf Anfrage von ACE LENKRAD. „Wir sind die Einzigen, die derzeit auch ausliefern.“ Roland Kühnle freut sich jedenfalls, dass es doch noch geklappt hat.

Der Ausbau des alten Katalysatorsystems ist für das speziell geschulte Team Routine

Während Roland Kühnle im Ersatzwagen das Werkstattgelände verlässt, befindet sich sein Diesel-Mercedes bereits in guten Händen. Das Techniker-Team hat längst losgelegt und begonnen, das alte Katalysatorsystem zu demontieren – ein Routineprozess, der schnell gemeistert ist. Einer der Mechatroniker aus dem Team, Arbnor Suka, hat sich von Dr Pley für die Hardware-Nachrüstung schulen lassen. Er soll nun sein Wissen bei dieser Einbau-Premiere weitergeben. Zusammen mit seinen Team-Kollegen inspiziert er jedes Teil des Nachrüstsatzes und geht mit ihnen die Einbauanleitung durch. „Bei der Schulung haben wir den Tank zuerst eingebaut, jetzt ist es andersrum“, erzählt Mechatroniker Suka.

An einigen Stellen muss das Nachrüstkit individuell an das Fahrzeug angepasst werden

Der Einbau der neuen Katalysatoreinheit mit dem Hydrolysereaktor, dem Herzstück der Anlage, das mithilfe des künstlichen Harnstoffs (AdBlue) die gesundheitsschädlichen Stickstoffoxide (NOx) reduziert, scheint etwas komplexer. Zwar sitzen alle Handgriffe und die hochwertigen Komponenten des Nachrüstsatzes sind gut aufeinander abgestimmt, aber es ist eben doch kein bauartspezifisches Kit. Das heißt, es muss für die Montage an manchen Stellen am Fahrzeug etwas nachgebessert werden.

Die Bodenfreiheit wird etwas knapper

So vergrößert das Team an der Unterbodenarchitektur vorsichtig per Trennschleifer den Platz für den Hydrolysereaktor. „Der wird nach der Montage der tiefste Punkt des Fahrzeugs sein“, weiß Werkstattleiter Joachim Jahn und ergänzt: „Circa drei bis vier Zentimeter macht das aus.“ Ein Fakt, den Autofahrer im Auge behalten sollten, wenn sie auf unebenem Gelände unterwegs sind. Auch die Wand der Ersatzradmulde muss aufwendiger bearbeitet werden. Vorsichtig fräsen die Techniker ein Loch in die sensible Kunststoffkonstruktion. Hier sollen die Leitungen verlegt werden, die den AdBlue-Tank, der in der Mulde eingebettet wird, mit dem Hydrolysereaktor verbinden. Die Systemkabel sind knapp bemessen, aber ausreichend, das Verlegen unter der Innenverkleidung erfordert Fingerfertigkeit. Für das routinierte Team von Burger-Schloz aber kein Problem.

Der Einbau dauert doppelt so lang wie vom Hersteller angegeben

Das Team ist unter dem Strich doppelt so lange beschäftigt, wie von der Firma Dr Pley veranschlagt: Die rechnet mit drei Stunden. Das war aber mit einkalkuliert und sinnvoll, denn die Techniker sollten dokumentieren und lernen: Nach dieser ersten Umrüstung ist ein ganzes Team fit für die Umrüstung. Aber auch Entwickler Dr Pley hat etwas davon: Feedback aus erster Hand. Werkstattleiter Jahn ist zufrieden, hat aber schon eine erste Anregung: „Ein bauartspezifischer Kit wäre wünschenswert, dann passt auch ein größerer AdBlue-Tank rein.“ Der aktuelle reicht mit einer Füllung von 5,5 Litern für etwa 2000 bis 2500 Kilometer. Für Roland Kühnle kein Problem. Er kann wieder durch ganz Stuttgart fahren. Und durch alle anderen Städte. Nur alle zwei Jahre muss er das System warten lassen und von den knapp 3500 investierten Euro bekommt er 3000 von Daimler zurück. Dafür muss er sich an das Aufsatzdisplay gewöhnen: Es informiert über Ad-Blue-Füllstand und Systemzustand.

Tipps rund um die Diesel-Nachrüstung

Die Hardware-Nachrüstung mit sogenannten SCR-Katalysatoren und AdBlue-Technologie zur Abgasnachbehandlung gibt es für einige Dieselmodelle mit der Abgasnorm Euro 5. Auf den Internetseiten des Kraftfahrtbundesamts (KBA) steht eine Übersicht. Zuschüsse in Höhe von bis zu 3000 Euro erhalten Autobesitzer bisher nur von Daimler und VW – wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Mehr zum Thema gibt es auf den Ratgeberseiten des ACE.