28.01.2020

Kleinstwagen – eine bedrohte Art

Ausgerechnet in Zeiten des Klimawandels scheint der sparsame und für die Großstadt geeignete Kleinstwagen auszusterben. Klingt paradox – hat aber durchaus logische Gründe.

Das optimale Auto für den, der es vorwiegend in der Stadt nutzt und für bestenfalls kürzere Überland-Touren? Der sich für längere Strecken sowieso lieber in die Bahn setzt, keine Großfamilie zu transportieren hat, gigantische Wochenendeinkäufe oder dickes Sportgerät? Das optimale Auto für ihn oder sie, es sieht ungefähr so aus: gut dreieinhalb Meter kurz, mit drei oder fünf Türen und Platz für zwei, zur Not vielleicht auch mal vier oder sogar fünf Insassen. Mit nicht prunkvollem, aber ordentlich verarbeitetem Interieur. Sein Motor protzt nicht mit PS, schluckt aber nicht einmal fünf Liter auf 100 Kilometern, und für die flinke Fahrt ins Büro reicht es allemal. Das Fahrwerk eher komfortabel als sportlich-spitz, das Design bitte nicht zu niedlich. Es gibt solche Automodelle, und sie bieten ihren Besitzern genau das Maß an Mobilität, das sie brauchen. Und heißen Opel Adam oder Karl; Ford Ka, VW Up, Smart Fortwo, Hyundai i10 oder Kia Picanto. Und sie werden immer weniger.

Die „Zwerge“ von Kia, Hyundai und Toyota bleiben auf dem Markt

Um mit den vorbildlichen Ausnahmen zu beginnen: Die Koreaner bleiben dem Segment der Kleinstwagen treu (siehe Fahrbericht des neuen Hyundai i10). Doch fast alle anderen Modelle des sogenannten A-Segments sterben aus. Die kleinen Opel-Brüder erhalten genauso wenig Nachfolger wie die anderen Zwerge des PSA-Konzerns, ebenso der Ford Ka+ und Daimlers Smart mit dem kleinen Benzinmotor. Gleiches gilt für den VW up und seine Ableger von Seat und Škoda. Ein ganzes Autosegment legt sich zum Sterben nieder. Klein und pfiffig ist out, in ist das dicke, breit bereifte SUV.

Sparsam, wendig und günstig – eigentlich das ideale Stadtauto

Es scheint paradox: In Zeiten von Klimawandel und Verkehrs-Diskussion sterben ausgerechnet jene Autos aus, die am wenigsten Sprit verbrennen, bei der Produktion am wenigsten Ressourcen beanspruchen und den geringsten Platz auf der Straße. Dass die Unterschiede zur nächstgrößeren Autoklasse, den Kleinwagen des B-Segments, durchaus spürbar sind, zeigt beispielsweise der direkte Vergleich des VW up mit dem VW Polo. Ersterer ist schon mal einen halben Meter kürzer, was im Gefecht um Parkplätze in der City ein entscheidender Vorteil sein kann. Dazu ist er 175 Kilo leichter und verbraucht folglich einen guten Drittelliter weniger Sprit auf 100 Kilometern, nämlich 4,4 statt 4,7 Liter; die klimaschädigenden CO2-Emissionen betragen dementsprechend 106 statt 196 Gramm pro Kilometer. Gemessen jeweils nach der nicht sehr realitätsnahen NEFZ-Norm; in der Praxis dürfte die Differenz eher noch höher sein. Nicht zuletzt liegt der Listenpreis des VW up mit unter 13.000 Euro gut 1500 Euro unter dem des Polo.

Strengere Abgas- und Crashnormen machen die Kleinstwagen-Produktion unrentabel

Und genau hier ist der Hauptgrund für die Unbeliebtheit ihrer kleinsten Modelle bei den Herstellern zu suchen: Sie rechnen sich schlicht nicht mehr. Aktuelle und künftige Emissions-Normen erfordern eine immer aufwendigere Abgasnachbehandlung, die mit einem entsprechenden Entwicklungsaufwand einhergeht. „Fakt ist, dass die Anforderungen kontinuierlich steigen – und damit auch der konstruktive und finanzielle Aufwand“, so Ford-Pressesprecher Isfried Hennen: „Da der Mehrpreis für die Entwicklung und für die Produktion entsprechender Systeme nicht automatisch an die gerade im Kleinstwagen-Segment besonders preissensiblen Kunden weitergegeben werden kann, lassen sich die Kosten im Prinzip nur über die Stückzahlen amortisieren. Kleinstwagen – noch dazu, wenn sie in europäischen Hochlohn-Ländern produziert werden – rechnen sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht eigentlich nicht wirklich.“

SUVs werden stärker nachgefragt als Kleinstwagen

Anders ausgedrückt: Für die niedrigen Preise, die Käufer für Ford Ka und Co. erwarten, lassen sich künftig keine gesetzeskonformen Autos mehr entwickeln und produzieren. Es sei denn, die Kunden würden den Händlern diese Modelle geradezu aus den Händen reißen. Doch genau danach sieht es derzeit nicht aus: der zweite Grund für den Todesstoß. Gerade mal 6500 Ka+ brachte Ford von Januar bis November 2019 an deutsche Käufer. „Der Trend geht eher in die entgegengesetzte Richtung, nämlich hin zu SUVs“, so Ford-Mann Hennen. Diese Argumentationslinie dürfte so oder so ähnlich auch bei den meisten anderen Autokonzernen zum Tragen gekommen sein, als es um die Zukunft ihrer Zwerge ging – mit dem bekannten Ausgang. Künftig runden also Klein- oder Kompaktwagen wie Ford Fiesta, VW Polo, Seat Ibiza oder Opel Corsa die Modellprogramme nach unten ab. Die sind in Entwicklung und Produktion nämlich kaum teurer als es kleinere Ableger wären, ermöglichen aber höhere Preise. Geht es um das Thema Sicherheit, haben sie sogar einen Kostenvorteil: Bei einer größeren Karosserie lassen sich die Crash-Normen und die Regeln für den Fußgängerschutz mit weniger Aufwand umsetzen als bei witzigen Winzlingen.

Elektroantrieb könnte das Überleben der Kleinstwagen sichern

So werden künftig wohl besonders preiswerte Basisversionen von VW Polo, Ford Fiesta und Co. die bisherigen Käufer von Kleinstwagen locken. Und auch Preiskämpfer aus dem boomenden SUV-Segment wie der originelle Suzuki Jimny. Ein zarter Trend dagegen könnte, wenn er sich denn noch entwickelt und anhält, irgendwann auch wieder dem Kleinstwagen zu Ehren verhelfen: die mittlerweile nun doch zunehmende Nachfrage nach Elektromobilen. 6000 Euro Förderprämie sind ein Argument gerade für diejenigen Käufer, die besonders stark auf den Preis achten. Ein Seat Mii electric ist demnächst also für gut 14.000 Euro zu haben. Es handelt sich hier genau um jenen Mii, der als Sprit-Modell ausläuft und der mit Akkus eine neue Chance erhält. Ähnlich verfährt der Volkswagen-Konzern mit den Brüdern der anderen Marke, sowie Daimler mit dem Smart – da die Entwicklungskosten hier längst abgeschrieben sind, wird Elektromobilität auf einmal erschwinglich.

Mit E-Antrieb sauber durch die City – wenn die Lade-Infrastruktur stimmt

Und es macht ja auch Sinn: Wenn irgendeine Autoklasse mal den Durchbruch für die Elektromobilität bringt, dann werden es Kleinst-Mobile für den Stadtverkehr sein. Auch den 3,92 Meter kurzen Honda e kann man dazuzählen – und den haben die Japaner immerhin neu entwickelt. So gibt es für Fans der Kleinsten durchaus Hoffnung. Zwergen-Killer Nummer eins, die Abgas-Problematik, entfällt, und eine preistreibende Reichweite benötigt man in dieser Klasse auch nicht. Im Grunde brauchtʼs dann nur mehr Lademöglichkeiten in der City – und der Kleinstwagen hat wieder eine Zukunft.