Die Corona-Pandemie hat das gewohnte Leben aus den Angeln gehoben. Kurzarbeit, Homeoffice, unklare Perspektiven und Zukunftsängste bestimmen den Alltag. Hinzu kommen neue Regeln und Vorschriften: Abstand halten und die Maskenpflicht. Das veränderte das Mobilitätsverhalten. Mehr Pendler setzten sich ins Auto. Viele haben das Fahrrad für sich entdeckt.
Die Wirtschaft muss zukunftsgerichtet gefördert werden
Während die Wirtschaft, gestützt durch Staatshilfen, langsam wieder angekurbelt wird, drohen andere Bereiche ins Hintertreffen zu geraten. Etwa der Klimaschutz, die Energie- und Verkehrswende. Gleich zu Beginn der Corona-Einschränkungen gab es Forderungen, innovative Mobilitätsideen auszusetzen. Stattdessen lieber das zu sichern, was jetzt Geld bringt. Das wäre im Interesse aller modernen, mobilen Menschen, aber auch der geschwächten Automobilindustrie überhaupt nicht förderlich. Im Gegenteil, es wäre gesellschaftlich und wirtschaftlich gesehen ein Rückschritt.
Deutschland hat Nachholbedarf bei E-Mobilität und Digitalisierung
Unabhängig von der Pandemie muss die deutsche Autoindustrie einen Rückstand in der E-Mobilität aufholen. Und im Innovationswettbewerb der Technologiekonzerne und IT-Start-ups. Es geht um die besten Lösungen beim Umbau des Mobilitätssystems. Die Mitbewerber aus dem Ausland sind hier viel stärker aufgestellt. Diesen Missstand gilt es schnell abzuschaffen. Der ACE fordert, die Wirtschaft zielgerichtet zu fördern. Verkehrswende, Klimaschutz und die Reduzierung des wirtschaftlichen Schadens stehen dabei nicht im Widerspruch zueinander. Im Gegenteil: Der Weg in die Zukunft funktioniert nur, wenn der Verkehrssektor ganzheitlich betrachtet wird. Die Erkenntnisse aus der Corona-Krise weisen dabei den Weg.
Weniger Berufsverkehr durch Homeoffice
Während der Pandemie haben zahlreiche Unternehmen und Beschäftigte das Homeoffice für sich entdeckt. Büroarbeit kann meist auch von zu Hause erledigt werden. Videokonferenzen sind zu einer echten Alternative zu realen Meetings geworden. Würden alle Beschäftigten künftig nur einen einzigen Tag in der Woche aus dem Homeoffice arbeiten, könnten dadurch bis zu 20 Prozent des Berufsverkehrs eingespart werden. Bei zwei Tagen? Richtig, 40 Prozent. Auch Dienstreisen können durch die verstärkte Nutzung von Videokonferenzen reduziert werden. Klar ist aber auch: Nicht jeder Beschäftigte kann aus dem Homeoffice arbeiten, nicht jede Dienstreise durch eine Videokonferenz ersetzt werden. Voraussetzung für die Umsetzbarkeit von Homeoffice ist der flächendeckende Ausbau der digitalen Infrastruktur. Er muss vorangetrieben werden.
Kapazitäten im Bus- und Bahnverkehr ausbauen
Die coronabedingten Einschränkungen treffen den ÖPNV und Fernverkehr schwer. Trotz Lockerungen gilt es weiterhin, überfüllte Busse und Bahnen zu verhindern. Das kann gelingen, wenn das vorhandene Angebot ausgebaut wird. Etwa durch neue Linien und höhere Taktraten – der Staat muss hierbei unterstützen. Das steigert einerseits auch das Sicherheitsgefühl der Passagiere, andererseits erhöht es den Fahrkomfort. Dafür müssen entsprechende Geldmittel aufgebracht werden. Und damit künftig auch Sharing- und Shuttleanbieter eine Chance haben, bedarf es einer Reform des Personenbeförderungsgesetzes.
Der ACE empfiehlt zudem, in die Digitalisierung zu investieren. Etwa in eine verkehrsmittelübergreifende Mobilitäts-Plattform. Die könnte all diejenigen wieder umsteigen lassen, die wegen Corona aufs Auto ausgewichen sind. Sie hätten dann eine attraktive Auswahl an Alternativen: vom Bus über das Leihrad bis hin zum E-Scooter. Die Plattform muss dafür bundesweit und einheitlich sein und die Verkehrsbetriebe müssen ihre Echtzeitdaten zur Verfügung stellen. Wie der Weg zur Arbeit mit verschiedenen Verkehrsmitteln aussehen kann, zeigt Ihnen unsere Infografik.
Pop-up-Radwege beibehalten
Das Fahrrad hat während des Shutdowns sichtbar an Bedeutung gewonnen. Nicht zuletzt deshalb, weil viele Pendler das Ansteckungsrisiko in Bus und Bahn vermeiden wollten. Den Umstieg aufs Fahrrad gilt es zu stärken und zu festigen. Daher fordert der ACE, die eigentlich als Interimslösung geschaffenen sogenannten Pop-up-Fahrradwege nach der Pandemie beizubehalten. Gerade in Großstädten. Eine bessere Infrastruktur für Radfahrende ist aus Sicht des Mobilitätsbegleiters ACE ein zentrales Element der Verkehrswende.
Lastenräder als Alternative zum Zweitwagen
Die Krise hat es gezeigt: Mit sicheren Fahrwegen gewinnt der Radverkehr schnell an Popularität – insbesondere bei Pendlern. Deshalb muss nun der nächste Schritt sein, Provisorien schnell in dauerhafte Lösungen umzubauen, beispielsweise in „protected bike lanes“. Lastenräder sind einerseits in der Anschaffung teuer, andererseits können sie Ersatz für einen Zweitwagen sein. Ein Förderprogramm zum Kauf von Lastenrädern kann letzte Hürden für einen Umstieg abbauen.
Finanzielle Förderung auf E-Bikes und Bahn-Abos ausweiten
Das heißt in aller Deutlichkeit, die Mobilitätsprämie soll neben Kaufanreizen für E-Autos auch für E-Bikes oder Bahn-Abos gelten. Dafür engagiert sich der ACE in dem Bündnis #MobilPrämieFürAlle, im Schulterschluss mit Organisationen wie der Verbraucherzentrale Bundesverband, dem Fahrgastverband Pro Bahn oder dem Mobilitätsdienstleister JobRad.
Klar ist: Nicht jeder kann auf das Fahrrad umsteigen. Gerade im ländlichen Raum werden viele Menschen weiterhin auf ihr Auto angewiesen sein. Die Mehrkosten von emissionsarmen oder elektrisch angetriebenen Fahrzeugen müssen durch eine gezielte Förderung ausgeglichen werden.
Mobilitätsmanagement fördern
Unternehmen sind ein wichtiger Faktor für eine nachhaltige Verkehrswende. Wenn sie die Mobilitätsbedürfnisse ihrer Beschäftigten als Chefsache verstehen und Mobilitätsmanagement aktiv fördern, kann sich manche Investition sinnvoll auszahlen. Ein Beispiel: Teure Firmenparkplätze können entfallen, wenn Mitarbeitern Abstellplätze fürs Rad, Dusch- und Umkleidekabinen zur Verfügung stehen. Denn das wird Firmenangehörige, die im Umkreis von fünf bis zehn Kilometern ihren Wohnsitz haben, ansprechen. Als Verstärker eignen sich Zuschüsse fürs Dienstrad. Übrigens: Wer mit dem Rad zur Arbeit fährt, weist im Schnitt weniger Krankheitstage pro Jahr auf – ein Aspekt, der bei Personalverantwortlichen längst bekannt ist.
Positive Effekte stellen sich außerdem ein, wenn Unternehmen Fahrgemeinschaften aktiv fördern, etwa Beschäftigte zusammenbringen oder bevorzugte Parkplätze für Mitfahrerteams vorhalten. Ein guter Weg, um den Besetzungsgrad in den Autos der Mitarbeiter zu erhöhen. Auch der Staat kann diesen Prozess mit Zuschüssen für ein betriebliches Mobilitätsmanagement fördern.
Autoindustrie voranbringen und alternative Antriebe fördern
Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sind enorm. Vor allem für die deutsche Automobilindustrie. Als Schlüsselindustrie mit über 830.000 Beschäftigten (Anm. d. Red., Stand 2019) trifft es sie besonders hart. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befinden sich in Kurzarbeit. Vor allem in der Zulieferindustrie bangen viele um ihren Job. Hier muss natürlich schnell etwas passieren. Einerseits, um die Arbeitsplätze zu erhalten. Andererseits, damit die Autoindustrie ihre Führung auf dem Weltmarkt behält. Dafür muss der Staat kräftig investieren. Aber so, dass es mit Nachhaltigkeitszielen wie Klimaschutz, Ressourcenschonung und Emissionsminderungen vereinbar ist. Da sich die Automobilbranche schon in einem technologischen Umschwung befindet, wäre ein Aussetzen oder Verschieben von ökologisch notwendigen Maßnahmen kontraproduktiv: Zum einen könnten so die vorgeschriebenen Klimaziele nicht erreicht werden, zum anderen könnte die Automobilindustrie im internationalen Wettbewerb nicht mithalten.
Die Krise als Chance nutzen
Ein Umdenken ist also notwendig. Der ACE ist der Meinung, dass die Corona-Krise von Industrie, Politik und Gesellschaft als einmalige Chance begriffen werden sollte, um den Umstieg auf emissionsfreie Antriebsarten zu beschleunigen und zu erleichtern. Das könnte etwa durch eine intensivere Förderung von batterieelektrischen Fahrzeugen geschehen. Oder durch einen Verzicht auf die Erhebung der Mehrwertsteuer. Vorausgesetzt die Fahrzeuge sind besonders klimaschonend unterwegs. Für die Zukunft im Logistik- und Transportsektor, beispielsweise im ÖPNV, gibt es auch Ansätze. Hier ist es notwendig, dass Forschung und Entwicklung der Brennstoffzelle Fahrt aufnehmen. Von der CO2-armen Technologie würden vor allem Busse, Züge, Lkw und schwere Nutzfahrzeuge profitieren.
Jetzt investieren und die Verkehrswende einleiten
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um in eine sichere und saubere Mobilität zu investieren. Denn jetzt werden die Geldmittel angezapft, die in den nächsten Jahren für die Verkehrswende vorgesehen waren. Sind die weg, leidet das Erreichen der Klimaziele darunter und die deutsche Automobilwirtschaft könnte den Sprung in die Zukunft verpassen.
Das würde dann, angesichts der Bedeutung der deutschen Automobilindustrie für den hiesigen Wohlstand, unter dem Strich alle betreffen. Denn darunter würde die Lebensqualität leiden, in mehrfacher Hinsicht. Und gerade die gilt es zu verbessern.
Das fordert der ACE
Der ACE fordert, dass die Verkehrswende jetzt stattfinden muss – bevor Geldtöpfe für andere Zwecke eingesetzt werden. Der ACE setzt sich für die Verkehrswende im Sinne einer vernetzten, effizienten und umweltgerechten Mobilität für alle modernen und mobilen Menschen ein. Die Abteilung Verkehrspolitik möchte den Entwurf des Textes „Welche Verkehrswende will der ACE?“ mit dem Ehrenamt diskutieren, denn uns ist daran gelegen, neben der Beschlusslage der Hauptversammlung die Meinung des Ehrenamtes zu berücksichtigen. Im Zusammenspiel von bereits bestehenden Forderungen, Beschlüssen der Hauptversammlung und der Auseinandersetzung mit noch neuen ACE-Themen entsteht ein umfangreiches Papier, welches die Grundlage für die verkehrspolitische Arbeit des Clubs in den kommenden Jahren bilden wird. Dieser Artikel ist Auftakt einer Serie, die in ACE LENKRAD und natürlich auch online Ideen und Forderungen zum Thema Verkehrswende erläutert.
Teil 1: Ruhige Wohnquartiere, saubere Luft und sichere Straßen
Teil 3: Für lebenswerte Innenstädte