01.02.2016

Opel Astra – Den Bogen raus

Mit dem neuen Astra will Opel verlorenen Boden gegenüber der starken Konkurrenz gutmachen. Ob und wie das gelungen ist, klärt der Fahrbericht.

Die Flucht nach vorne – so könnte man die neue Strategie von Opel vielleicht am besten zusammenfassen. Mit Modellen wie dem kleinen SUV Mokka und dem frechen Adam haben die Rüsselsheimer bereits Zeichen gesetzt, was bisher fehlte, war die Neuauflage des Astra. Diese wurde mit Spannung erwartet, die hart umkämpfte Kompaktklasse ist schließlich das Segment, in dem ein Hersteller Farbe bekennen muss.

Nun ist er da und Ausreden gibt es hier nicht. Zu viel Boden hatte Opel, vor allem gegenüber dem Erzrivalen Golf, in den letzten Jahren schon verloren. Was zählt, ist Anschaffungspreis, Stand der Technik, gute Qualität und ein Wohlfühl-Ambiente.

Preise im Vergleich mit der Konkurrenz

 

Werfen wir zunächst einen Blick in die Preisliste: Ab 17.260 Euro ist der ab Werk stets fünftürige Astra mit 100-PS-Benziner zu haben. Zum Vergleich: Der billigste Golf VII kostet mit 85 PS mindestens 17.650 Euro. Zwei zusätzliche Türen hinten kosten in Wolfsburg allerdings nochmals 900 Euro Aufpreis. Will man den Benziner mit 110 PS, so steigt der Grundpreis bereits auf 19.375 Euro.

Ähnlich sieht das Ganze bei den nach wie vor beliebten Diesel-Motorisierungen aus: Der mit 136 PS geschickt in die Lücken der Golf-Motorpalette platzierte Turbodiesel kostet 24.910 Euro. Dann jedoch schon in der etwas besseren Ausstattungsvariante Edition.

Den Golf VII gibt es in der Grundausstattung und mit 110 PS ab  22.900 Euro und mit 150-Diesel-PS in der gehobenen Comfortline-Ausführung für 26.375 Euro. Jeweils plus 900 Euro für die hinteren Türen, falls gewünscht.

So oder so, der Astra ist ein wenig günstiger zu haben als der Golf, doch ist er sein Geld auch wert? Das lässt sich unter anderem an der Serienausstattung ablesen. In der Edition-Ausführung, der zweitniedrigsten von vier möglichen Varianten, ist im Prinzip schon alles an Bord, was benötigt wird: Klimaanlage, Radio mit Touchscreen in Farbe und Freisprecheinrichtung, ein Bordcomputer, die Einparkhilfe hinten und sogar ein Tempomat.

Nach hinten fehlt dem Opelaner etwas der Durchblick

 

Die hintere Einparkhilfe ist Pflicht, denn das Geschehen hinter dem Auto ist beim Rangieren bestenfalls zu erahnen. Nachts besteht dazu fast keine Chance, da die hoch angebrachten Rückfahrscheinwerfer den Boden hinter dem Astra so gut wie gar nicht beleuchten. Etwas Hilfe bietet die optionale Rückfahrkamera, die allerdings schnell verdreckt und dann nur noch unscharfe Bilder liefert.

Ein großes Plus beim Astra ist das Matrix-LED-Licht

 

Vorne klappt die Sache mit der Beleuchtung wesentlich besser. Das optionale Matrix-LED-Licht bietet mit seiner individuellen Lichtverteilung bei Nacht erhebliche Vorteile. So wird auch bei entgegenkommenden Fahrzeugen der rechte Fahrbahnrand noch sehr gut ausgeleuchtet. Ganz perfekt ist die Technik noch nicht, ab und zu wirkt das Zu- und Abschalten der sich überlagernden Lichtfelder etwas unmotiviert und übertrieben hektisch. Wenn man jedoch bedenkt, wie viele Reflexionen und Streulichter die Frontkamera erfasst und wie viele verschiedene  Fälle die Software zu verarbeiten hat, grenzt es schon an ein Wunder, dass diese Technik überhaupt funktioniert. 

Zu haben ist diese Innovation ab 1150 Euro, allerdings nur in den oberen Ausstattungsvarianten Dynamic oder Innovation. Die letztgenannte Top-Ausführung, welcher auch der Kokosnuss-braune Testwagen entstammt, kostet mit dem erwähnten 136-PS-Diesel dann immerhin schon 27.060 Euro.

Ausstattungspakete und Fahrwerk

 

Insgesamt repräsentiert der Testwagen, wie er auf diesen Seiten zu sehen ist, einen Wert von 30.165 Euro.

Darin enthalten ist unter anderem das Innovationspaket, das zum Vorteilspreis von 1750 Euro die Matrix-Scheinwerfer, LED-Rückleuchten, Wärmeschutzverglasung und das Navi im IntelliLink-900-System vereint. Als weitere Option sind die ergonomischen Sportsitze mit Gütesiegel der "Aktion gesunder Rücken" an Bord (für beide Seiten 685 Euro), die sowohl Komfort als auch Seitenhalt bieten und eine uneingeschränkte Empfehlung wert sind.

Zum Glück ist das Fahrwerk des neuen Astra auch nicht zu hart abgestimmt und ausreichend schluckfreudig. Trotzdem wirkt  der Fünftürer erstaunlich handlich. Inwieweit sich hier das gegenüber dem Vorgänger deutlich verringerte Gewicht auswirkt, ist nicht eindeutig festzustellen. Auf jeden Fall überzeugt die jetzt wesentlich präzisere Lenkung. Auch wenn es hier immer noch Menschen gibt, die sich noch weniger wulstige Speichen im Bereich der Daumenauflage wünschen. Dieselben Kritiker stoßen sich aber auch an der Form des Schalthebels, der an der Chromeinfassung tatsächlich nicht sehr griffsymphatisch ist. Doch sind das echte Qualitätsmerkmale? Oder ist das nicht vielmehr Geschmackssache?

Ein wenig Diskussion könnte es auch beim Antrieb geben. Der 136 PS starke Motor wird von Opel auch gerne als Flüsterdiesel beworben. Ja, er läuft leise und geschmeidig – für einen Diesel.  Ein Rolls Royce wird aus dem Astra aber noch lange nicht.

Beim Verbrauch zeigt sich der Opel Astra sparsam

 

Wichtiger scheint jedoch, dass der Verbrauch im Rahmen bleibt.  Und das funktioniert. Den Normverbrauch von 3,9 Litern kann natürlich nur erreichen, wer auf die ungewöhnlichen Sprintqualitäten des 1,6-l-Selbstzünders verzichtet. Doch das fällt zugegebenermaßen schwer. Leichtfüßig dreht der Motor hoch, die feine Dosierbarkeit und das stämmige Drehmoment tun ihr Übriges dazu. Sowohl in der Stadt als auch auf der Autobahn ist der Astra mit dem 136-PS-Diesel ausgezeichnet motorisiert. Wobei – der 150 PS starke Turbo-Benziner wäre vielleicht auch keine schlechte Wahl, dazu noch ganze 2350 Euro günstiger.

Fazit

Da kommt Freude auf! Der neue Astra wirkt wesentlich moderner und leichtfüßiger als sein Vorgänger. Ob es nun alle Extras sein müssen oder nicht, entscheidet am Ende der Geldbeutel. Die Spanne in der Preisliste ist dafür ja groß genug.

Die Konkurrenten

  • Ford Focus 1.5 TDCi
    Der fahraktive Kompaktwagen aus Köln wird 2017 runderneuert. Beim bisherigen Modell sind daher Ende 2016 Preisabschläge zu erwarten. Alle wichtigen Assistenzsysteme sind im Paket für 1400 Euro erhältlich, den 1,5-l-Diesel gibt es auch mit Sechsgang-Direktschaltgetriebe.
    Hubraum cm3/Zylinder: 1499/4
    Leistung kW(PS)/min-1: 88(120)/3600
    Verbrauch EG-Mix l/100 km: 3,8 D
    Preis ab Werk Euro: ab 23.260
  • Hyundai i30 blue 1.6 CRDI
    Das europäische Entwicklungszentrum von Hyundai liegt in direkter Nachbarschaft von Opel. Die Eckdaten ähneln sich sehr, die koreanische Alternative zum Astra lockt mit günstigen Preisen, einer Fünf-Jahres-Garantie und guter Ausstattung. Echte Innovations-Highlights gibt es dafür keine.
    Hubraum cm3/Zylinder: 1582/4
    Leistung kW(PS)/min-1: 100(136)/4000
    Verbrauch EG-Mix l/100 km: 3,9 D
    Preis ab Werk Euro: ab 22.080
  • Mazda 3 Skyactive D-150
    Die japanische Marke geht seit einigen Jahren ihren eigenen Weg, was Design und Motoren angeht. Der einzige verfügbare Diesel ist im Vergleich ein Hubraumriese, verbraucht deshalb aber nicht mehr. Der Mazda 3 ist kein Raumwunder, am besten einfach mal Probe sitzen und fahren.
    Hubraum cm3/Zylinder: 2191/4
    Leistung kW(PS)/min-1: 110(150)/4000
    Verbrauch EG-Mix l/100 km: 4,1 D
    Preis ab Werk Euro: ab 24.790
  • Renault Megane dCi 130
    Die vierte Generation des Megane macht vieles besser als die Vorgänger. Das Fahrwerk ist ausgewogen, die Platzverhältnisse sind ausreichend und die Digitalisierung weit fortgeschritten. Der 130-PS-Diesel läuft leise und ist kräftig genug. Dazu gibt es jetzt bei Renault fünf Jahre Garantie.
    Hubraum cm3/Zylinder: 1598/4
    Leistung kW(PS)/min-1: 96(130)/4000
    Verbrauch EG-Mix l/100 km: 4,0 D
    Preis ab Werk Euro: ab 25.090
  • Seat Leon 1.6 TDI Ecomotive
    Der Leon ist technisch gesehen ein Golf, erlaubt sich aber etwas mehr Emotion. Das betrifft jedoch eher die stärkeren Versionen ab 150 PS aufwärts. Zum nicht ganz günstigen Grundpreis addieren sich schnell einige Extras, die Aufpreisliste ist aber nicht ganz so lang wie die des Golfs.
    Hubraum cm3/Zylinder: 1598/4
    Leistung kW(PS)/min-1: 81(110)/3200
    Verbrauch EG-Mix l/100 km: 4,0 D
    Preis ab Werk Euro: ab 24.420
  • VW Golf VII TDI Blue Motion (5-türig)
    Im Februar 2017 wird das erste Facelift des Bestsellers erwartet. Dabei wird auch ein neues, digitales Armaturenbrett Einzug halten. Wer so etwas nicht braucht, ist mit dem bisherigen Golf auch ganz gut bedient, denn an der grundsätzlichen Technik wird sich wenig ändern.
    Hubraum cm3/Zylinder: 1598/4
    Leistung kW(PS)/min-1: 96(130)/4000
    Verbrauch EG-Mix l/100 km: 3,9 D
    Preis ab Werk Euro: ab 23.800