Luxusverwöhnte Franzosen mussten in den vergangenen Jahren hart im Nehmen sein. Erst stellte Peugeot den 607 ein, dann Citroën den C6 und auch der Renault Latitude brachte es (zumindest in Deutschland) nie auf relevante Stückzahlen. Aus die Maus? Könnte man meinen, denn selbst Präsident Macron muss umsteigen, fährt jetzt statt Oberklasse-Limousine Lifestyle-SUV – nämlich den DS7 Crossback.
Rückkehr in die Oberklasse?
C’est la vie? War‘s das mit der französischen Oberklasse? Nicht ganz, denn einerseits soll nun die Citroën-Tochter DS Automobile die Ehre retten – egal ob Kompaktwagen oder Mid-Size-SUV, all das soll es bald mit einem Extra-Schuss französischer Eleganz geben. Andererseits hat auch Peugeot nachgelegt. Seit Herbst gibt es wieder Hoffnung, denn seitdem gibt es den neuen Peugeot 508. Der spielt zwar eine halbe bis ganze Klasse unter der Oberklasse, immerhin ist er nur 4,75 Meter und damit sogar knapp acht Zentimeter kürzer als sein Vorgänger. Andererseits bringt der neue Viertürer mit Coupé-artiger Dachlinie französischen Stil und Eleganz in die Mittelklasse. Auch etwas Andersartigkeit zählt dazu, beispielsweise der Frontgrill, der sportlich daherkommen soll und in dem man deshalb das Zielflaggen-Muster erkennen kann – zumindest wenn man es weiß.
Französische Eleganz oder American Muscle?
Die Andersartigkeit geschieht aber so unauffällig, dass der 508 keineswegs prollig daher kommt, obwohl er sehr geduckt auf dem Asphalt klebt – er misst immerhin nur 140 Zentimeter in der Höhe. Zu diesem sportlich, muskulösen Auftritt passen die horizontalen Tagfahrlichter. Sie machen aus dem Löwen einen Säbelzahntiger. Über dem prägnanten Löwen im Frontgrill steht nun außerdem wieder die Typbezeichnung „508“, die Zuordnung sollte daher einfach gelingen. Am kurzen Heck herrscht dagegen große Verwirrung: Auf den ersten Blick kann kaum ein Passant das Auto der richtigen Marke zuordnen, einige Tippen sogar auf ein Derivat amerikanischer Muscle-Cars. An unserem weißen Testwagen kontrastieren die roten Rückleuchten besonders gut in einem dunklen Band. Auffällig und gefällig – das beschreibt den 508 vielleicht am besten.
Inennraum: stylisch aber etwas unpraktisch
Und so lässt sich auch der Innenraum beschreiben. Nicht jeder wird das Nappa-Leder in Rot mögen, teuer ist es ohnehin (Aufpreis: 3.500 Euro). Die Sitze sind allerdings perfekt, straff aber nicht hart, und selbst die Oberschenkelauflagen passen auch für lange Lulatsche. Lange Distanzen sind damit kein Problem, das zertifiziert auch die Aktion Gesunder Rücken mit ihrem Label. Die hochwertige Materialauswahl im Innenraum überzeugt ebenfalls. Über schicke Klaviertasten mit Feedback lässt sich das Infotainment gut bedienen. Allerdings ist die Menüstruktur etwas wirr. Klare Abzüge gibt es beispielsweise für die Bedienung der Klimaanlage - sie lässt sich nur via Touchscreen einstellen. Das ist unnötig kompliziert. Ansonsten findet sich auch im 508, wie beispielsweise auch in unserem Dauertestwagen 3008, das sogenannte i-Cockpit: Ein optisch sehr überzeugender und volldigitaler Tacho der sich nach eigenem Belieben konfigurieren lässt. Auch das eigenartige, eckige Lenkrad, zählt dazu. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran, einen Mehrwert bietet es jedoch nicht wirklich. Das ist auch beim Kombiinstrument so, das zwar sehr schön aussieht, sich aber sehr weit oben befindet. Noch näher an der Scheibe wäre eigentlich nur noch ein Head-Up-Display. Das wiederum gibt es leider nicht. Dafür aber ein Nachtsichtgerät, dass Fußgänger und Tiere erkennt und ins Tacho-Display einblendet. Das fühlt sich nach Science Fiction an, dient aber tatsächlich der Sicherheit, wie wir spät abends auf der Landstraße bemerken.
Ausreichend sportliches Fahrwerk
Zurück aus der digitalen Welt und zur eigentlichen Hardware: Aktuell gibt es fünf Motorisierungen: zwei Benziner (180/225 PS) und drei Diesel (130, 163 und 177 PS). Die Diesel-Einstiegsvariante gibt es auch als Handschalter, alle anderen nutzen die Achtgang-Automatik von Aisin. Alle erfüllen die Abgasnorm Euro 6d-TEMP. Wir sind den 508 mit 180-Benzin-PS in der Ausstattungsvariante „GT-Line“ gefahren. Der 1,6-Liter-Vierzylinder sorgt für ordentlich Power. Wer die 180 Pferdchen nutzt, könnte nach unter acht Sekunden auf Tempo einhundert sein, wird dann allerdings nicht mit den 5,4 Litern Normverbrauch hinkommen. Selbst bei gemäßigter Fahrweise liegen wir immer eher an der 7 als an der 6. In gewisser Weise trägt dazu auch das Fahrwerk bei, das den Fahrer zu einer aktiven Fahrweise animiert. Bei den Topvarianten, also Puretech 225 und BlueHDI 180, ist das adaptive Fahrwerk serienmäßig an Bord. Es lässt sich in den Varianten Eco, Comfort, Normal und Sport einstellen. Das merken allerdings nur ganz sensible Naturen, alle anderen erleben ein fein abgestimmtes Fahrwerk, das Unebenheiten sauber wegbügelt, dabei aber auch sportliche Ambitionen unterstützt und jederzeit genug Sicherheitsreserven bietet.
Premium-Anspruch und Premium-nahe Kosten
All die guten elektronischen Helferlein und die ansprechende Optik lässt sich Peugeot ordentlich bezahlen: Die aktuell günstigste Variante ist der Diesel mit 1,5-Liter-Motor. Los geht es bei 31.250 Euro. Den Benziner (1.6 Puretech) gibt es ab 34.750. Die von uns getestete Version „GT-Line“ mit 180 PS kostet dagegen mindestens 40.500 Euro, durch einige Extras (u.a. Voll-Leder-Paket: 3540 Euro und Night Vision: 1200 Euro) summierte sich der Testwagenpreis auf 48.270 Euro. Eine stolze Summe, doch die Premium-Konkurrenz greift fünf- bis zehntausend Euro mehr ab und liefert bei Weitem nicht so unauffällige Hingucker.