Lautlos gleitet ein Drachenflieger über das Steilufer zwischen Wustrow und Ahrenshoop. Er schneidet haarscharf die Küstenkante. Den munteren Möwen gleich, die die von Sanddorn und Hundsrosen geschmückte Hochuferwand der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst umschwirren. Der Pilot im Aufwind lacht, singt und winkt mir zu. Ich laufe am Fuße des Hohen Ufers durch den glitzernden Brandungssaum. Barfüßig, leichtsinnig. Wind in den Haaren, Gischt im Gesicht. Ein schöner Traum!
Auf zum Strand, wie früher...
Die Ostsee, mein Sehnsuchtsziel seit Kindertagen, ist meiner Heimatstadt Potsdam drei Autostunden nah und jetzt doch so fern. So träume ich mich über die Grenzen der gegenwärtigen Krise hinaus und wandere am alten Künstlerdorf Ahrenshoop mit seinen tief ins Gesicht gezogenen Schilfdächern vorbei zu den fahlen Buchen und zerzausten Windflüchtern am wilden Weststrand.
Sand am Meer – und in der Uhr
Ungezähmt von Buhnen und Steinwällen, mit denen man noch in Ahrenshoop die tosenden Wellen aufzuhalten versucht, wirft sich hier die Ostsee bei Sturm bis in den Küstenwald und hinterlässt am Strand vom Seewasser ausgelaugte Baumgerippe – Baumaterial für Strandburgen. Der vom Darßwald gesäumte Weststrand zählt für mich zu den romantischsten Stränden, mit Sand so fein, dass man ihn einst zum Befüllen von Sanduhren benutzte.
Ein Wald wie im Märchen
Der Wald im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft mit seinen windgebeugten Bäumen und Erlenmooren war immer auch ein beliebtes Motiv für die Maler der Ahrenshooper Künstlerkolonie. Pilze, Flechten und Moose umhüllen wie ein buntes Leichentuch vom Alter gefällte Bäume. Die Waldmoore des Darß suchen in Deutschland ihresgleichen.
Kultur und Natur in Ahrenshoop
Bevor mich im Dickicht die berüchtigte Darßmücke weckt, fantasiere ich mich zurück nach Ahrenshoop, in die unbeschwerte Geselligkeit des einstigen Künstlerdorfes, in dem Kultur und Natur so dicht beieinanderliegen. Die zentrale Dorfstraße mit ihren Cafés, Kunstmuseen und Boutiquen ist voller Flaneure. Da klingelt der Wecker und holt den Drachenflieger vom Himmel. Ich aber packe schon mal meine Koffer für die kommende Zeit.
Hanne Bahra hat ihr Herz in „Meckpomm“ verloren. Bereits 20 Bücher hat sie über dieses Bundesland geschrieben. Die Reiseautorin lebt in Potsdam.
Reise-Info: Halbinsel Fischland-Darß-Zingst
Anreise: Mit dem Zug nach Ribnitz-Damgarten (von Hamburg) oder über Stralsund nach Barth (von Berlin). Ab Barth und Ribnitz-Damgarten fahren Busse (Linie 210) auf die Halbinsel. Mit dem Auto von Berlin: A 19, Abfahrt Ribnitz-Damgarten. Aus Hamburg: A 20 bis Kreuz Rostock, dann auf die A 19 Richtung Rostock.
Sehenswertes/Tipps: Im Kunstmuseum Ahrenshoop sollet man sich die Werke der Gründergeneration der Künstlerkolonie ansehen.
Schlafen und Schlemmen: Mühle Ahrenshoop – Gesund und köstlich. Landhaus Morgensünn – unterm Reetdach mit Pool.
Nähere Auskünfte gibt es beim Tourismusverband Fischland-Darß-Zingst.