26.02.2018

Moselreise – von Trier bis Cochem

Karl Marx, dem berühmtesten Sohn Triers, lag das Schicksal der Winzer am Herzen. Nichts liegt näher, als zu seinem 200. Geburtstag Trier und die Mosel zu bereisen.

Es war Wein, der Karl Marx zum Kommunisten reifen ließ. Das Elend der Winzer an der Mosel inspirierte den Gesellschaftstheoretiker dazu, sich mit den ökonomischen Verhältnissen seiner Zeit zu beschäftigten. Da ist sich Jens Baumeister ganz sicher: „Marx hat sich erstmals mit wirtschaftlichen Prozessen auseinandergesetzt, als er für die Rheinische Zeitung über die Absatzkrise der Weinbauern in den 1830er und 1840er Jahren geschrieben hat.“ Der Kunsthistoriker ist ausgewiesener Marx-Experte und in dieser Kombination der perfekte Stadtführer in Trier.

Trier ist die älteste Stadt in Deutschland

Die älteste Stadt Deutschlands glänzte zeitweilig als wichtigste Metropole im römischen Imperium; viele gut erhaltene steinerne Zeugnisse sind große Schätze der Trierer Bürger aus dieser Epoche. Die Doppelkirchenanlage Dom und Liebfrauen zeugt hernach von der Bedeutung der Stadt als Sitz des Erzbistums. Nur mit dem „ollen Karl“, ihrem größten Sohn, wussten die Stadtväter lange Zeit nicht richtig umzugehen.

Der Protagonist der Arbeiterbewegung erblickte am 5. Mai 1818 in der Brückengasse das Licht der Welt. Richtig, der Mitautor des Kommunistischen Manifestes feiert demnächst seinen 200. Geburtstag. Beziehungsweise: Er wird gefeiert: Leben.Werk.Zeit – so heißt die große Landesausstellung, die von Mai bis Oktober Touristen aus der ganzen Welt anlockt. Alleine aus China werden Gästescharen erwartet.

Karl Marx kommt nach Trier – in Form einer Statue

Auch Marx kommt aus dem Reich der Mitte angereist. In Form einer über fünf Meter hohen Bronzebüste – ein Geschenk der Volksrepublik. Erst nach zähem Hin und Her nahmen die Stadtväter dankend an. Sogar eine maßstabsgetreue Attrappe ist aufgestellt worden, um Bedenkenträger davon zu überzeugen, dass der Sozialutopist nicht zu viel Statur bekommt. Doch bald ist der Weg von der Antike bis zur Kapitalismuskritik nur einen Steinwurf weit. Nahe dem römischen Stadttor Porta Nigra steht dann der Denker überlebensgroß auf seinem Sockel am Simeonstiftplatz und darf auf das ehemalige Wohnhaus der Familie Marx blicken.

Traben-Trarbach war einst fast so bedeutend wie Bordeaux

Über Zulauf aus Fernost mögen sich auch die anderen Orte an dem kurvigen Flusslauf nicht beschweren. Ob in Cochem, wo die stattliche Reichsburg und pittoreske Gassen gesäumt von Weinlokalen einladen, oder in dem nicht minder populären Ort Bernkastel-Kues. Oder Traben-Trarbach, das einst als bedeutendstes Weinhandelszentrum nach Bordeaux galt. Denn der protestantische Sprengel unterhielt Mitte des 19. Jahrhunderts einen florierenden Weinhandel mit den Glaubensbrüdern in England, Holland und Preußen. Den katholischen Nachbargemeinden war dieser Handel lange Zeit verwehrt.

Mit dem Bau einer Brücke, die Traben und Trarbach verbinden sollte, kam auf Umwegen der Jugendstil in die Stadt. Denn einer der bedeutendsten Vertreter dieser Stilrichtung, der Architekt Bruno Möhring, bekam den Zuschlag für seinen Entwurf. Und der Berliner Professor entdeckte bei seinen Besuchen die Liebe zur Mosel, ganz nebenbei machte er Bekanntschaft mit begüterten Weinhändlern. Alsbald folgten Aufträge für einzigartige Bauwerke, etwa das Hotel Bellevue, die Villen Huesgen und Nollen am Moselufer oder die Kellerei Julius Kayser. Die Tourist-Information lädt jeden ersten Sonntag im Monat zur Stadtführung „Auf den Spuren der Belle Époque“. Spannend ist eine Tour zu Lande und zu Wasser mit dem Amphicar, die Bellevue-Hotelchef Matthias Ginter am Steuer des Oldtimers nicht nur Hausgästen anbietet.

In Bernkastel-Kues darf der Weinliebhaber einen Doctor kosten

Mit Fassaden aus der Spätrenaissance wartet hingegen das Weinstädtchen Bernkastel-Kues auf. Zu empfehlen: das Fachwerkensemble am historischen Marktplatz. Zu probieren: der Bernkasteler Doctor. Legenden zufolge hat der Doctorwein den Trierer Kurfürsten Boemund II. von einer schweren Krankheit geheilt und seitdem gilt der Tropfen als pure Medizin.

Schroffer Schieferfels mit einem Respekt einflößenden Steigungswinkel von 65 Grad: Am Bremmer Calmont ragt Europas steilster Weinberg in den Himmel. Wenige Kilometer entfernt knattert Michael Borchert mit seinem Monorack die Steillagen hoch. Das Schienenfahrzeug erleichtert die Arbeit am Hang, aber schwindelfrei sollte der Winzer sein. „Man muss konzentriert arbeiten an den Stöcken. Ein falscher Tritt und aus ist es. Fast jede Saison kommt es zu Unfällen“, erzählt der Besitzer des Weinguts Springiersbacher Hof in Ediger. Aber ohne Risiko kein Genuss. Die Qualität dieser Steillagenweine mache alle Mühe wieder wett.

Touristische Informationen

Der Fluss: Von der luxemburgischen Grenze nach Koblenz legt die Mosel 250 Kilometer zurück. Unsere Tour führte von Trier bis nach Cochem.

Der Wein: Auf beiden Seiten des Flussbetts und den Unterläufen der Nebenflüsse Saar und Ruwer liegen die Rebflächen des Weinbaugebietes Mosel. Die Hälfte der Weinbaufläche liegt auf Schiefer. Das 400 Millionen alte Gestein prägt den Riesling, der hier so mineralisch ausfällt wie nirgendwo sonst. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erlebte der Weinbau durch Förderung des Preußischen Staates eine Blütezeit, die Steillagen-Rieslinge waren die begehrtesten und teuersten Weißweine der Welt, man trank sie an den Höfen der Monarchen von London bis St, Petersburg. Noch heute wird hauptsächlich Riesling angebaut, auf etwa 61 Prozent der Rebflächen.

Lektüre: „Wie der Wein Karl Marx zum Kommunisten machte“, Jens Baumeister, E-Mail: jens@the-kottabos.eu, 222 Seiten, Paperback, 14,90 Euro, ISBN 978-3-00-056471-0

Schlemmen und Schlafen: Trier – Deutscher Hof, vom Hotel ist fußläufig die City erreichbar, mit Ladestation für Elektroautos und exzellentem Restaurant; Longuich (nahe Trier) – Weingut Longen-Schlöder bietet Weinproben, Kultur und Kulinarik sowie Übernachtungen in 14 Winzerhäuschen, die vom Stararchitekten Matteo Thun entworfen wurden. In Traben-Trarbach – Hotel Bellevue, das erste Haus am Platz besticht durch seine Architektur und Einrichtung im Jugendstil, feine Küche; Weingut Caspari, Gutsschenke mit schöner Terrasse. In Ediger/Mosel: Weingut und Appartements Springiersbacher Hof.

Weitere Auskünfte: Mosellandtouristik, Bernkastel-Kues, Telefon 06531 973 30; Rheinland-Pfalz Tourismus, Koblenz, Telefon 0261 91 52 00.

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