28.05.2018

Norwegen - wo die Sonne nie untergeht

Taghelle Nächte dank der Mitternachtssonne und Wale in freien Gewässern. Die Region Vesterålen bietet beides und noch mehr Spannendes. Wir machten uns auf den Weg.

Die tief stehende Sonne spiegelt sich auf dem Meer, dabei ist Mitternacht längst vorbei. Doch spätestens als die vom Echolot auf den Bordlautsprecher übertragenen Unterwassergeräusche lauter werden, sind Müdigkeit und rauer Seegang vergessen: Unweit von Steuerbord hebt sich der imposante Körper eines Pottwals aus dem Wasser, eine gewaltige Fontäne schießt in die Luft.

Die Inselgruppe der Vesterålen liegt nördlich der Lofoten

Es ist ein weiter Weg zum Wal, zugegeben. Der einzige Ort in Europa, an dem große Wale in freier Wildbahn beobachtet werden können, liegt an der Küste der norwegischen Inselgruppe der Vesterålen, nördlich der Lofoten. Vom dänischen Hirtshals aus benötigt die umweltfreundlich mit Gas betriebene Fähre von Fjordline nach Langesund nicht mehr als vier Stunden, dann tauchen wir ein in das Naturspektakel Norwegen.

Ein Abstecher nach Lillehammer, um die berühmte Stabkirche zu besuchen, ist gesetzt, um dann grob dem Kompass in Richtung Norden zu folgen. Die Landschaft lässt sich kaum in Worte fassen, so schnell verändert sie sich, so vielseitig sind ihre Facetten.

Unberührte Natur im Nationalpark Rondane

Eine Nebenstrecke führt über den Nationalpark Rondane, wo wir uns in fast unberührter Natur wiederfinden. Der Straßenrand ist mit Moos in allen Farbschattierungen bewachsen, von fern hört man das leise Gurgeln eines Gebirgsbaches und Vogelgezwitscher. Von Zeit zu Zeit laden Cafés zu Smörgås und selbst gebackenem Kuchen ein, Panoramablick inklusive.

An Trondheim mögen wir nicht einfach so vorbeifahren. Unweit des Zentrums liegt die Kathedrale, sehenswert wie die alten Speicherhäuser am Fluss. Aus Holz gebaut und trotzdem die Jahre überdauernd. Dann weiter am Fjord entlang, wo jeder dritte Ortsname auf vik endet. Vik bedeutet Bucht und gab den Wikingern, den Recken aus den Buchten, einst ihren Namen. Deren Nachkommen gebärden sich deutlich zivilisierter. Geplündert wird höchstens die Reisekasse argloser Besucher, denn Lebensmittel und Gastronomie sind kostspielig.

Zelten in freier Natur ist für eine Nacht erlaubt

Von den Hängen der schroffen Berge stürzen Wasserfälle in Flüsse und Fjorde. Angler sorgen für ihr Abendessen, zum eigenen Bedarf dürfen Fische gefangen werden. Dies ist Teil des Jedermannsrechts, nach dem auch für eine Nacht in der freien Natur gezeltet werden darf. Wir verzichten auf die Reuse und vertrauen auf die an manchen Wasserfällen angesiedelten Lachstreppen, wo Räuchereien lecker Fisch zum günstigen Preis anbieten.

Der Küstenstraße Mo i Rana zählt zu den schönsten in Europa

Der Küstenstraße hinter Mo i Rana geht der Ruf voraus, zu den schönsten Europas zu gehören. So verlassen wir die Europastraße E6, auf der eine endlose Kolonne von Wohnmobilen und Motorrädern aus ganz Europa gen Nordkap strebt. Tauchen ein in die Küstenregion mit ihren bunten Holzhäusern und brütenden Vögeln am Strand. Die kurvige Landstraße und zahllose Tunnelanlagen geben ein gemächliches Tempo vor. Warum ausgerechnet hier die Geschwindigkeit per Section Control überwacht wird, bleibt ein Rätsel. Wo häufig Elche gesichtet werden, warnen selbst gemalte Schilder die Verkehrsteilnehmer vor der Gefahr. Die Dörfer bestehen oft aus nicht mehr als einigen verstreuten Gehöften. Überall aber die Einladung, zu bleiben: Stugas, also einfache Hütten, werden flächendeckend zur Übernachtung offeriert.

Nördlich des Polarkreises geht im Sommer die Sonne nicht unter

Der Wechsel auf eine kleine, aber hochseetaugliche Fähre bringt uns neue Perspektiven. Bizarr geformte Felsenformationen steigen aus dem Wasser auf, nehmen bei der Betrachtung die Form von lebendigen Wesen an. Wen wundert es, dass der Troll hier seine Heimat hat. Während der Überfahrt passieren wir den Polarkreis, ab jetzt geht die Sonne auch nachts nicht mehr unter. Doch sie verliert ihre Kraft. Die Temperatur sinkt, ein scharfer Wind fegt die Mütze vom Kopf. Gut, dass es in jedem Ort Outdoor-Läden gibt, wo der Bestand an warmen Pullovern und Handschuhen aufgestockt werden kann.

Bei Bognes nutzen wir die Zeit bis zur Abfahrt der Fähre für einen Besuch von 9000 Jahre alten Felsmalereien, vom Ren bis zum Wal wurden dort Tiere in Lebensgröße in den Fels geätzt. Dann geht es über das Meer in Richtung Vesterålen. Ein beeindruckendes Panorama entschädigt für den eisigen Nordostwind auf dem Deck der Fähre. Links ragen die eisbedeckten Gebirgszüge der Lofoten empor, rechts Felseninseln.

Die Chance einem Wal zu begegnen ist hoch

Dominierten in Südnorwegen die klassischen roten Holzhäuser, wird es im Norden immer bunter. In freundlichen Farben gestrichene Häuser mit bunten Fenstern und Balkonen auf der windabgewandten Seite sind hübsche Farbkleckse in der Landschaft. Ebenso wie die Streublumenwiesen, die regelmäßig die Rasenstücke begrenzen. Legt die Mitternachtssonne einen goldgelben Schein über Häuser und Felsen, ist die ganze Region in ein magisches und diffuses Licht getaucht.

Andøya ist die nördlichste der Inseln der Vesterålen und immerhin die zehntgrößte Norwegens. Mit dem an ihrer Nordspitze entlangführenden Golfstrom kommen die Wale. Die Chance auf die Sichtung von Grind-, Buckel- und sogar Pottwalen beträgt beträchtliche 95 Prozent. Und da taucht er auf – Helge, ein alter Bekannter der Crew, die neben den Touristenfahrten auch Walforschung betreibt. Wie eine flache Insel treibt der Pottwal auf dem Wasser, die Wassertropfen seiner Fontäne brechen sich im warmen Licht der Sonne. Erst nach einiger Zeit rollt er kopfüber nach unten und verabschiedet sich mit elegant in die Luft gereckter Schwanzfluke in die Tiefe. Noch minutenlang fixieren die Augen die Stelle, an der eben noch der Meeresriese zu sehen war. Ein leibhaftiger Wal. Allein für dieses Erlebnis hat sich der Weg gelohnt.

Reiseinformationen

ANREISE: Vom norddänischen Hirtshals aus steuern die Fährgesellschaften Colorline und Fjordline Ziele in Südnorwegen an. Alternativ pendelt Colorline zwischen Kiel und Oslo.

SCHLAFEN: Hotels und Motels aller Preiskategorien gibt es vor allem in den Städten. Verbreitet ist das Angebot von Hütten.

Camper profitieren vom dichten Netz an Camping- und Wohnmobilstellplätzen. Freies Zelten ist für eine Nacht erlaubt, Campen mit dem Wohnmobil ist nur mit Genehmigung des Grundstückseigentümers gestattet.

SCHLEMMEN: Lachs und Frischfisch ist in allen Variationen zu bekommen. Spezialitäten sind außerdem Elchwurst und Käse, berühmt sind Waffeln und in der Kanne gekochter Kaffee. Lebensmittel, Alkohol und Restaurants sind teuer, Hütten und Campingplätze sind auf Selbstversorger eingerichtet.

BESONDERES: Norwegen gehört nicht zur EU, es gelten limitierte Zollgrenzen bei der Ein- und Ausreise.

TIPP: Walsafaris werden in Andenes auf den Vesterålen angeboten und sind ein Erlebnis für die gesamte Familie.

INFOS:  Norwegisches Fremdenverkehrsamt, Tel.: 0 40 /22 94 150.

Vergleichen Sie unsere Preise und Leistungen zur Pannenhilfe mit denen des ADAC.

Zum ADAC-Leistungsvergleich