25.09.2017

Schottland - Der Kilt ist Kult

Schottland hat mit großer Mehrheit gegen den Brexit gestimmt. Immer wieder werden Forderungen nach einer Loslösung vom Vereinigten Königreich laut. Eine Reise durch die Highlands zeigt, dass Schottland tatsächlich eine Welt für sich ist.

Vor Touristenattraktionen posieren Dudelsackspieler in Kilts für Fotos. Doch auch im Alltag trägt der Schotte Rock. Glaubt man Hamish MacLennan von Chisholms Highland Dress in Inverness, einem der ältesten und angesehensten Kiltmacher Schottlands, ist die Nachfrage nach Schottenröcken in den letzten Jahren gestiegen. „Viele Leute hier oben sind Schotten aus Leidenschaft“, erklärt er. „Mit dem Streben nach Unabhängigkeit hat auch das Interesse an Kilts zugenommen, da der Schottenrock den Nationalstolz am besten ausdrückt.“

Die junge Generation trägt wieder Kilt

Wer einen Kilt kaufen möchte, hat nicht nur die Auswahl aus etwa 11.000 karierten Stoffen, sondern kann beim Scottish Register of Tartans auch eigene Farbmuster einreichen. Ähnlich wie hierzulande Dirndl und Lederhose wird der Kilt bei der jüngeren Generation zunehmend Kult. „Eine kleine Minderheit der Highland-Bewohner trägt täglich Kilt“, erzählt Hamish MacLennan, „aber es werden immer mehr. Ich selbst trug meinen Kilt früher nur zu Schulbällen, aber dann habe ich gemerkt, dass er viel bequemer ist als Hosen.“ In den zugehörigen Sporran-Beuteln, in denen früher Geld oder Nahrung mitgeführt wurden, verstaut der moderne Schotte Kreditkarte und Handy. Zu Zeiten von Outlander und Highlander wurden die Kilts auf dem Fußboden in Falten gelegt. Dann musste man sich auf den Stoff legen, ihn um die Taille wickeln und das Reststück über die Schulter drapieren. Auf der Wiese vor Urquhart Castle, der Burgruine am Loch Ness, wird das traditionelle Anziehritual täglich für Touristen demonstriert. Vor drei Jahren hat die Scottish Highland Games Association erstmals Kilt-Pflicht für all die starken Männer eingeführt, die sich bei den jährlichen Hochlandspielen im Baumstammwerfen, Steinstoßen und Fassrollen messen, musikalisch umrahmt von Dudelsackklängen.

Schotten sind sozial eingestellt und überhaupt nicht geizig

„Der Dudelsack ist musikalischer Ausdruck schottischer Identität“, erklärt Anette Hagan, Kuratorin an der Nationalbibliothek in Edinburgh. Die gebürtige Deutsche hat sich bereits im Rahmen ihres Anglistik-Studiums mit dem Dudelsack-Clan der MacCrimmons beschäftigt und war Mitgründerin der „Bagpipe Association of Germany“, bevor sie 1993 nach Schottland auswanderte. „Die Schotten sind anders als die Engländer“, urteilt sie heute, „sozialistischer, gemeinschaftlicher, noch gastfreundlicher und überhaupt nicht geizig!“ Immerhin hatten die Schotten einst genug Geld, um rund 3000 Burgen und 2000 Schlösser zu bauen, von denen heute noch viele die Landschaft prägen. Intime Einblicke gewähren die noch bewohnten Schlösser des Landadels, der zum Erhalt der Gemäuer auf Eintrittsgelder angewiesen ist. In Cawdor Castle bei Nairn drängen sich Besucher sogar durchs private Schlafgemach von Lady Angelika Cawdor. Nur im Winter, wenn die Gräfin allein im Schloss residiert, macht sie die Schotten dicht.

Lachs und Lamm stehen nahezu auf jeder Speisekarte

Im Inverlochy Castle Hotel bei Fort William können Gäste die Nacht in einem schottischen Schloss verbringen. Die traumhafte Lage inmitten der Highlands beschrieb Queen Victoria 1873 mit den Worten: „Noch nie zuvor habe ich einen hübscheren oder romantischeren Ort gesehen.“ Champagner wird am Kamin unter dem prachtvollen Kronleuchter serviert, während eine Harfenistin schottische Weisen spielt. Auch wer nur zum Abendessen bleibt, genießt auf Originalstühlen des norwegischen Königs einen majestätischen Ausblick und wird nach Anweisung von Michelin-Sternekoch Albert Roux königlich bekocht.

Fisch steht auf fast jeder Speisekarte, allen voran schottischer Lachs. Chefkoch Alfie Little vom River House in Inverness ist für seine Fischspezialitäten bekannt. „Die Fischer kennen wir hier persönlich“, sagt er. „Die meisten Fische beziehen wir aus dem Meer, aber manche kommen auch aus den Flüssen und Bergseen.“ Wo das Fleisch für Lammgerichte und Rindersteaks herkommt, davon können sich Urlauber bei einem Spaziergang über die unzähligen Schafswiesen und Weiden zotteliger Highland-Rinder selbst ein Bild machen.

Ein gefüllter Schafsmagen in Pralinenform

Das Nationalgericht Haggis, ein mit Innereien gefüllter Schafsmagen, ist für Fremde gewöhnungsbedürftig. Im einzigen 5-Sterne-Hotel in Inverness, dem Rocpool Reserve, wird Haggis daher zum Aperitif in Pralinengröße gereicht. Traditionell werden dazu „Neeps and Tatties“ (Rüben und Kartoffeln) mit Whisky-Sauce serviert. „Whisky ist in Schottland so wichtig wie Bier in Deutschland“, sagt Kirsten Matthews von der Glen Ord Distillery in Muir of Ord, wo jährlich elf Millionen Liter Whisky hergestellt werden. Besucher dürfen bei der Produktion zuschauen. Nur wenn der gesamte Prozess in Schottland abläuft, darf die Flasche später als Scotch verkauft werden. „Sie können Schottland schmecken“, versichert Kirsten Matthews. „Unser Wasser ist sehr weich und torfig. Und schließlich bedeutet Whisky auf Gälisch ‚Wasser des Lebens‘“.

Die gälischen Ortsnamen sind eine Herausforderung für Navi-Geräte

Gälische Spracheinflüsse verleihen der Schottlandreise einen Hauch Exotik. Loch Ness klingt tiefgründiger als Lake Ness, ob mit oder ohne Ungeheuer. Und wenn die Straßenschilder auf der Fahrt nach Muchrachd, Inverfarigaig oder Beinn a’Mheadhoin zu Buchstabensalat verschwimmen und es die Aussprache nicht zulässt, nach dem Weg zu fragen, gibt selbst das GPS-Gerät auf. „Unsere Orte findet das Navi nicht“, lacht die Dame im Info-Center von Drumnadrochit. „Wir sind es gewöhnt, dass Touristen fragend auf die Landkarte deuten.“ Auch wenn Schottland nicht eigenständig ist, eigen ist es allemal.

Touristische Informationen

Anreise mit Fahrzeug: Am bequemsten von Amsterdam/Ijmuiden nach Newcastle mit einem Fährschiff der DFDS-Seaways. Es legt abends ab, Sie verbringen die Nacht an Bord und kommen morgens an.

Straßen: Es herrscht Linksverkehr. Autofahrer gewöhnen sich schnell ein. Auch im Kreisverkehr gilt „Rechts vor links“.

Schlemmen: Das Restaurant Rocpool Reserve liegt über den Dächern von Inverness und bietet Haggis in Pralinenform an. DasRiver House in Inverness liegt direkt am River Nessund serviert hervorragende Fischspezialitäten. Das Restaurant The Inch ist im Stil eines Landhauses, wer hier tafelt, genießt einen Panoramablick auf Weiden und Loch Ness.

Schlafen: Das Glen Mhor Hotel in Inverness liegt am River Ness und verfügt auch über Apartments. Das Inverlochy Castle Hotel ist ein romantisches Schlosshotel wie aus dem Bilderbuch. Das · The Lovat Hotel ist ein idealer Ausgangspunkt für Ausflüge in die Highlands, z.B. zum Suidhe Point.

Rundreisen: Ob mit Bus, Bahn oder im eigenen Fahrzeug – der Reiseveranstalter Dertour bietet eine Vielzahl von Schottlandrundreisen an. Detaillierte Informationen beim ACE-Reisebüro, Telefon 0711 530 36 78.

Weitere Informationen bei visitscotland und Visit Britain.

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