Ekstatisch tanzen die Körper, Musiker schlagen auf Trommeln den Rhythmus, andere setzen mit Flöten die Melodie; Männer mit entblößtem Oberkörper ziehen aus Leibeskräften einen schweren Prunkwagen vor den Tempel. Dann greifen dutzende starke Männerhände nach dem Gestell der prächtig mit Goldlack verzierten und blumengeschmückten Sänfte, vorsichtig tragen sie das Heiligtum in den Tempel. Hinter der Sänfte folgen Frauen in bunten Saris und Männer in ihren besten Gewändern. Hunderte von Tamilen feiern die Prozession im Nallur Kandaswamy Kovil in Jaffna, dem größten und schönsten Hindutempel in Sri Lanka.
Schönster Hindutempel Sri Lankas steht in Jaffna
Eine kleine Gruppe reiht sich um ein Feuer, das in einer Metallschale brennt. Frauen werfen Papierzettel, auf denen sie ihre Wünsche notierten, in die lodernden Flammen. Ein Greis zerschmettert eine Kokosnuss und mustert andächtig die zersplitterten Schalen, ehe auch diese im Feuer knistern. Es sind Fürbitten und Opfergaben; Glück und Frieden erhoffen sich die Gläubigen vom Kriegsgott Skanda. Die Prozession zum „Thai Pongal“ ist ein Erntedankfest. Zu Hause wartet auf die Hindus ein kleines Festmahl, Milchreis mit Honig, Zimt und Rosinen. Aber zuerst bekommen die Götter im Tempel ihren Anteil.
Freundlich lächeln die Feiernden einer deutschen Reisegruppe zu, die diese farbenfrohe Zeremonie mit Kameras festhält. Lakshman, der singhalesische Guide der Deutschen, verfolgt den Festzug barfuß und mit textilfreiem Oberkörper, so wie es hier Brauch ist. Der Buddhist glaubt an Seelenwanderung und erklärt so auch seinen Respekt gegenüber der anderen Religion: „In meinem nächsten Leben könnte ich als Tamile auf die Welt kommen“, sagt er ernst. Er bete für eine friedliche Zukunft der beiden großen Glaubensgemeinschaften auf der Insel. „Krieg hat diesem Land sehr geschadet“, schüttelt er traurig den Kopf. Denn in den Jahren 1983 bis 2009 wütete im tamilisch-hinduistischen Norden des Inselstaates vor dem indischen Subkontinent ein blutiger Bürgerkrieg. Bomben, Terror und Attentate töteten tausende von Zivilisten, Guerillakämpfer und Regierungssoldaten. Fast jede Familie im Norden und Osten der Insel trauert um Angehörige, die im Kampf ihr Leben ließen.
Indische Einflüsse prägen den Norden Sri Lankas
Die singhalesischen Regierungstruppen schlugen den Aufstand der Separatisten, die einen eigenen Tamilenstaat proklamierten, schließlich nieder. Die Waffen schweigen, doch der Krieg hinterlässt Wunden. In den Köpfen der Menschen, deutlich sichtbarer an den Einschusslöchern an Gebäuden oder Ruinen an den Straßen. Zwar ist der Wiederaufbau in vollem Gange, aber der Nordteil der Insel ist wirtschaftlich abgehängt. Und noch immer sehen sich die Tamilen als Menschen zweiter Klasse in ihrem Staat. Sie sprechen nicht nur eine andere Sprache als die Singhalesen, die drei Viertel der Bevölkerung Sri Lankas ausmachen. Sie leben auch ihre eigene Kultur, die stark geprägt ist von indischen Einflüssen. Und sie haben ihre eigene Religion, den Hinduismus.
Ein Hoffnungsschimmer für die Region ist der Tourismus. Immer mehr Gäste zieht es an den Nordzipfel von Sri Lanka. Reisen ist inzwischen ohne jegliche Einschränkungen dort möglich und auch sicher. Mehrere Reiseveranstalter haben ein Signal gesetzt und den Norden inzwischen wieder in ihr Programm aufgenommen.
Von Colombo sind es sieben Stunden bis Jaffna
Wer die gut siebenstündige Autofahrt vom Flughafen der Hauptstadt Colombo bis nach Jaffna auf sich nimmt, kommt unweigerlich mit den Spuren des Krieges in Berührung. Denn der Zugang zur Halbinsel Jaffna war strategisch wichtig, hier fanden die erbittertsten Kämpfe statt. Im Städtchen Kilinochchi erinnert ein umgestürzter Wasserturm, der in den letzten Kriegstagen von der Separatistenorganisation Tamile Tigers gesprengt worden ist und nun in einem eigens angelegten Park als Mahnmal herhalten muss. Es ist die Symbolik der Sieger: Das War Memorial ganz in der Nähe ist ein Verweis auf die „Stärke und Unbesiegbarkeit“ der sri-lankischen Armee. Es zeigt einen zersplitterten Steinquader, der von einem Artilleriegeschoss durchbohrt ist. Aber das von den Tamilen ungeliebte Monument muss Tag und Nacht von Uniformierten bewacht werden. Ganze Landstriche um Kilinochchi und am Elefantenpass sind Sperrzonen, noch heute vermint oder verwüstet, einige Dörfer sind von der Landkarte verschwunden.
Doch gerade weil diese Region über Jahrzehnte im touristischen Abseits verborgen lag, ist sie jetzt ein unverwechselbares Reiseziel. Die Menschen bewahrten ihre kulturellen Wurzeln.
Augenfällig ist der Kontrast zu den Urlaubszentren im wohlhabenden südlichen Teil der Insel, Bettenburgen, Strandresorts und Fastfood-Ketten sucht der Gast hier im Norden ebenso vergeblich wie Scharen von Touristenbussen vor den Sehenswürdigkeiten. Der Besucher reist zumeist individuell im Mietwagen mit einem einheimischen Chauffeur, er genießt in landestypischen Restaurants die exzellente, wenngleich ungewohnt scharfe tamilische Küche und übernachtet in kleinen, aber feinen Gästehäusern.
Der Norden ist ursprünglich und hat sich seine Kultur bewahrt
Menschenleere, unberührte Strände, sattgrüne Palmwälder und Savanne prägen die flache Landschaft an der Nordspitze. An den Lagunen der Jaffna-Halbinsel kultivieren Bauern den Reisanbau, in den Feldern tummeln sich Flamingos, Kormorane, Reiher und Störche. Und die Freundlichkeit der Einheimischen ist authentisch, sie winken scheu und ihr Lächeln ist ehrlich. Wer in der Stadt Jaffna über den Markt schlendert, kann dies unbehelligt genießen, aufdringliche Händler und Touristen-Schlepper gibt es keine. Und wer sich im Tuk-Tuk zurück ins Hotel chauffieren lässt, bezahlt den regulären Preis dafür – übers Ohr gehauen wähnt sich hier kein ausländischer Gast. Im Gegenteil: Die Einheimischen fühlen sich geehrt, dass Menschen aus einem fernen Kontinent einen so langen Flug auf sich nehmen, nur um sie und ihr Land kennenzulernen. Über schnurgerade Straßen auf schmalen Dämmen sind von Jaffna aus die vorgelagerten Eilande zu erreichen. Nainativu ist eine der interessantesten Inseln dort und nur mit dem Boot zu erreichen. Im friedlichen Miteinander stehen dort ein buddhistischer und ein hinduistischer Tempel nur einen Steinwurf voneinander entfernt. Der Tempel der Schlangeninsel – Nagadeepa Rajamaha Viharaya – ist das wichtigste buddhistische Heiligtum im Norden. Buddha schlichtete einen Streit innerhalb der königlichen Familie, ihm zu Ehren wurde an dieser Stelle das Kloster gegründet. In der weitläufigen Anlage leben nur zwei Mönche in meditativer Stille. Er und sein Lehrmeister seien Anfang der neunziger Jahre aus dem Süden hergekommen, erzählt Mönch Dee Ariyakiti, um die Anlage vor den Guerillas zu schützen. Und das ist dem friedfertigen Duo gelungen. Denn 14 buddhistische Tempel habe es im Norden vor dem Bürgerkrieg gegeben und alle seien zerstört worden – außer diesem.
Nur einen kleinen Fußmarsch davon entfernt steht der Hindu-Tempel Naga Pooshani Amman mit einem 30 Meter hohen Turm, der reich verziert ist mit farbigen Götterfiguren. Kühe mischen sich vor dem Tempel unter die Gläubigen. Nirgendwo ist der Unterschied der beiden großen Religionen des Landes so deutlich wahrzunehmen wie auf Nainativu. Aber das respektvolle Miteinander auf der Insel könnte das Zeichen sein, das Zeichen der Hoffnung und des Aufbruchs.
Touristische Informationen
Anreise: Die direkte Flugzeit von Deutschland beträgt rund zehn Stunden. Den Flughafen Colombo Bandaranayake fliegen viele Airlines an, so beispielsweise auch Emirates täglich von Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München mit einem Zwischenstopp in Dubai (www.emirates.com). SriLankan Airlines fliegt nonstop von Frankfurt nach Colombo an vier Tagen pro Woche (srilankan.com).
Einreise: Das nötige Einreiseformular bekommt man im Flugzeug. Wer das Visum nicht vor der Reise beantragt hat (www.eta.gov.lk), kann es am Schalter „Visa on Arrival“ erhalten. Statt 30 kostet es dann allerdings 35 US-Dollar.
Klima und Beste Reisezeit: Das Klima ist tropisch, in den Küstenregionen steigen die Temperaturen auf bis zu 36 Grad. Im Hochland ist es deutlich kühler mit circa 16 Grad. Beste Reisezeit ist zwischen November und Januar, in der kühlsten Zeit liegen die Temperaturen zwischen 26 und 31 Grad an der Küste.
Währung und Sprache: Ein Euro entspricht 164 Sri-Lanka-Rupien. Es werden Englisch, Singhalesich und Tamil gesprochen.
Unterkunft: Das Vier-Sterne-Hotel Jetwing in Jaffna eröffnete in diesem Jahr, Ü/F im Doppelzimmer ab 61 Euro pro Person.
Pauschale: Der Veranstalter Dertour offeriert im Katalog „Indischer Ozean“ eine Privatrundreise „Impressionen des Nordens“ mit fünf Übernachtungen im DZ inklusive Halbpension, ab Colombo über Anuradhapura, Jaffna, Nainativu, Dambulla und Habarana im Pkw mit deutschsprachigem Chauffeur. Preis pro Person ab 739 Euro. Flüge können zum Preis von 668 Euro pro Person dazugebucht werden. www.dertour.de. Infos beim ACE-Reisebüro, Tel. 0711 530 36 78.
Weitere Informationen: Website auch in deutscher Sprache: www.srilanka.travel.