25.09.2017

Winterreifentest 235/55 R 17

Besonders SUV mit Vierradantrieb brauchen gute Winterreifen. Denn die sehr gute Traktion des Allradantriebes täuscht häufig über die Gefahren beim Bremsen hinweg. Im Test acht Winterreifen der Dimension 235/55 R 17.

Spiegelglatte, vereiste Straßen, zugeschneite Autos, Tiefschnee auf nicht geräumten Wegen, Zufahrten und Parkplätzen – zugegeben, diese Zustände sind in Deutschland relativ selten geworden. Doch es gibt Regionen, in denen Schnee im Winter immer noch zum Alltag gehört. Im Süden Deutschlands etwa und natürlich auch in den Alpen. Und selbstverständlich auch, wenn man als Flachländer zum Wintersport in die Berge fährt. Zwischen Oktober und Ostern käme in diesen Regionen niemand auf die Idee, ohne Winterreifen unterwegs zu sein, und auch der Bestand von Autos mit Allradantrieb ist dort besonders hoch. Vor einigen Jahren lag die Quote von Allradautos laut einer Untersuchung des ACE bei knapp fünf Prozent, ein Viertel der Allradler war allein in Bayern zugelassen. Der anhaltende Trend zum SUV hat diese Tendenz noch verstärkt.

Allradantrieb braucht gute Winterreifen

Die Vorteile liegen auf der Hand: Treiben alle vier Räder den Wagen an, verbessert sich die Traktion schon rein rechnerisch um 50 Prozent. Nicht nur gefühlt halbiert sich damit die Beschleunigungszeit auf glatten Straßen. Steile Anstiege oder tiefer Schnee um die Parklücke verlieren ihren Schrecken.

Doch Allradantrieb hat auch eine Kehrseite: Neben den höheren Kosten durch den zusätzlichen Bauaufwand, den höheren Verbrauch, bedingt durch Mehrgewicht und stärkere Reibung, kann das Unfallrisiko sogar steigen. Oder der Unfall fällt aufgrund der mühelos erreichten, höheren Geschwindigkeit heftiger aus. Das Stichwort in diesem Zusammenhang heißt Risikokompensation. Vereinfacht ausgedrückt verlässt sich der Fahrer oder die Fahrerin zu sehr auf die Technik und realisiert beim Anfahren einfach nicht, wie glatt es in Wirklichkeit ist. Umso wichtiger ist daher auch bei Allradautos die richtige Bereifung.

Traktion wird besser mit Zweiradantrieb gemessen

Welche Winterreifen in der Saison 2017/2018 besonders gut für ein SUV wie den beliebten Ford Kuga oder auch den VW Tiguan geeignet sind, hat ACE LENKRAD zusammen mit der Gesellschaft für technische Überwachung (GTÜ) und dem österreichischen Partnerclub ARBÖ in Schweden und auf dem Contidrom getestet.

Um das Beschleunigungsvermögen eines Reifens auf einer festen Schneedecke messen zu können, ist der Allradantrieb allerdings weniger geeignet. Ein wesentlicher Unterschied zwischen guten und weniger guten Pneus ist dabei hinter dem Lenkrad kaum zu spüren. Darum haben wir die Traktionsmessung mit Zweiradantrieb durchgeführt.

Auch die Basisversion des Ford Kuga mit Zweiradantrieb ist mit den richtigen Reifen bestückt ein sehr gutes Winterauto, das auch nicht an jeder kleinen Steigung hängenbleibt. Es braucht meist nur ein klein wenig mehr Anlauf als bei der Allradvariante. Eine klare Kaufempfehlung für einen der acht getesteten Reifen kann nach dieser Messung allerdings noch nicht ausgesprochen werden. Den besten und den schwächsten Reifen trennen bei der Zugkraftmessung gerade einmal um die zehn Prozent.

Traktion ist kein Thema, wohl aber die Seitenführung

Auch beim Bremsen auf Schnee gibt es noch keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Reifen. Hier wird immer mit vier Rädern gebremst und alle Hersteller scheinen die dafür nötige Rezeptur inzwischen zu beherrschen, die im Wesentlichen lautet: Möglichst viele Lamellen und eine weiche, griffige Gummimischung. Deutlichere Unterschiede gibt es jedoch auf dem Handlingparcours. Hier ist zusätzlich Seitenführung gefragt und die Lastwechselreaktionen machen den Reifen die Arbeit schwer. Hier zeigt sich erneut, wie schnell das Limit mit Allradantrieb zu erreichen ist, danach aber hauptsächlich die Güte der Reifen bestimmt, ob die Kurve noch zu kriegen ist.

Obwohl das ESP des Kuga bisweilen übervorsichtig wirkt, gelingt es mit abgeschaltetem Schleuderschutz teilweise nur mit viel Einsatz und Risiko, noch schneller zu fahren. Es ist besonders beim Allradler nicht immer klar vorhersehbar, ob das Auto über die Vorderräder zum Kurvenausgang schieben will oder ob beim Lastwechsel plötzlich das Heck ausschwenkt. Mit den Reifen von Conti und Dunlop ist das Vertrauen in die Seitenführung am größten, so lässt sich der Kuga am einfachsten und schnellsten um den Handlingkurs treiben.

Weniger auf der Uhr, aber subjektiv fühlen sich auch der Nokian sowie Goodyear und Pirelli gut an. Damit kann man absolut gesehen nicht so schnell fahren, das Erreichen der Haftgrenze wird allerdings frühzeitig angekündigt und auch in der folgenden Rutschphase bleibt der Kuga leicht zu kontrollieren. Etwas Nachholbedarf gibt es in dieser Hinsicht bei Hankook, Kumho und Cooper. Ist man zu flott unterwegs, was ja mit dem Allradantrieb leicht passieren kann, dann ist der Grat zwischen Kurve noch bekommen und Abflug wesentlich schmaler und schwieriger zu beherrschen.

Auf trockener Straße verzögern die Winterreifen nicht besonders gut

Ist die Straße nur nass, was im Winter hierzulande eher die Regel ist, dann sind ganz andere Qualitäten gefragt. Dann ist beim Bremsen ein relativ steifes Profil nötig und auch die Gummimischung muss sich nicht mit Schnee, sondern mit dem Asphalt verzahnen können. Dunlop und Goodyear haben mit der neuesten Reifengeneration in dieser Disziplin einen Vorteil erarbeitet und können nun den einstigen Vorzeigereifen TS 850 P von Continental ausbremsen. Auch bei Kumho und Pirelli hat man die Hausaufgaben gemacht und kann nun auf Nässe teilweise mit guten Ergebnissen aufwarten. Eher enttäuschend dagegen das Abschneiden des Nokian WR A4. Im SUV-Format hat man sich vielleicht etwas zu sehr auf andere Kriterien konzentriert, die Seitenführung auf nasser Straße ist nur befriedigend und auf dem Niveau der Testreifen von Hankook und Cooper

Aquaplaning ist bei Profiltiefen im Neuzustand zwischen acht und zehn Millimetern eigentlich kein Thema. Überraschenderweise schlägt sich hier aber der Pirelli überaus gut, obwohl er mit 8,1 Millimetern am unteren Rand der Profiltiefe liegt. Das Profil scheint durch seine Gestaltung jedoch das Wasser gut abzuleiten.

Nicht ganz so prächtig schlägt sich das gesamte Testfeld beim Bremsen auf trockener Straße. Zwischen 45,7 und 48,2 Meter benötigt der Ford Kuga, um aus Tempo 100 auf warmem Asphalt zum Stillstand zu kommen. Das geht mit Sommerreifen wesentlich besser. SUV, Winterreifen und sportliche Fahrweise auf trockener Straße passen also nicht zusammen.

Das Fazit: Auch bei einem Auto mit Allradantrieb sollte man keineswegs an den Winterreifen sparen, auch wenn das reine Fortkommen noch gesichert scheint. Beschleunigen können ist die eine, Bremsen und Kurvenfahren aber die andere, doch wesentlich wichtigere Sache.

So haben wir getestet:

Der Reifentest wurde in zwei Abschnitten auf zwei verschiedenen Teststrecken durchgeführt : Die Winterversuche in Schwedisch-Lappland auf dem Gelände und in einer klimatisierten Schnee-Halle des Unternehmens Arctic Falls, die Nass- und Trockenversuche auf dem Contidrom (D) in der Nähe von Hannover. Als Testfahrzeuge dienten jeweils ein Ford Kuga aus den Modelljahren 2016 beziehungsweise 2017. Die Preisermittlung, die ACE LENKRAD zusätzlich zu der Summe der technischen Eigenschaften bewertet, bezieht sich auf durchschnittliche Verkaufspreise, ermittelt vom Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV) e.V., Stand September 2017.

Auf diese Autos passen die getesteten Reifen

  • Audi Q3
  • BMW X3 (E83)
  • Ford Kuga
  • Volvo XC70 ab 2007
  • VW Tiguan
  • VW Multivan T5/T6

Im heutigen Fahrzeugschein (Zulassungsbescheinigung. Teil 1) ist nur noch eine Größe eingetragen, es gibt aber immer die Möglichkeit einer Umbereifung. Die für das individuelle Fahrzeug zugelassene Größe steht in der Bedienungsanleitung oder ist beim Händler zu erfahren.

Weitere Informationen

Winterreifentests anderer Reifendimensionen