25.09.2018

Winterreifentest – Zwei paar Stiefel

Ganz gleich ob unterm Fuß oder unterm Auto – sobald die Temperaturen deutlich sinken, ist nur ein Winterprofil die richtige Wahl. Die wichtigsten Reifen der Saison haben wir bereits getestet. Ob und für wen ein Allrounder die richtige Wahl sein kann, lesen Sie weiter unten.

Egal ob Sie noch mit Flip-Flops im Garten sitzen, wenn Sie diesen Text lesen, oder nur noch in Stiefeln rausgehen, weil es doch schon bitterkalt ist – eins ist trotz Klimawandel klar: Der Winter kommt. Manchmal früher, manchmal später. Doch spätestens wenn der erste Schnee fällt, sind viele Autofahrer von der weißen Pracht wieder überrascht. Wer sich dann in der Werkstatt des Vertrauens nicht ganz hinten einreihen möchte, sollte sich daher jetzt Gedanken über das richtige Profil machen. Und im besten Fall gleich einen Termin für den Reifenwechsel vereinbaren. Das können wir Ihnen zwar nicht abnehmen, aber gemeinsam mit der GTÜ Gesellschaft für technische Überwachung und unserem österreichischen Partnerclub ARBÖ haben wir bereits die wichtigsten Reifen der neuen Saison getestet und bewertet. Insgesamt 12 verschiedene Profile in der Kleinwagen-Größe 185/65 R15 mussten sich beweisen. Sie passen auf Kleinwagen wie Opel Corsa, VW Polo und Co. Neun davon waren Winterreifen, drei wollen Alleskönner der Kategorie Ganzjahresreifen sein, mehr dazu unten.

Überraschung auf verschneiter Strecke

Wer sich noch an den vergangenen Winter erinnert, weiß, dass es lange dauerte, bis er wirklich kam. Wintersportler klagten und auch wir Tester hatten Probleme, die richtigen Verhältnisse zu finden. Denn um die Ergebnisse untereinander vergleichen zu können, ist es wichtig, dass die Temperaturen konstant sind, nicht dass der eine Reifen auf Eis und der andere auf Matsch bremsen muss. Schlussendlich fanden wir die richtigen Bedingungen im finnischen Saariselkä, zirka 250 Kilometer nördlich des Polarkreises. Bei etwa –15° Celsius mussten die Pneus zeigen, was sie können. Die erfreuliche Nachricht: Mit Schnee und Eis können sie mittlerweile alle umgehen. Selbst der günstigste Reifen im Test, der Kenda Wintergen 2, kann nicht nur mithalten: Er holt sich mit hervorragender Traktion und sehr kurzen Bremswegen sogar den Sieg auf Schnee. Doch die Unterschiede zwischen den von uns getesteten Reifen sind gering: Steht der Kenda aus Tempo 50 nach 28,6 Metern, braucht der Pirelli Cinturato Winter knapp zwei Meter mehr.

Winterreifen auf insgesamt hohem Niveau

Ein insgesamt hohes Niveau attestieren unsere Testfahrer auch bei den subjektiven Eigenschaften, also bei der Frage, wie sich der Reifen auf der Handlingstrecke anfühlt. Abzüge gibt es für den Kenda, denn er vermittelt ein etwas unruhiges Fahrgefühl. Vorbildlich dagegen Continental WinterContact TS 860 und Nokian WR D4, die sich beide sehr präzise durch die Pylonen zirkeln lassen. Auch der Pirelli, der von den reinen Messwerten auf Schnee her nicht vorne mit dabei ist, vermittelt dem Fahrer jederzeit ein sicheres Gefühl. Kurzes Zwischenfazit: Schnee und Eis stellen keines der von uns getesteten Fabrikate vor Probleme.

Große Unterschiede auf nasser Fahrbahn

Doch richtig knackige Winter werden seltener und Klimaforscher rechnen für Deutschland mit einer Zunahme der Niederschläge: Deshalb gibt es bei unserem Winterreifentest genauso viele Punkte auf nasser Fahrbahn wie auf Schnee und Eis. Wie in den vergangenen Jahren trennt sich hier erneut die Spreu vom Weizen. Zwar lassen sich alle Reifen sicher auf der bewässerten Teststrecke pilotieren, doch der Bremstest zeigt deutliche Unterschiede: Gerade der günstige Winterreifen von Kenda, der uns auf Schnee so positiv überrascht hat, bekommt hier die kalte Dusche: Während die Nässespezialisten von Goodyear und Continental aus 80 km/h nach knapp 34 Metern stehen, braucht der Kenda über 41 Meter. Da passen zwei Fahrzeuge dazwischen! Oder noch drastischer ausgedrückt: Während die Testsieger stehen, rauscht der Wagen mit den schlechtesten Reifen unter Umständen mit knapp 30 km/h ins Stauende. Ganz klar, dass bei solchen Ergebnissen für den Reifen aus chinesischer Produktion am Ende nur ein „bedingt empfehlenswert“ stehen kann: Auf Schnee: ein klares Ja. Auf nasser Fahrbahn lieber nicht!

So teilt sich das Feld auf regennasser Fahrbahn in drei Gruppen: Die Reifen von Conti und Goodyear sind aktuell das Maß der Dinge unter den Winterreifen. Dahinter kommt das Hauptfeld aus Nexen, Nokian, Pirelli, Dunlop, Kumho und Bridgestone. Schon etwas abgeschlagen folgt der Kenda. Denn während viele Reifen die ein oder andere Disziplin besser können, zum Beispiel Kumho und Pirelli beim Aquaplaning vorne liegen, kommt der Kenda in allen Nass-Disziplinen ins Schlingern.

Bridgestone Testsieger auf trockener Fahrbahn

Bleibt noch die letzte technische Disziplin: Wie verhalten sich die Reifen auf trockener Piste? Eine Aufgabe, die den Winterreifen noch nie gut geschmeckt hat. Denn für den Einsatz auf Schnee benötigen sie möglichst viele Lamellen. Das führt dazu, dass die Lauffläche weniger stabil ist. Das wiederum verursacht längere Bremswege und weniger Grip in der Kurve. Doch die von uns getesteten Reifen liegen auf einem ähnlichen Niveau. Grobe Schnitzer erlaubt sich kein Reifen. Bei der Vollbremsung aus Tempo 100 liegt knapp eine Fahrzeuglänge zwischen dem Siegerreifen von Bridgestone und dem Schlusslicht Pirelli. Ein reinrassiger Sommerreifen wird dagegen viele Meter früher zum Stehen kommen.

Fazit: Alle von uns getesteten Reifen verhalten sich außerhalb des Grenzbereichs souverän. Doch das letzte Quäntchen Grip bieten nur wenige Hersteller. Continental gewinnt den Winterreifentest, weil der im vergangenen Jahr vorgestellte WinterContact TS 860 in allen technischen Disziplinen in der Spitzengruppe liegt. Nokian ist ein guter Reifen gelungen, der gegen den Testsieger vor allem im Regen verliert. Der drittplatzierte Goodyear UltraGrip 9 kann im Schnee nicht ganz mithalten, doch auf regennasser Fahrbahn ist er ganz vorne mit dabei. Auch in diesem Jahr zeigt sich: Erneut macht der Regen den Unterschied. Wer sich in der Spitzengruppe behaupten will, muss hier punkten.

Ganzjahresreifen mit unterschiedlichen Philosophien

Immer beliebter sind in den vergangenen Jahren Ganzjahresreifen geworden. Die Vorteile liegen auf der Hand: kein Reifenwechsel, kein zweiter Satz Felgen und Reifendrucksensoren. Auch Continental, die eigentlich dem Credo „keine Kompromisse“ folgen, haben sich dem Kundenwunsch gebeugt und seit dem vergangenen Jahr einen Generalisten im Angebot. Und der AllSeasonContact ist eine echte Kampfansage: Kaum teurer als der Winterreifen, überzeugt er uns bei den harten Fakten: Beim Bremsen auf schneebedeckter oder nasser Fahrbahn kann er mit guten Winterreifen mithalten. Bei den subjektiven Messkriterien, also bei der Frage „Wie fühlt er sich an?“, überrascht er uns und liegt sogar auf einem Niveau mit den besten Winterreifen. Doch für einen Ganzjahresreifen kommt es noch stärker auf eine ausgewogene Performance in allen Situationen an. Dazu zählt eben auch die trockene Straße. Hier liegt der AllSeasonContact zwar auf dem Niveau von Winterreifen, müsste sich aber eigentlich mit Sommerreifen messen.

Reicht ein Ganzjahresreifen?

Um die Frage zu beantworten, ob ein Ganzjahresreifen reicht und man sich zukünftig den Reifenwechsel sparen kann, gilt es, die unterschiedlichen Philosophien der „Alleskönner“ zu verstehen: Der Michelin CrossClimate + ist ein „Sommerreifen, der für den Einsatz im Winter geeignet ist“. So bewerben ihn auch die Franzosen. Insbesondere auf trockener Strecke liefert er herausragende Ergebnisse. Auf nasser und schneebedeckter Strecke kann er nicht wirklich überzeugen. Resultat: Der CrossClimate + schrammt knapp am „bedingt empfehlenswert“ vorbei. Wer sich für ihn entscheidet, muss sich bewusst sein, dass er auf Schnee und nasser Fahrbahn nicht die erste Wahl ist. Das können die Ganzjahresreifen von Nokian und Continental besser. Der Nokian ist besonders stark auf Nässe. Auf Schnee dagegen hat er bereits leichte Schwächen. Conti hingegen ist mit dem AllSeasonContact ein sehr guter Kompromiss gelungen. Wer überwiegend in der Stadt fährt und je nach Wetterlage das Auto auch mal stehen lassen kann, für den können die aktuellen Ganzjahresreifen die richtige Wahl sein.

Doch für den ACE gilt weiter: Bei der Sicherheit gibt es keine Kompromisse! Nur die Kombination aus guten Winter- und Sommerreifen garantiert optimalen Grip. Im Winter würde ja auch keiner auf die Idee kommen, mit Flip-Flops durch den Schnee zu spazieren.

Continental tauscht Testsieger-Reifen aus

Continental hat ein freiwilliges Austauschprogramm für 7.630 Pkw-Reifen des Typs WinterContact TS 860 in der Größe 195/65 R 15 91 T angekündigt. Aufgrund einer nicht den Vorgaben entsprechenden Gummimischung können sich möglicherweise Teile der Lauffläche der Reifen aus der Produktionswoche 41/2018 lösen. Diese mögliche Laufflächenablösung könnte das Fahrverhalten einschränken. Continental sind bisher keine Schadensfälle oder Unfälle bekannt, die hiermit im Zusammenhang stehen. Die betroffenen Reifen sind an der Markierung DOT 6GAE D29W 4118 zu erkennen. Continental hat begonnen, die nationalen Behörden und den Reifenhandel zu informieren, um dieses Austauschprogramm durchzuführen. Weitere Informationen, wie zum Beispiel eine Anleitung zur Identifikation eines betroffenen Reifens, stehen auf der Webseite www.continental-reifen.de/autoreifen/technologie/reifenwissen bereit.

Unsere Testergebnisse in der Zusammenfassung:

 

Weitere Informationen

Winterreifentests anderer Reifendimensionen