Geschäftiges Treiben in der Zentrale des ACE Auto Club Europa in Stuttgart – es ist Anfang November und die Mitarbeiter des Club- und Mitglieder-Service werten die Daten der bundesweiten Clubaktion 2019 aus. Schon vor dem Sichten steht fest: „Goodbye Eltern-Taxi“ hat viele Menschen im ganzen Land erreicht, die Medienresonanz war stark.
Die Clubaktion soll Eltern, Lehrer und Behörden auf die Gefahren durch Eltern-Taxis aufmerksam machen
Die Aktion richtete sich an Eltern von Grundschulkindern, aber auch an Lehrer, Gemeinden und Behörden. Der Plan war, sie durch Vor-Ort-Zähl- und Aufkläraktionen für die Gefahren zu sensibilisieren, die durch Eltern-Taxis entstehen. Zudem die Eltern zu motivieren, dass sie ihre Kinder für den eigenständigen Fußmarsch zur Schule fördern. Schirmherren aus der Politik, etwa die Verkehrsminister Martin Dulig (Sachsen) und Winfried Hermann (Baden-Württemberg) und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, begleiteten die Aktion regional.
Nur wer zu Fuß zur Schule geht, sammelt Erfahrungen im Straßenverkehr
Bruno Merz, Leiter der ACE-Verkehrssicherheitsaktionen, initiiert seit vielen Jahren die großen Clubaktionen, weiß, wie wichtig es ist, Kinder im Grundschulalter zu unterstützen: „Auf dem Autorücksitz haben Kinder keine Möglichkeit, lehrreiche Erfahrungen im Straßenverkehr zu sammeln.“ Und auch die Zahlen sprechen für sich. Während vor knapp 40 Jahren etwa 90 Prozent der Grundschüler ihren Schulweg alleine bestritten, waren es 2018 nur noch 43 Prozent. Das ergab eine forsa-Umfrage für das Jahr 2018.
„Kiss+Ride“-Bereiche können die Situation vor Schulen entschärfen
Gerade im frühen Grundschulalter ist das Gehen besonders wichtig. Ein Kind bis etwa acht Jahre besitzt noch nicht die Fähigkeit, Gefahren selbst als solche zu erkennen. Ein regelmäßiges Bringen mit dem Auto hemmt somit das Erlernen von sicherem Verhalten im Straßenverkehr. Zudem bleibt die Entwicklung motorischer Fähigkeiten eher auf der Strecke. Und eine quirlige Situation vor den Schulen in den Bring- und Holzeiten ist für die Kinder, die beim Aussteigen schnell über die Straße laufen wollen, besonders gefährlich. Natürlich auch für die anderen Verkehrsteilnehmer. ACE-Experte Merz empfiehlt, das Auto für den Schulweg nur in Ausnahmefällen zu nutzen. Wo vorhanden, sollten für das Aussteigen die dafür vorgesehenen „Kiss+Ride“- oder Hol- und Bringzonen genutzt werden, die Kommunen oft in Schulnähe installiert haben. So können selbst Eltern-Taxi-Kids noch ein Stück zu Fuß gehen. Einen Überblick darüber, wie der Schulweg sicher gestaltet werden kann, bietet unsere Infografik (pdf)
Bei knapp 250 Aktionen waren über 700 Ehrenamtliche im Einsatz
Wie viele Gefahrenzonen die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer des ACE ermittelt haben, hat Maja Mattes auf dem Schirm. Sie gehört zum ACE-Team, das die Zahlen auswertet und gibt einen Überblick: „Wir haben an Grundschulen im ganzen Bundesgebiet 248 Aktionen durchgeführt. Die Ehrenamtlichen warteten insgesamt auf das Eintreffen von mehr als 60.000 Schülerinnen und Schülern.“ Dabei protokollierten die freiwilligen ACE-Helfer vor Ort anhand eines Fragebogens exakt, wie und wo die Eltern-Taxis hielten, wie die Schüler ausstiegen und welche Fahrmanöver der Eltern besonders gefährlich waren. Insgesamt waren mehr als 700 Ehrenamtliche des ACE in 111 ACE-Kreisen im Einsatz.
Haltende Autos und riskante Wendemanöver werden zur Gefahr für Kinder
Maja Mattes weiß: „Wir haben knapp 10.500 Eltern-Taxis gezählt. Mehr als 2300 davon standen im Halteverbot, knapp 1000 Autos blockierten Gehwege, fast ebenso viele Einfahrten und über 700 parkten in zweiter Reihe.“ Hinzu kamen 200 Radwegblockierer, und etwa 160 Eltern bevorzugten den Zebrastreifen. Das Fehlverhalten der Eltern-Taxifahrer machte beim Bringen und Holen insgesamt mehr als 50 Prozent aus. Etwa 2000 von 9000 gezählten Kindern stiegen hier besonders gefährlich aus: Auf der falschen Fahrbahnseite, hin zum fließenden Straßenverkehr gewandt. Hohe Unfallrisiken wurden bei den Vor-Ort-Aktionen vor den Schulen auch beim Wende- und Rückwärtsfahrverhalten festgestellt: Nicht immer wurde in den Spiegel oder über die Schulter geschaut. Etwa zehn Prozent der Eltern wendeten an unübersichtlichen Stellen oder stießen einfach rückwärts aus Einfahrten zurück, ohne zu schauen. Das ist ein alarmierendes Zeichen. Mit vielen Eltern wurde über Gefahrensituationen gesprochen.
Die meisten Eltern waren offen für Tipps und Hinweise
Nicht jeder war dem gegenüber aufgeschlossen. Manche reagierten sogar regelrecht aggressiv: „Ein Vater war uns bis in die Schule gefolgt, wo wir eine Auswertung mit dem Rektor vereinbart hatten“, schildert Reinhard Mohr, der beim ACE das Ehrenamt in der Region Baden-Württemberg betreut, eine sich zuspitzende Situation an einer Grundschule im Kreis Schwarzwald-Baar. „Er verstand das Anliegen unserer Initiative nicht und sah sie als Eingriff in seine persönlichen Rechte“, ergänzt Mohr. Bei einer zweiten Aktion an derselben Schule schickte das Ordnungsamt dann eine Politesse, die bei groben Verstößen aktiv wurde. Zum Glück stand ein Großteil der angesprochenen Eltern in der ganzen Republik dem Aufklärungs-Anliegen des ACE offen gegenüber und war bereit, über Vor- und Nachteile von Eltern-Taxis zu diskutieren.
Einige Schulen wollen die Zusammenarbeit mit dem ACE fortsetzen
Die Clubaktion „Goodbye Eltern-Taxi“ hat auch bestätigt, dass die Gefahr durch Elterntaxis zwei grundlegende Ursachen hat. Einerseits die Gefahr durch die verworrenen Verkehrssituationen vor den Schulen an sich. Die entsteht meist durch Eltern, die ihr Kind sicher zur Schule bringen wollen und dabei die Verkehrssituation drum herum vernachlässigen. Andererseits liegt es daran, dass Kinder im Grundschulalter anders handeln und reagieren, als Erwachsene das tun. Sie haben eine andere Perspektive. Dessen sollten sich Eltern und alle anderen Verkehrsteilnehmer bewusst sein. Der Plan des ACE-Ehrenamts ging auf. Die Arbeit überzeugte viele Eltern und Kommunen. Und auch einige der Schulen wollen weiterhin mit dem ACE kooperieren, denn: Nach der Aktion ist vor der Aktion, und jedes Jahr gibt es neue Grundschüler.