27.04.2020

Fahrräder – Eine Frage des Typs

Das passende Fahrrad zu finden, ist nicht einfach. Doch wer die eigenen Bedürfnisse und Vorlieben im Sattel kennt, wird schneller fündig. Wir geben einen Überblick über die verschiedenen Fahrradtypen.

Die einzelnen Räder mögen in Reih und Glied stehen, das Produkt-Wirrwarr ist groß im Fahrradladen. Der Händler redet vom neuesten Graveller, oder soll̓ʼs doch ein Fully, also ein vollgefedertes Rad sein? Ist Ihnen die Straßenzulassung für Fahrräder laut StVZO wichtig? Er rollt ein neues Urbanbike heran, ’tschuldigung Cityrad, und erläutert die Vorzüge des Riemenantriebs gegenüber der guten alten Kette. Oder steigen Sie doch lieber aufs Rennrad und führen per App Protokoll über Trittfrequenzen und verbrannte Kalorien? Allgemeine Infos rund ums Radfahren finden Sie auch in unserer Infografik.

Schnell wird man an Grundsatzfragen herangeführt: „Wer bin ich?“, und vor allem: „Was will ich?“ Vertraute Begriffe von früher – Herrenrad, Damenrad, Jugendrad – sind aus dem Wortschatz des Verkäufers längst gestrichen. Auch beim Surfen über die Herstellerwebsites oder beim Stöbern in Katalogen hagelt es Fachbegriffe, die sich auch noch mit Marketing-Sprech vermischen.

Fest steht andererseits: Schon im Alltag sind die Vorlieben des Pedaltreters unterschiedlich, und dann gibt es ja noch die Freizeit, die ganz eigene Menschentypen im Sattel hervorbringt. Und wer passt nun zu welchem Rad? Hier kommt unsere Typologie der Fahrradfahrer:

Die Alltäglichen: Trekkingrad

Radfahren ist ihnen bei Wind und Wetter eine Selbstverständlichkeit, egal, ob es ins Büro zu pedalieren gilt, zum Supermarkt, ins Kino oder Grüne. Das hat Anforderungen ans Material, Vollausstattung ist Pflicht. Damit die Kleidung bei Nässe nicht versaut, sind Schutzbleche montiert und eine Lichtanlage mit allem, was die Straßenzulassung erfordert. Denn die Alltäglichen sind auch in der Dämmerung unterwegs und rechnen jederzeit mit Polizeikontrollen. Der Einkauf und das Gepäck für den Wochenendtrip finden in Satteltaschen am Heckträger Platz. Weil die Alltäglichen den Komfort mehr lieben als den Sport, hat ihr ideales Rad, das Trekkingrad, oft eine Federgabel montiert. Aber auch breitere Reifen genügen oft.

  • Beispielprodukt: Stevens 8X Lite Tour. Trekkingrad mit Vollausstattung und Scheibenbremsen Shimano Deore XT. Alurahmen. Gewicht 12,5 Kilo. 1899 Euro.

Die Schwitzenden: Gravelrad

Oft heißt es, auf einem E-Bike schwitze man nicht. Das stimmt bedingt. Wer die höchste Unterstützungsstufe wählt, hat die Chance, trocken anzukommen. Ansonsten wird das schwer. Gerade unter den Mountainbikes boomen die E-Varianten. Selbst Rennräder sind immer öfter elektrifiziert. Dort wie hier helfen die Motoren eher untrainierten Menschen, die Alpen zu überqueren oder an Anstiegen auf Asphalt Trainingsunterschiede im Pulk zu reduzieren. Das erweitert die Möglichkeiten vor allem älterer Radsportler. Puristen entscheiden sich aber immer noch fürs klassische Rennrad oder Mountainbike. Und soll es das Beste aus zwei Welten sein: fürs Gravelrad, im Prinzip ein Rennrad, nur mit Scheibenbremsen und breiteren Reifen.

  • Beispielprodukt: Bergamont E-Grandurance. E-Gravel mit Fazua-Antrieb im Unterrohr. Motor und Akku (252 Wh) entnehmbar, so sinkt das Gewicht von 15,2 Kilo um ca. 3,5 Kilo. Shimano GRX Elfgang-Schaltgruppe, Carbongabel, 3999 Euro.

Die Überallfahrenden: SUV-Bike

Die Überzeugungstäter unter den Radfahrenden. Ins Auto zu steigen kommt für sie selbst bei Schneegestöber oder Regengüssen nicht infrage, und der Untergrund ist ihnen egal. Früher griffen sie zum hochpreisigen Trekkingrad, doch jetzt gibt‘s was Besseres: das SUV-Bike, gern auch SUB-Bike genannt – für Sports Utility Bike. Der Name lässt es erahnen: Hier fahren zweirädrige Allzweckwaffen vor. Sie können schwere Satteltaschen aufnehmen, und sie sind Sportgeräte, da im Kern Mountainbikes – nur eben mit Schutzblechen, Ständer, Gepäckträger und Beleuchtung. Für die Überallfahrenden sind starke Mittelmotoren montiert. So meistern sie mit ihren E-SUBs auch steile Trails und lange Pendlerstrecken.

  • Beispielprodukt: Flyer Goroc4. SUV-E-Bike mit StVZO-Ausstattung, vollgefedert, langer Radstand, Stollenreifen. Mittelmotor von Panasonic, 630-Wh-Akku im Unterrohr. Zwölfgang-Kettenschaltung Sram SX Eagle. 4799 Euro.

Die Pendelnden: Faltrad

Auf die Pendelnden hat es die Branche abgesehen. Kaum ein Fahrrad, das sich nicht für den Arbeitsweg eignen soll. Doch Pendler ist nicht gleich Pendler. Die einen wuppen den ganzen Weg und steigen aufs E-Bike, aus dem Speckgürtel düsen manche mit der schnellen Variante, einem bis zu 45 km/h tretunterstützten S-Pedelec, heran. Da diese Bikes mit Spiegel, Nummernschild- und Helmpflicht nicht auf den Radweg dürfen, zählen sie zu den Exoten. Alternativ sind die Pendelnden intermodal unterwegs: Satteln zu Hause aufs Klapprad, strampeln bis zur nächsten Bus- oder Bahnstation, falten ihr Vehikel zusammen und am Zielort für den Rest der Strecke wieder auseinander.

  • Beispielprodukt: GoCycle GXI. E-Faltrad mit 375-Wh-Akku für Pendler und Urlauber. Frontmotor, Traktionskontrolle und Dreigang-Automatik. Einfacher Klappmechanismus. Packmaß von 88,0 x 37,0 x 61,5 Zentimetern. 4199 Euro.

Die Shoppenden: Cityrad

Es fehlt noch Butter. Oder Brot. Ohne das Bein über den Sattel schwingen zu müssen, einfach gemütlich losfahren: Die Shoppenden radeln für ihr Leben gern zum Wochen- oder Supermarkt, und wenn’s sein muss, machen sie sich nochmal auf den Weg. Sie scheinen alle Zeit der Welt zu haben, denn rasen oder schwitzen sieht man sie nie. Dafür ragen frische Kräuter, Lauch oder ein Baguette aus dem Lenkerkörbchen. Der Look ihrer Citybikes ist klassisch bis retro, manchmal ein Zitat des bekannten Hollandrades, wenn nicht gleich das Original. Der tiefe Einstieg für spontanes Hop-on, Hop-off ist ein Muss. Ist der neue Bio-Bäcker weiter weg? Kein Problem. Cityräder gibt es schon lange auch als E-Bikes – nicht nur für die älteren Shoppenden.

  • Beispielprodukt: Riese & Müller Swing 3 Vario Urban. E-Cityrad mit tiefem Einstieg, Carbonriemen, Federelementen, Bosch-Mittelmotor und 500-Wh-Akku im Gepäckträger. 3699 Euro.

Die Reisenden: Reiserad

Sie zählen zu den Überzeugungstätern, ihr Zeitfenster öffnet sich im Urlaub. Spätestens dann verzichten sie aufs Auto und treten in die Pedale. Ihr Untersatz, das Reiserad, ist ein robust-komfortabler Gefährte, oft mit Stahl-, immer öfter aber mit Alurahmen. Allerlei Gepäckträger sind angeschraubt, darunter Lowrider, die meist tief an der Vordergabel fixiert werden. Zahnbürste, Zelt und Schlafsack werden auf die Gepäcktaschen aufgeteilt, 40 Kilo oder mehr sind möglich, wichtige Größe ist das zulässige Gesamtgewicht, die addierte Masse von Fahrrad, Fahrer und Gepäck. Reiseräder gibt es als E-Bikes, dann teils mit Doppelakku für mehr Reichweite.

  • Beispielprodukt: Rennstahl 931 Pinion. Highend-Reiserad mit Edelstahlrahmen und Titanteilen. Pinion-Getriebeschaltung mit zwölf Gängen. Magura-Vier-Kolben-Scheibenbremsen. Gewicht ca. 14 Kilo, Zuladung 185 Kilo. 7314 Euro.

Die Modebewussten: Designrad

Für Modebewusste ist die Optik kaufentscheidend. Abgeleitet vom Profi-Bahnrad ohne Bremsen sind die sogenannten Fixies die verkehrsunsichere Straßenvariante, von der man absehen sollte. Denn sie fahren mit einem starren Gang – „fixed gear“ – zum Bremsen hält man mit Beinkraft dagegen. Die Rad-Evolution hat die Single-Speed-, also Eingang-Räder, hervorgebracht, die immer noch eine aufgeräumte Optik, aber Bremsen an Bord haben. Manche Hersteller setzen auf Retro-Akzente und montieren Ledersättel oder lederne Lenkradbänder. Hersteller wie Coboc, Schindelhauer oder Ampler bauen E-Versionen dieser abgespeckten Fahrradgattung. Erschwinglicher sind die Biobikes, also solche ohne Motor.

  • Beispielprodukt: Mika Amaro Custom Grey Single Speed. Stahlrahmen, Weißwandreifen und Hochglanzfelgen, wartungsarmer Riemenantrieb von Gates, Gewicht 9,4 Kilo. Ab 1500 Euro.

Die Pragmatischen: Lastenfahrrad

Sie sind vom Familienalltag bestimmt. Damit sind die Pragmatischen jünger und weniger grau als die Shoppenden. Sie wählen ein Vehikel, das sie als erklärten Autoersatz auch gern als Beleg ihres Öko-

bewusstseins stolz pedalieren: das Lastenrad. Mit ihm transportieren sie den Einkauf, Getränkekisten, Kind und Kegel. Je nach Auslegung und Sitzanzahl fahren zwei oder vier Kinder mit. Die Varianz unter den Lastenrädern ist groß: Es gibt sie zweispurig mit Transportbox vor dem Lenker oder einspurig, dann oft als Tieflader („Long John“), mit der Ladefläche zwischen Lenksäule und Vorderrad. Weil der Transport schwerer Waren viel Kraft kostet, fahren viele Lastenräder mit Motor.

  • Beispielprodukt: Johansson Gunnar. Einspuriges E-Lastenrad mit Brose-Mittelmotor und modularem Laderaumsystem, Federgabel und Magnesiumrädern, Gewicht 45,2 Kilo, Länge 2,55 Meter, Zuladung 60 Kilo (Gepäck und Aufbau), ab 3649 Euro ohne Aufbauten.

Möchten Sie doppelt mobil sein und Ihr Fahrrad auf dem Auto "huckepack" nehmen? Dann lesen Sie unseren Ratgeber zu Trägersystemen fürs Auto.