26.09.2024

Fahrsicherheitstrainings für Seniorinnen und Senioren

Freiwillige Checks und Fahrtrainings können Seniorinnen und Senionren helfen, sicher mit dem Auto unterwegs zu sein. Wir haben ein Fahrtraining begleitet.

Die Fahrbahn ist nass und rutschig, keine guten Bedingungen für eine Vollbremsung. Helga Franzke gelingt es trotzdem, ihren Škoda unter
Kontrolle zu halten. „Voll in die Eisen zu steigen, das macht man im Alltag ja doch eher selten“, sagt die 79-Jährige und umklammert fest das Lenkrad. Im Straßenverkehr auch in brenzligen Situationen richtig zu reagieren, lernt Helga Franzke an diesem sonnigen Vormittag auf einem Übungsplatz in Bernau bei Berlin.

Tipps für knifflige Verkehrssituationen

Die örtliche Verkehrswacht hat dort zu einem ganz speziellen Fahrsicherheitstraining eingeladen. Es heißt „Fit im Auto“ und richtet sich gezielt an ältere Menschen, die ihre Fähigkeiten hinter dem Steuer überprüfen lassen möchten. Ob richtiges Bremsen, Spurwechsel oder
Einparken – zusammen mit Experten werden Fahraufgaben trainiert, die älteren Fahrerinnen und Fahrern zuweilen Schwierigkeiten machen können.

Was passiert im Alter mit uns?

Denn: Im Alter lassen die kognitiven Fähigkeiten nach. Das Reaktionsvermögen vermindert sich. Zudem sehen und hören ältere Menschen häufig schlechter, sie sind weniger beweglich.

Diese Einschränkungen machen sich auch und insbesondere beim
Autofahren bemerkbar: zum Beispiel wenn es beim Schulterblick
empfindlich im Nacken zwackt oder nachlassende Muskelkraft das Lenken beeinträchtigt.

Routine vs. Altersbeschwerden

Bevor auf dem Verkehrsübungsplatz in Bernau die Motoren angelassen werden, überprüft Walter Papritz daher bei allen Teilnehmenden zunächst die richtige Sitzposition am Steuer ihres Pkw. Papritz war fast 40 Jahre lang als Verkehrspolizist tätig. Nun führt er für die Kreisverkehrswacht Barnim Fahrsicherheitstrainings durch.

Bei Senioren sei die Situation eine ganz besondere, erklärt Papritz: Viele seien seit Jahrzehnten im Straßenverkehr unterwegs – hier treffe große Fahrroutine auf nachlassende Aufmerksamkeit und verringertes Konzentrationsvermögen. „Deshalb entwickeln die älteren Herrschaften
Strategien, um ihre Schwächen beim Fahren zu kompensieren.“

Welche Verhaltensstrategien entwickeln ältere Menschen?

Konkret bedeute dies, dass Seniorinnen und Senioren im Verkehrsalltag mit ihrem Auto häufig langsamer fahren und mehr Abstand halten, um ihr reduziertes Reaktionsvermögen auszugleichen. „Oder sie vermeiden Strecken, die sie nicht kennen“, sagt Walter Papritz. Manche setzen sich aus Angst, einen Unfall zu verursachen, gar nicht mehr ans Steuer.

Für viele ist Mobilität nur mit dem Auto möglich

Doch Mobilität ist ein Grundbedürfnis, auch im Alter. Und das eigene Auto ist gerade im ländlichen Raum für viele Menschen unverzichtbar.
Ob Arzttermin, Supermarkt-Einkauf oder die Fahrt ins Grüne: „Ohne
Auto geht nichts“, sagt auch Helga Franzke, die seit 1980 ihren Führerschein hat.

Ältere Menschen sind häufiger in Unfälle verwickelt

Wer schon so lange die Fahrerlaubnis hat, dem muss man eigentlich  nicht viel übers Autofahren erzählen. Dennoch kann es für ältere Menschen sinnvoll sein, die eigenen Fahrfertigkeiten regelmäßig von Expertinnen und Experten untersuchen zu lassen.

Statistiken zeigen, dass ältere Autofahrende überproportional häufig an schwereren Unfällen beteiligt sind. Menschen ab 65 waren im vergangenen Jahr in mehr als zwei Drittel der Fälle (69 Prozent) die Hauptverursachenden. Bei den mindestens 75-Jährigen waren es sogar 77 Prozent. Das ist laut Statistischem Bundesamt mit Abstand der höchste Wert aller Altersgruppen.

Die häufigsten Delikte bei Seniorinnen und Senioren im Vergleich zu jüngeren Autofahrenden:

  • Missachten der Vorfahrt
  • Fehlverhalten beim Abbiegen, Wenden oder Rückwärtsfahren

Diese Delikte sind selten bei älteren Autofahrenden:

  • zu geringer Sicherheitsabstand
  • überhöhte Geschwindigkeit
  • Fahren unter Alkoholeinfluss

Sind verpflichtende Gesundheitschecks die Lösung?

Über die Fahreignung von älteren Menschen ist eine Diskussion entbrannt. Sollte es künftig verpflichtende Gesundheitschecks für ältere Autofahrende geben? Das Europäische Parlament hat Vorschläge der EU-Kommission, dass Senioren ihren Führerschein öfter als jüngere Menschen erneuern lassen müssen – und dafür medizinische Tests vorzulegen sind –, vor einigen Monaten abgelehnt. Die Bundesregierung begrüßte diese Entscheidung. „Deutschland möchte solche Zwangsuntersuchungen nicht haben“, betonte Verkehrsminister
Volker Wissing (FDP). Diese Haltung vertritt auch der ACE.

Die Position des ACE: Freiwillige Rückmeldefahrten statt Pflicht-Checks

  • Ältere Menschen unter Generalverdacht zu stellen und zu Fahreignungstests zu verpflichten, hält der ACE für eine inakzeptable Diskriminierung.
  • Stattdessen sollten ältere Menschen die Möglichkeit haben, flächendeckend an freiwilligen Rückmeldefahrten teilzunehmen, um so ein direktes Feedback zur eigenen Fahrsicherzeit zu erhalten.
  • Aus Sicht des ACE sollte ein solches Angebot spätestens ab dem 75. Lebensjahr ansetzen, um die Fahrkompetenz zu erhalten. Ab diesem Alter sinkt die Leistungsfähigkeit,  während gleichzeitig diese Altersgruppe vermehrt der Hauptverursacher bei Unfällen mit Personenschäden ist. Das Unfallrisiko entspricht in etwa dem der Fahranfängerinnen und Fahranfänger.
  • Individuelle Mobilität bis ins hohe Alter sicher ermöglichen: Gerade für ältere Menschen in ländlichen Räumen, wo es oft wenig Mobilitätsalternativen zum eigenen Pkw gibt, ist die Nutzung des eigenen Autos nach wie vor elementar für die soziale Teilhabe und das Bestreiten des Alltags.

Hier sind Rückmeldefahrten möglich

Wichtig ist, dass es sich bei den Rückmeldefahrten um eine standardisierte Beobachtung handelt, die auch ein qualifiziertes
Feedback zur persönlichen Fahrtauglichkeit umfasst.

Anbieter von Fahrtrainings und Rückmeldefahrten:

  • Landesverkehrswachten
  • Kfz-Prüforganisationen wie TÜV oder DEKRA
  • Fahrschulen

Großer Handlungs- und Aufklärungsbedarf

Der Bedarf ist groß: Ältere Menschen spielen im Straßenverkehr durch die demografische Entwicklung eine immer größere Rolle: Der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung wächst, zudem behalten Fahrerinnen und Fahrer ihre Führerscheine länger als in früheren Generationen, vor allem in ländlichen Gebieten ohne gute ÖPNV-Anbindung.

Die Bereitschaft, die eigene Fahrkompetenz testen zu lassen, ist jedenfalls groß: Mehr als 80 Prozent der Autofahrenden über 65 Jahren wären bereit, dafür eine freiwillige Rückmeldefahrt mit einem Fahrlehrer oder einer Fahrlehrerin durchzuführen. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR). Doch nur elf Prozent der Autofahrenden ab 65 Jahren gaben an, in der Vergangenheit mit ihrem Arzt über das Thema Fahrkompetenz gesprochen zu haben.

„Das zeigt sehr deutlich, dass es einen dringenden Aufklärungsbedarf gibt. Öffentlichkeitswirksame Aufklärungskampagnen können einen Beitrag leisten, ältere Personen, medizinisches Fachpersonal, aber auch Familienmitglieder oder Bekannte anzusprechen“, sagte DVR-Präsident Manfred Wirsch.

So lief das Fahrsicherheitstraining

Auf dem Verkehrsübungsplatz in Bernau haben alle Teilnehmer die heiklen Bremsmanöver auf nasser Fahrbahn erfolgreich absolviert. Auch beim Slalomfahren und Einparken gab es keine Blechschäden.

Helga Franzke steigt etwas verschwitzt, aber sichtlich zufrieden aus ihrem Škoda. „Ich wollte wirklich wissen, wie gut ich noch fahre“, sagt die 79-Jährige. Offenbar fährt sie noch ziemlich gut, der Experte von der Verkehrswacht hatte jedenfalls keinen Anlass zur Kritik.

Helga Franzke kann so beruhigt und mit einem guten Gefühl nach Hause fahren: Auch im fortgeschrittenen Alter ist die Seniorin noch immer „fit im Auto“.

Weitere Informationen: Mobil sein bis ins hohe Alter ist wichtig. Deswegen unterstützen Verbände wie der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR), in dem der ACE Mitglied ist, ältere
Menschen in ihrer Mobilität.