01.06.2016

Seniorenzuschlag – Den können Sie sich sparen

Die Autoversicherer verlangen von älteren Fahrern oft einen erheblichen Seniorenzuschlag. Denn im Durchschnitt verursachen Senioren mehr Schäden – so die Statistik. Doch Experten kennen einen Spartrick. Wir haben ihn geprüft, er funktioniert.

Auf seine Autoversicherung ist Herbert Bruchmüller (Name von der Redaktion geändert) richtig sauer. Dem ACE-Mitglied aus einem kleinen Ort nahe Göppingen flatterte urplötzlich die Kündigung der HDI-Versicherung auf den Tisch. Dabei war der 87-Jährige jahrelang unfallfrei gefahren. Begründet wurde der Rauswurf zum Vertragsende am 26. August 2016 lapidar mit "deutlich steigenden Werkstattkosten" und "zunehmenden Schäden durch extreme Unwetter". "So ein Schreiben ist eine Unverschämtheit", meint Bruchmüller. Vor allem weil der Versicherer mit schönen Worten gleichzeitig eine Fortsetzung des Vertrages anbot – jedoch nicht zu "aktuellen Bedingungen und Tarifen".

Prämienerhöhung um mehr als das Doppelte

 

Was das heißt, geht aus der Kündigung nicht hervor. "Das musste ich auch noch telefonisch erfragen", ärgert sich Bruchmüller. Eine Sachbearbeiterin eröffnete dem Autofahrer dann, dass sein Vertrag künftig 1050 Euro kosten sollte statt wie bisher lediglich 448 Euro. Das ist eine Prämienerhöhung um mehr als das Doppelte!

Zuschlag gibt es erst seit 2012

 

Auf Nachfrage bestätigt der HDI, dass nicht nur Herbert Bruchmüller gekündigt wurde. Wie viele Autofahrer noch betroffen sind, verschweigt der Versicherer. "Von dieser Maßnahme waren vielfach ältere Versicherungsnehmer betroffen, aber auch andere", schreibt Pressesprecher Andreas Ahrenbeck. Ein Grund für die extreme Erhöhung des Beitrags: Altkunden haben oft noch keinen Seniorenzuschlag in ihren Verträgen stehen. Den gibt es laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erst seit 2012. Rechtlich gilt der Zuschlag als legitim. Das bestätigen unabhängig der Versicherungsombudsmann und die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Aus sachlichen Gründen darf nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) differenziert werden. Im Fall der Autoversicherung weisen alle Statistiken darauf hin, dass ältere Fahrer mehr Schäden verursachen als Fahrer mittleren Alters.


Die Unternehmensberatung Nafi aus Höxter hat die Prämien für einen 60- mit denen für einen 75-jährigen Autofahrer verglichen. Bei den meisten Kfz-Versicherern liegt der Alterszuschlag bei über 40 Prozent, bei einigen Angeboten sogar über 60 Prozent. So zahlt ein Autofahrer aus München mit einem Peugeot 3008 Hybrid4 2.0 HDI (120 kW/163PS) als 60-Jähriger bei der HDI Versicherung im Tarif Motor Plus mit Kasko-Service pro Jahr 639 Euro. Von einem 75-Jährigen kassiert der Versicherer hingegen 1014 Euro – 375 Euro oder fast 59 Prozent mehr.

Altersdiskriminierung eine Riegel vorschieben

 

Auf Kritik stoßen diese Zuschläge auch bei Verbraucherschützern. Stiftung Warentest nennt die Zuschläge "happig" und zweifelt teilweise an ihrer Berechtigung. Hanne Schweitzer aus Köln hat auf ihrer Webseite "Büro gegen Altersdiskriminierung" Beschwerden von wütenden Autofahrern gesammelt. Nach Meinung von Schweitzer nutzen die Assekuranzen das Lebensalter ungeniert als zusätzliche Einnahmequelle. Die "Abzocke" gehe wohl so lange weiter, bis diese Art der Altersdiskriminierung den Versicherern verboten würde.

Spartrick kommt aus der Branche

 

Angesichts des öffentlichen Streits um den Seniorenzuschlag hat die Branche nun selbst einen Spartrick verraten. "Wir haben festgestellt, dass ältere Fahrer Zuschläge oft vermeiden können, wenn sie in den Vertrag ihrer Kinder eingeschlossen werden", erläutert Marco Morawetz von der Kölnischen Rückversicherung. Früher hätten die Eltern ihre Kinder meist über den Zweitwagen ins Schadenfreiheits-Rabattsystem geholt – jetzt können sich die Kinder revanchieren. "Dafür müssen sie nicht einmal bei ihnen einziehen", betont Morawetz. Es mache bei den meisten Kfz-Versicherern kaum einen Prämienunterschied, wenn die Eltern nicht mit ihren Kindern in häuslicher Gemeinschaft leben würden.


ACE LENKRAD hat den Vorschlag gemeinsam mit der Unternehmensberatung Nafi durchgerechnet. "In der Praxis funktioniert das, wenn der Schadenfreiheitsrabatt der Eltern weitgehend auf die Kinder übertragen wird", erläutert Nafi-Geschäftsführerin Ivana Höltring. Zwar ist die Schadenfreiheitsklasse (SF-Klasse) grundsätzlich personengebunden, sie kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen von einer anderen Person übernommen werden. "Eine Übertragung ist möglich, wenn das Fahrzeug von dieser Person regelmäßig genutzt wurde und glaubhaft versichert wird, dass die Anrechnung der SF-Klasse gerechtfertigt ist", erläutert die HUK-Coburg.

Im Vertrag der Kinder "mitfahren"

 

In vielen Fällen muss der Versicherer wohl auf die Darstellung seiner Kunden vertrauen. Höltring: "In älteren Tarifen geht aus der Versicherungspolice der genaue Fahrerkreis nicht hervor." Dann können Kinder ohne Weiteres das Fahrzeug mitgenutzt haben – zumindest lässt sich das Gegenteil aus dem Altvertrag nicht beweisen. In der Musterrechnung, in der der Senior mittlerweile in SF-Klasse 36 angekommen ist, wurden somit für ein 50-jähriges "Kind" 32 schadenfreie Jahre übertragen. Der Vater fährt künftig als Mitversicherter im Vertrag seiner Kinder. Das hilft sparen. In einigen Fällen liegt der Vorteil bei über 30 Prozent (siehe untenstehende Tabelle).

Notfalls Versicherung wechseln

 

Doch der Spartrick klappt nicht bei allen Assekuranzen. In diesem Fall müssen Senioren daher den Versicherer wechseln. Nach Einschätzung von Höltring könnte es aber eine ganze Zeit dauern, bis auch der letzte Kfz-Versicherer seine Tarife neu justiert hat. Bis dahin können sich Senioren trickreich vom Alterszuschlag verabschieden – falls ihre Kinder ihren Vertrag mit ihnen teilen.  
ACE-Mitglied Bruchmüller hat übrigens einen anderen Weg gefunden. Ein lokaler Vertreter der WGV-Versicherung riet ihm, den Vollkaskoschutz in eine Teilkaskoversicherung umzuwandeln, denn sein aktuelles Fahrzeug ist schon zehn Jahre alt. Mit seiner Kfz-Haftpflicht und der Teilkasko, die Schutz gegen Diebstahl, Brand, Sturm, Überschwemmung, Hagel und Glasschäden bietet, ist Bruchmüller zufrieden. Er zahlt nun rund 500 Euro pro Jahr. Von seinem alten Versicherer, dem HDI, möchte der rüstige Senior nichts mehr wissen.


Weiterführende Informationen

Senioren-Zuschlag umfahren – Das können Sie sparen (PDF)

 

ACE-Info


Für Senioren gibt es Möglichkeiten, bei der Autoversicherung zu sparen:

  • Die Partner-Variante: Besser fährt man, wenn man das Fahrzeug auf den jüngeren Partner versichert – sofern es ihn gibt. Auch hier gilt: Der Partner muss das Auto bisher mitgenutzt haben. Prüfen sollte man, ob die Ersparnis gleich hoch ist, wenn Halter und Versicherungsnehmer nicht identisch sind. Andernfalls muss der Wagen umgemeldet werden.
  • Die Verkaufs-Variante: Wer als Senior viele Unfälle hatte, sollte das Fahrzeug verkaufen. Dann muss der Versicherer, weil es ja kein Risiko mehr gibt, die Prämie zeitanteilig zurückzahlen. Gleichzeitig kann der Senior das Fahrzeug eines Bekannten oder Verwandten fahren. Der könnte den Wagen kaufen und ihn als Zweitwagen zulassen. Natürlich muss der Versicherer über alle Fahrer informiert werden. Doch in der Regel gibt es eine günstige Einstufung, beispielsweise in die Schadenfreiheits-Klasse 4 (SF 4), wenn alle Fahrer über 24 Jahre alt sind und der Erstwagen besser als SF 1/2 eingestuft wurde.
  • Die Komplett-Ausstiegs-Variante: Viel Fingerspitzengefühl gehört dazu, den Partner oder seine Eltern zu motivieren, ganz auf das Autofahren zu verzichten. Sinnvoll ist das auf jeden Fall, wenn der Senior in der letzten Zeit eine Reihe von Unfällen verursacht hat. Glimpfliche Unfälle und ein Prämienschock könnten ein echtes Warnzeichen für Schlimmeres sein. Man kann dem Unfallfahrer auch vorrechnen, was ein Auto im Jahr an fixen Kosten verschlingt. Dafür dürfte so manche Taxifahrt möglich sein.