26.05.2017

BMW 218d Gran Tourer - Der Raumgleiter

Über 50.000 Kilometer begleitete uns der Kompaktvan vom Münchner Premiumhersteller. Er überzeugte mit agilem Fahrverhalten und einem durchdachten Raumkonzept.

Ein Minivan – und dazu mit Frontantrieb! Was bei BMW-Puristen noch zwei Jahre nach Markteinführung des Gran Tourer zu Schnappatmung führt, ist eigentlich ein mutiger Schritt der Münchner Autobauer. Denn kaum ein Premiumhersteller setzt sich mit dem Konzept Kompaktvan so konsequent auseinander. Und so mischt der in Regensburg gefertigte Van mit für BMW unüblichen Wettbewerbern wie Ford Grand C-Max, Opel Zafira Tourer und Renault Grand Scénic im Markt mit – zu einem deutlich höheren Preis.

BMW setzt die Messlatte hoch

Allerdings setzt der Münchner Hersteller die Messlatte nach oben, was Ausstattung und Sicherheit betrifft. Jede Menge elektronischer Helfer sind ohne Aufpreis an Bord: Anfahr- und Bremsassistent (DBC), Auffahrwarner, Stabilitäts- und Traktionskontrolle (DSC), Kurvenbremshilfe (CBC) sowie eine automatische Fahrlichtsteuerung. Auch beim Interieur finden sich Elemente aus der Premiumklasse: Armauflagen, ein hochauflösender Farbmonitor, Freisprechanlage, Lederlenkrad, Leichtmetallräder, Klimaanlage und ein SOS-Notrufservice sind im Serienumfang enthalten. Für mehr Sicherheit entlasten elektronische Helfer den Fahrer: Ob die Münchner in diesem Segment auch Ausdauer zeigen, ist fraglich. Gerüchten zufolge verkauft sich der Zweier-BMW als Gran Tourer nicht so wie erwartet und in der Münchner Konzernzentrale soll die Entscheidung gefallen sein, keinen Nachfolger mehr aufs Reißbrett zu zeichnen. So unken jedenfalls Insider und Medienberichte.

Der Gran Tourer ist ein bequemes Langstreckenfahrzeug

Als Dienstfahrzeug kam der Bajuware in unserer Redaktion jedoch prächtig an. Gut, an durchdrehende Vorderräder bei einem BMW muss man sich erst gewöhnen; aber alle Kollegen, denen ein größeres Fahrpensum bevorstand, griffen bevorzugt nach dem Zündschlüssel mit dem BMW-Emblem. Genau 50.528 Kilometer summierten sich nach einem Jahr auf dem Zählerstand, die Touren führten kreuz und quer durch Europa. Und dabei bewies der Gran Tourer tatsächlich, was sein Name schon ankündigt: Er ist ein großartiges Langstreckenfahrzeug, ein bequemes Gefährt für Mitreisende und ein exzellentes Frachtschiff.

Der Fahrspass kommt nicht zu kurz

Unser Reisebegleiter verdiente sich Respekt wegen seiner ausgereiften Technik, seinen genügsamen Trinksitten und seiner Zuverlässigkeit. Werkstattbesuche? Ja, aber nur zu den Wartungsintervallen bei 25.000 Kilometern (Erstinspektion: 322 Euro). Kinderkrankheiten? Am Anfang nervte der Bajuware ein wenig, weil häufig nach dem Abstellen die Alarmanlage loshupte. Ein Symptom, das allerdings nach dem ersten Serviceintervall komplett verschwunden ist.

Möglicherweise mag unser roter Dauerläufer den Stillstand nicht. In der Tat: Es macht vor allem Spaß, ihn zu fahren. Denn in diesem Raumgleiter steckt die DNA von BMW. Der 150 PS starke Zweiliter-Dieselmotor im 218d bringt bei einer enormen Laufruhe genügend Drehmoment für die rund 1,5 Tonnen schwere Karosserie auf, die Automatik (Aufpreis: 2100 Euro) übersetzt diese Kraft sanft durch niedrige Gangabstände in acht Stufen für Insassen kaum wahrnehmbar auf die Vorderachse. Und die elektromechanische Lenkung ist direkt, jeder Lenkeinschlag überträgt sich präzise auf die Vorderräder. Typisch BMW ist der Fahrerlebnisschalter, über den der Fahrer Antrieb und Fahrwerk nach seinen Vorlieben abstimmen kann: spritsparend (ECO PRO), sportlich oder komfortabel. Egal in welchem Modus – das Fahrwerk erfreut insbesondere dynamische Fahrer, selbst in der Komforteinstellung ist es straff. Bodenwellen sind auch für weniger sensible Popometer spürbar. Die vielfach einstellbaren Sportsitze (Aufpreis: 490 Euro) hingegen sind absolut langstreckentauglich, Klimatisierung und Gebläse sind ohne jeden Tadel. Beschlagene Scheiben im Winter waren auf den ersten hunderten Metern wieder klar, angenehmes Raumklima nach wenigen Kilometern erreicht.

Der Sicherheitsgurt ist in der Höhe nicht zu verstellen

Störend indes empfanden mehrere Tester den Verlauf des nicht höhenverstellbaren Gurtes. Je nach Körpermaß führt das Textil zu nah an den Halsbereich und beginnt bei langen Fahrten zu scheuern. Bescheuert, dass BMW gerade hier den Sparstift ansetzt, angesichts des durchaus beeindruckenden Eurobetrags, zu dem der Händler bereit ist, Geld gegen Fahrzeug zu tauschen. Und wenn wir gerade am Mäkeln sind: Obwohl vom Fahrersitz aus die Übersicht auf den Verkehr im Großen und Ganzen lobenswert ist, trifft das nicht auf die Gestaltung der A-Säule mit dem kleinen Zusatzfenster zu. Wer an eine Kreuzung fährt oder in einen Kreisverkehr einmünden will, übersieht schon mal von links kommende Fahrzeuge, weil diese in diesem konstruierten Bermuda-Dreieck abtauchen.

Ansonsten? Alles gut! Der Wagen sieht nach einem Jahr Dauerbeanspruchung noch so frisch aus wie am ersten Tag. Die Lederpolster wirken nicht abgenutzt, selbst Schaltgriff und der Armaturenbereich zeigen keinerlei Gebrauchsspuren, wie oft üblich. Das spricht für eine hohe Qualität der Materialien, wenngleich das Interieur schlicht und sachlich wirkt.

Das flexible Raumkonzept ist ideal für Familien

Aber werfen wir doch einen Blick auf die Alltagstauglichkeit als Familienauto. Das ist schließlich der Anspruch dieses Fahrzeugs. Die Karosserie – und das ist eigentlich Van-typisch, kommt von außen eher unscheinbar daher. Aber für Familienmenschen ist das Innenleben wichtiger als die Fassade. Sie suchen ein flexibles Raumkonzept, eine Rückbank, auf der sich drei Kindersitze befestigen lassen, und eine Karosserie, die möglichst viel Sicherheit und Komfort bietet. Und da zeigt der Bayer seine Stärken, er wartet mit pfiffigen Details auf: zum Beispiel mit einem Frachtraum, der mit umgeklappten Rücksitzlehnen eine gehörige Portion Gepäck schluckt. Hinter der großen Heckklappe ist Platz für Kinderwagen und Co. Ist dabei das Abdeckrollo hinderlich, verschwindet es im Ladeboden, der sich über eine Länge von 1,80 Meter erstreckt. Zu wenig für Ikea-Schrauber? Optional ist der Beifahrersitz (150 Euro, nicht möglich bei Sportsitzen) klappbar, und selbst 2,40 Meter lange Regalbretter sind an Bord dann zu verstauen.

Die Rückbank des BMW kann nach hinten verschoben werden

Weniger Gepäck bringt mehr Komfort für die Hinterbänkler: Dann darf die Rückbank um bis zu 13 Zentimeter nach hinten wandern. Auch Sitzriesen freuen sich über ausreichend Beinfreiheit, und damit es richtig bequem ist, lässt sich die Lehne in vier Positionen einstellen. Selbst groß geratene Kollegen steuerten, ohne aufzumucken, die hinteren Seitentüren an. Apropos Türen: Da möchten wir das Erlebnis der Gattin eines Kollegen nicht unterschlagen. Sie holte sich eine blutige Lippe, weil sie den Verlauf des nach oben spitz werdenden Türrahmens falsch einschätzte. Und sie war nicht die Einzige, die diese unsanfte Erfahrung machte.

Optional gibt es eine dritte Sitzreihe

Doch kommen wir zurück zur Familienfreundlichkeit – wer mit Kinderreichtum gesegnet ist, dem kann versichert werden: Es passen tatsächlich drei Kindersitze in Reihe zwei, doch das Kind in der Mitte wird über sein Los nicht glücklich sein, denn der sichernde Gurt kommt vom Dachhimmel herab und stört allenthalben. Sinnvoller scheint in diesem Fall eine dritte Sitzreihe zu sein, die BMW optional (790 Euro) für dieses Modell anbietet. Die liegt versenkt im Kofferraumboden und ist mit einem Handgriff herauszuklappen. Allerdings geht es schon beim Einsteigen eng zu in Reihe drei, obendrein sind die beiden schmalen Sitze so tief am Boden platziert, dass pubertierende Teenager das Kinn auf den Knien aufstützen. Kleinere Zöglinge indessen sind auch dort mit Kindersitzen sicher untergebracht, wobei das Montieren derselben höchste Körperbeherrschung erfordert. Und noch einen Punkt gilt es zu bedenken: Wer zwei Zusatzsitze bestellt, verzichtet auf 80 Liter Kofferraumvolumen, die sonst der Unterraumboden parat hält. Dafür können aber Omi und Opi die Sonntagsausflüge begleiten

Viele Ablagen und Abstellmöglichkeiten

Was muss ein Familienauto sonst noch so draufhaben? Natürlich Ablagen ohne Ende und Anschlüsse für Spielekonsolen. Dafür ist überall gesorgt. In die Türverkleidungen passen 1,5-l-Trinkflaschen wie maßgeschneidert, die Armablage im Fond offeriert Abstellmöglichkeiten für Getränkedosen. Ganz wichtig: Eine 12-Volt-Steckdose zum Aufladen von Handys oder Gameboys ist vom Rücksitz aus zugänglich. Der Nachwuchs thront zufrieden und genießt dank erhöhter Positionierung der Polster und großer Seitenfenster eine tolle Aussicht und leidet weniger unter Übelkeit. Sind glückliche Kindermienen nicht ein Indiz für ein gelungenes Familienauto?

Fazit: Der Gran Tourer ist erste Wahl für Eltern und BMW-Liebhaber, die ein flexibles Raumkonzept benötigen, das aber nicht auf Kosten von Dynamik und Fahrfreude. Der Kompaktvan ist tonangebend in puncto Sicherheit, ein Kriterium, auf das Familienoberhäupter sehr großen Wert legen. Allerdings hat das auch seinen Preis.

Das sagt BMW zu ...
... den Spekulationen, die Modellreihe werde nicht fortgeführt und weiteren Kritikpunkten der ACE LENKRAD-Leser am BMW Gran Tourer.

Der Gran Tourer im Leserurteil
Das Fazit der Leserzuschriften: "Ein Modell, das zu meinem Leben passt"

Technische Daten BMW 218d Gran Tourer

Hubraum cm3

1995

Zylinder/Schadstoffklasse

4/Euro 6

Leistung kW(PS)/min-1

110/150/4000

max. Drehm. Nm/min-1

330/1750

max. Geschwindigkeit km/h

207

0 bis 100 km/h s

9,3

Karosserie

Kompaktvan

Länge/Breite/Höhe mm

4556/1800/1608

Radstand mm

2780

Spurweite vorne/hinten mm

1561/1562

Leergewicht kg

1480

Zuladung kg

600

Anhängelast ung./gebr. kg

750/1500

Dachlast kg

75

Stützlast kg

75

Kofferraum (VDA) l

560-1820

Reifendimension

205/60 R 16

Tankinhalt/Reichweite l/km

51/1133

Verbrauch

Verbrauch EG-Mix l/100 km

4,5 D

ACE-Testverbr. Min l/100 km

5,5 D

ACE-Testverbr. Max. l/100 km

8,2 D

ACE-Testverbr. Schnitt l/100 km

6,7 D

ACE-Verbr. Referenzstr. l/100 km

5,7 D

Kohlendioxid-Ausstoß g/km

119

Preise/Unterhalt

Kfz-Steuer in Euro

238

Typklassen HK/VK/TK?

17/21/24

Haftpflichtversicherung* in Euro

631,75

Vollkaskoversicherung* in Euro

1106,70

Basispreis in Euro

32.850

Testwagenpreis in Euro

52.340

Schätzpreisin Euro nach 50.193 km

29.400

*SF-Klasse 1, TK 150 Euro Selbstbeteiligung, VK 500 Euro SB, 15.000 km p.a., Region Stuttgart, Beträge sind Durchschnittswerte der zehn günstigsten Anbieter.