"Made in Korea" druckt Ssangyong stolz auf die Prospekte – und schmückt sich dabei eigentlich mit fremden Federn. Denn es waren vor allem die Marken Hyundai und Kia, die den Automobilen aus Korea einen zunehmend guten Ruf erarbeitet haben. Die wechselhafte Geschichte von Ssangyong mit verschiedenen Anteilseignern, zeitweiligen Liquiditätsproblemen und sogenanntem "Badge-Engineering", also Mercedes-Nachbauten, die dann unter dem Markennamen Daewoo verkauft wurden, war bisher wenig geeignet um "Made in Korea" zu einem Gütesiegel auszubauen. Seit Februar 2011 ist der mächtige und finanzstarke Mahindra Mehrheitseigner von Ssang Yong und der Konzern somit genau genommen sogar in indischer Hand.
Preis
Das hat offensichtlich gut getan, denn die aktuelle Modellpalette aus Korando, Rexton, Rodius, Actyon zeigt sich zeitgemäß aufgestellt. Am meisten beeindruckt jedoch das jüngste Mitglied der Familie, der Tivoli. Mit 4,2 Meter Länge fällt dieser in die Klasse der kleinen SUV a la Opel Mokka (4,28m) oder Dacia Duster (4,32 m). Der Tivoli ist mit zwei Motoren, einem Diesel mit 115 PS bzw. einem Benziner mit 128 PS zu haben, die entweder nur die vorderen, oder aber alle vier Räder antreiben. Danach richtet sich natürlich auch der Preis: Der günstigste Tivoli mit Benziner und Zweiradantrieb kostet 15.490 Euro und sortiert sich damit zwischen Dacia Duster (ab 10.690 Euro) und Opel Mokka X (ab 18.990 Euro) ein. Der Allradantrieb kostet quer durch alle Varianten 2000 Euro mehr, ebenso viel ist für eine Automatik anzulegen. Der Diesel verlangt um die 2500 Euro extra. So groß sind in etwa auch die Sprünge zwischen den Ausstattungslinien Crystal, Quartz und Sappphire. Die teuerste Variante ist demnach ein 4WD-Diesel mit Automatik und Sapphire-Ausstattung für 28.990 Euro.
Ausstattung
Der Testwagen, ein Diesel mit Vierradantrieb, Handschaltung und Sapphire Ausstattung kostet 26.990 Euro, als Option gab SsangYong noch das Navigationspaket für 600 Euro hinzu. Beheizte und belüftete Ledersitze, eine Lenkradheizung, der 7 Zoll-Touchscreen – das alles verleiht der Topausstattung einen erwachsenen Eindruck. In den Assistenzsystemen klaffen jedoch größere Lücken. Eine städtische-Notbremsfunktion, ein Abstands- oder Totwinkelwarner sind nicht für Geld oder Worte zu haben. Hervorzuheben ist allenfalls der Knieairbag auf der Fahrerseite. Gefallen können die vielen Ablagemöglichkeiten, leider sind sie ein wenig zu rutschig um wirklich sinnvoll genutzt zu werden. Ein kleiner Nachteil ist auch die fehlende Längsverstellung der Lenksäule. Auch mit der Höhenverstellung lässt sich zwar ein bequeme Position einrichten, wer aber so viele Luxusextras bietet, sollte an dieser Verstellmöglichkeit in Längsrichtung nicht sparen.
Motor
Der nominell 115 PS starke Diesel bringt den Tivoli gut in Schwung, läuft leise und reicht als Motorisierung vollkommen aus. Das war von der Papierform her nicht unbedingt zu erwarten, als Leergewicht stehen immerhin immerhin 1530 Kilo im Schein. Auch der Allradantrieb drückt mit seiner zusätzlichen Reibung normalerweise auf das Temperament. Wer nun glaubt mit vier angetriebenen Rädern gebe es kein Quietschen beim flotten Anfahren, sieht sich im Falle des Tivoli getäuscht: Die mit einem M&S Schriftzug versehene, SUV-typische Bereifung ringt unter den Drehmoment-Attacken des Diesel an der Vorderachse durchaus für einen Moment um Traktion und Seitenführung. Erst dann treten auch die Hinterräder als treibende Kraft in Aktion. Und wenn wir schon dabei sind: Der erste Gang hakelt ein wenig und der Antriebsstrang macht im Testwagen mit Geräuschen vom leisen "Klong" beim Lastwechsel bis zum vernehmlichen Heulen bei bestimmten Geschwindigkeiten deutlich auf sich aufmerksam.
Verbrauch
Gespannt waren wir auf den Verbrauch, zumal nach 200 Kilometern Fahrt noch kein einziger von acht Teilstrichen an der Tankuhr verabschiedet hatte. Das liegt jedoch nicht an einem besonders geringen Verbrauch, sondern an der wiederborstigen Tankuhr, deren Stand dafür auf den nächsten 200 Kilometern umso schneller fällt. Unter dem Strich stehen 6,5 Liter Diesel als Testverbrauch im Protokoll. Ohne den vielen Stau in und um Stuttgart und mit einer Start-Stopp-Automatik ausgerüstet, wäre es garantiert etwas weniger. Die gibt es gegen Aufpreis von 300 Euro. Aber nur für den Diesel mit Schaltgetriebe in der Top-Ausführung Sapphire. Warum die günstigeren Ausstattungsvarianten an der roten Ampel nicht sparen dürfen, ist ein wenig unverständlich.
Verarbeitung
Ähnlich realitätsfern agiert auch die Klimaautomatik: 26 Grad erwies sich als angenehme Temperatur, darunter blies im Testwagen nur eiskalter Wind aus den Lüftungsschlitzen – und das mit Macht! Ob diese Ungenauigkeiten nur ein Einzelfall sind oder nicht: Anscheinend passen Anspruch und Wirklichkeit bei Ssang Yong doch noch nicht richtig zusammen. Ein schönes Beispiel dafür ist auch, dass der Bordcomputer nur Englisch kann oder das Navi keine Verkehrsmeldungen berücksichtigt. Zumindest war im Menü keine Einstellung dafür zu finden.
Fahrwerk
Ansonsten ist die Fahrt im Tivoli fahrwerksseitig durchaus angenehm. Die dreifache Verstellmöglichkeit der Lenkunterstützung per Tastendruck (Sport-Normal-Comfort) könnte man sich allerdings durchaus sparen. Die Lenkung ist ohnehin nicht sonderlich zielgenau – was zum guten Teil auch an der schwammigen Kompromiss-Bereifung liegt – das Fahrwerk selbst federt jedoch größere Unebenheiten gut ab. Je schneller und je größer umso besser, bei Stadtverkehrstempo ist ab und an ein kleines Stolpern drin.
Fazit
Der sehr günstige Einstiegspreis für das Basismodell und fünf Jahre Garantie sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ssang Yong auch mit dem Tivoli den Anschluss noch nicht ganz geschafft hat. Moderne Fahrassistenzsysteme sind derzeit noch nicht verfügbar, dafür ein beheiztes Lenkrad und belüftete Sitze. Diese Luxusextras treiben den Preis allerdings kräftig nach oben, das Topmodell erreicht mit den verfügbaren Extras die 30.000 Euro Grenze. Das ist durchaus viel Geld für ein etwas über vier Meter langes Auto mit 115 PS. Wem der Tivoli zu klein ist erhält bei Ssang Yong neuerdings auch den 4,44 Meter langen XLV – der bis zur C-Säule mit dem Tivoli identisch ist, aber einen deutlich größeren Kofferraum bietet.