Gentlemen, start your engines – Reisemobilbesitzer fiebern in diesem Jahr dem offiziellen Aufruf zum Start entgegen wie die Fahrer des legendären Rennens Indianapolis 500. Jetzt geht’s los. Oder doch nicht? Auch wenn die Wohnmobile schon im Februar bei Vorfrühlingstemperaturen ungeduldig mit den Antriebsrädern gescharrt haben und es ihren Eignern in den Fingern kribbelte: Bei Redaktionsschluss war noch nicht klar, wann die Reisesaison mit dem rollenden Ferienheim beginnen kann. Und wohin die Touren führen dürfen.
An fällige Hauptuntersuchung oder Inspektion denken
Vor dem Reisestart gilt es, die rollende Ferienwohnung frühjahrsfit zu machen. Ist nach der zwangsläufig verlängerten Winterpause eine Hauptuntersuchung fällig? Die generell vorgeschriebene Gasprüfung ist zurzeit ausgesetzt. Die Redaktion rät trotzdem dazu, denn Sicherheit geht vor. Und ist ein Servicetermin fällig, ein Dichtigkeitstest? Dann wird’s Zeit, denn im Frühjahr sind Termine knapp.
Vor dem Start Fahrzeug und Aufbautechnik überprüfen
Doch Halt, zum Start gehört noch mehr. Bei der ersten Runde den Stand von Motoröl, Kühlwasser und Scheibenwaschanlage kontrollieren. Und unbedingt den Luftdruck der Reifen prüfen. Wenn vor längeren Standzeiten der Druck nicht erhöht wurde, kann’s einen Standplatten geben, die Reifen laufen nicht rund. Das gibt sich nach einigen Kilometern mit warm gefahrenen Reifen. Bei älteren Semestern nach dem Alter der Reifen schauen. Egal wie tief das Profil ist, nach etwa acht Jahren ist ein Wechsel fällig. Das Produktionsdatum, die DOT-Nummer, steht verschlüsselt in einem Oval auf der Flanke. 2916 bedeutet zum Beispiel, dass der Reifen in der 29. Kalenderwoche 2016 produziert wurde. Ebenso alle Funktionen der Einrichtung überprüfen, etwa Kühlschrank, Kocher und Heizung. Die Wasseranlage nicht vergessen – am besten den Frischwassertank desinfizieren und dann die Anlage gut durchspülen. Passende Mittel gibt es im Fachhandel.
Einmal Hausputz außen und innen
Eine Grundreinigung außen ist ebenfalls fällig, das spült die Reste vom Saharastaub davon, das Laub vom Dach und allen anderen Schmutz. Vorsicht bei Acrylglasfenstern, ihre Oberfläche ist empfindlich. Die Fenster daher schon beim Schrubben der Reisemobilwände auslassen. Klassische Hartglas-Reiniger enthalten Lösemittel, die Acrylglas angreifen. Trockenes Abwischen wiederum führt zu Kratzern.
Sanfte Reinigung von Acrylglasfenstern
So geht’s: Erst mit viel Wasser den Staub und Schmutz entfernen, dann bei Bedarf einen weichen Lappen oder Schwamm und Acrylglasreiniger aus dem Fachhandel verwenden. Praktiker schwören auch auf Zugabe von Neutralseife oder einem Spritzer Spülmittel (Inhaltsstoffe beachten) im Waschwasser. Eine nachträgliche Versiegelung lässt Wasser besser ablaufen. Ältere Fenster bekommen bei vorsichtiger Behandlung mit speziellen Poliermitteln wieder Durchblick.
Auch Dichtungen und Scharniere brauchen Pflege
Nach Monaten der Standzeit vertragen die Dichtungen des Aufbaus etwas Gummipflege und die Tür- und Klappenscharniere einen Tropfen Öl. Drinnen vertreibt kräftiges Durchlüften den feuchten Wintermief, alle Klappen öffnen, die Kühlschranktür nicht vergessen und die Polster hochstellen. Ebenso geht’s mit von der Windschutzscheibe bis zum Schlafabteil im Heck mit dem Lappen zur Sache.
Zu viel Ladegut dabei? Die Fahrt über die Waage gibt die Antwort
Und dann geht’s los zur ersten Tour? Bitte zuvor ans Gewicht denken. Haben Sie Ihr Reisemobil schon mal gewogen? Das empfiehlt sich nicht nur für große Dampfer, die urlaubsfertig sichtbar hart an der 3,5-Tonnen-Grenze entlangschrammen. Auch so mancher Besitzer von Campingbussen dieser Gewichtsklasse kann dabei Überraschungen erleben.
So wiegen Sie richtig
Fahrzeugwaagen gibt es bei TÜV oder Dekra, an Kieswerken oder beim Entsorger. Ordnungsämter kennen offizielle Adressen, Internet-Suchmaschinen helfen ebenfalls. Einfach den Begriff Fahrzeugwaage und den Ort eingeben. Beide Achsen separat wiegen, denn nicht nur die zulässige Gesamtmasse, auch die Achslasten sind begrenzt. Und dann mit den Maximalangaben in den Papieren vergleichen.
Das bedeuten die Angaben im Fahrzeugschein
Die entsprechenden Maximalangaben stehen in der Zulassungsbescheinigung Teil 1 (früher Fahrzeugschein genannt). Weil die Erläuterungen so winzig geschrieben sind, hier die wesentlichen Angaben zum Gewicht:
- G: Leermasse des Fahrzeugs,
- F.1: zulässige Gesamtmasse,
- 7.1/7.2: zulässige Achslast vorn/hinten.
Beim Thema Gewicht bitte auch an die Grundregeln denken, das gilt vor allem für die vielen Neulinge unter den Reisemobilbesitzern. Falls Sohn, Tochter oder jemand anders ans Steuer dürfen: Der Führerschein Klasse B gilt nur bis 3,5 Tonnen Gesamtmasse, Finger weg vom Schlüssel schwerer Reisemobile.
Tipps zum "Abspecken"
Keine Bange, Sie sind nicht auf der falschen Seite gelandet. Trotzdem: Die ACE-Diät lohnt sich. Viele Reisemobile haben Speck auf den Rippen. Das beginnt beim Neukauf und geht bei der Nachrüstung weiter. Ein typisches Reisemobil mit Einzelbetten im Heck kommt auf rund sieben Meter Länge und etwa drei Tonnen Gewicht. Zurückhaltend ausgestattet. Und nach Vorschrift gewogen, nach Norm EN 1646-2, mit 90 Prozent gefülltem Dieseltank, vollem Frischwasserbehälter, mit Gas. Enthalten sind sogar 75 Kilo für den Fahrer. Kein Problem bei 3,5 Tonnen Gesamtgewicht? Von wegen. Was Sie beim Beladen Ihres Wohnmobils beachten sollten, haben wir auch in unserer Infografik "Ein Wohnmobil ist schnell überladen" zusammengefasst.
Herstellerangaben sind nicht realistisch
Vorsicht: Viele Hersteller geben beim Frischwasser eine Fahrstellung mit wenigen Litern an, rechnen nur eine einzige Gasflasche aus leichtem Aluminium ein. Und welcher Fahrer ist drahtig wie der Norm-Mann? 100 Liter Wasser, zwei stählerne Gasflaschen, stämmiger Steuermann – macht weit mehr als 100 Kilo zusätzlich.
Zubehör und Gepäck haben ihr Gewicht
Satellitenanlage, Solaranlage und Markise nachgerüstet? Weitere 100 Kilo. Dazu zwei E-Bikes, eine Kiste vom Lieblingsbier, zur Vorsicht Reserverad statt Pannenset – die nächsten 100 Kilo sind an Bord. Aber noch nicht die beste aller Beifahrerinnen, Küchenvorräte, Geschirr, Bett- und Waschzeug, Laptop und Urlaubslektüre, Sport- und Spielgeräte oder auch nur Wäsche zum Wechseln. Für Paare wird’s also knapp, für Familien sowieso. Zwei Kinder, Räder für die Kleinen, eine Spielzeugkiste?
Die Ladung aufs Nötigste beschränken
Die Lösung heißt: Abspecken. Muss es beim Kauf der große Kühlschrank sein, die separate Duschkabine? Wer Campingplätze aufsucht, benötigt auf Tour keinen vollen Frischwassertank. Für Sommerurlaub reicht eine statt zwei Gasflaschen. Besteht sie aus Aluminium, halbiert sich das Gewicht, auch der Rücken wird’s beim Wechsel danken. Raus mit dem Lebensmittelvorrat, probieren Sie landestypische Lebensmittel.
Das droht bei Überladung
Achtung Übergewicht: In Deutschland sind die Strafen recht mild. Im Ausland ist das anders, kennen Polizisten meist kein Pardon. Das heißt dreistelliges Bußgeld, im Zweifelsfall ausladen. Eines ist zum Glück kein Problem: Wenn Klasse-B-Besitzer einen überladenen 3,5-Tonner lenken, gilt es nicht als Fahren ohne Führerschein. Übergewicht ist kein Kavaliersdelikt: Die Technik wird mehr beansprucht, der Kraftstoffverbrauch steigt. Bei zu viel Speck, droht Menschen der Herzinfarkt, Reisemobilen überlastete Bremsen und Reifen, wenn deren Tragfähigkeit überschritten wird und womöglich der Reifendruck zu niedrig ist. Dann doch besser Diät einlegen. Mehr Infos finden Sie auf unseren Ratgeberseiten rund um das Thema Wohnmobil.
Schweres Gepäck nach unten, Leichtgewichte nach oben
Geht es ans Packen, bitte ebenfalls ein paar Grundregeln beachten. Schweres gehört nach unten, leichtes Gepäck nach oben. Und alles gut sichern und wenn nötig polstern, es wäre doch schade ums Geschirr. Türen und Klappen sorgfältig verriegeln, damit alles dort bleibt, wo es hingehört und auch die Möbel in der ersten Kurve keinen Schaden nehmen. Auch an den Inhalt des Kühlschranks und dessen Tür denken. Offene Ablagen vor Fahrtbeginn leeren. Erfahrene Reisemobilisten halten Zuhause fertig gepackte Faltkisten vor, dann werden Korkenzieher oder Feuerzeug für manche Kocher nicht vergessen.
Ladung immer gut sichern
Die heute weit verbreiteten Heckgaragen sind verführerisch groß. Doch auch hier gilt: Alles Gepäck gut sichern. Falls nicht vorhanden: Der Fachhandel bietet Zurrsysteme und sogar ganze Regalsysteme für diese riesigen Stauräume an. Vorsicht: Schwere Teile in der Heckgarage belasten durch ihre Hebelwirkung die Hinterachse und entlasten die Vorderachse. Das kann sich ungünstig auf Fahrverhalten, die Traktion bei Fronttrieblern und die zulässigen Achslasten auswirken.
Verkehrsregeln für Wohnmobile im In- und Ausland
Bis 3,5 Tonnen zulässiger Gesamtmasse sind Reisemobile in Deutschland verkehrsrechtlich Pkw gleichgestellt, das bedeutet zum Beispiel freie Fahrt auf der Autobahn. Drüber gelten die Regeln für entsprechende Lkw. Eine Ausnahme: Reisemobile über 3,5 bis 7,49 Tonnen zulässiger Gesamtmasse dürfen auf deutschen Autobahnen Tempo 100 fahren. Doch Vorsicht: Sie fallen, sofern nicht anders beschildert, trotzdem unter das allgemeine Überholverbot für die schweren Brocken. Und im Ausland kann alles ganz anders aussehen – die ACE-Reiseinfos helfen weiter.
In Frankreich warnt ein Aufkleber vor dem Toten Winkel
In Frankreich zum Beispiel benötigen alle Fahrzeuge über 3,5 Tonnen – also auch Reisemobile – seit Jahresanfang einen speziellen Aufkleber. Er warnt Fußgänger und vor allem Radfahrer vor dem „toten Winkel“ („Angles Morts“) des Fahrzeugs. Die Vorschrift gilt auch für ausländische Fahrzeuge. Die Aufkleber gibt es an Grenztankstellen und im Onlinehandel. Fehlen die Aufkleber, droht ein dreistelliges Bußgeld.
In Italien und Spanien ist ein Warnschild für überstehende Ladung vorgeschrieben
Teuer kann’s auch werden, fehlt in Italien oder Spanien das vorgeschriebene Warnschild für überstehende Ladung. Dazu zählt bereits ein unbeladender Fahrradträger am Heck oder ein Surfbrett auf dem Dach, das über die hintere Stoßstange reicht. Italien verlangt eine rot-weiß schraffierte reflektierende Tafel aus Metall im Format 50 x 50 Zentimeter mit Prüfzeichen. Spanien ebenfalls – jedoch mit etwas breiterer Schraffur. Der Zubehörhandel ist findig, dort gibt es Wendeschilder, die jeweils umgedreht werden.
Unterwegs die Abmessungen nicht vergessen
Unterwegs vor allem bei der ersten Fahrt in den Urlaub oder nach längerer Pause sachte eingewöhnen. Die größeren Abmessungen nicht vergessen, Kurven langsamer angehen, auch an längere Bremswege im Vergleich zum Pkw denken. Wer gelassen unterwegs ist, die Vorteile der hohen Sitzposition genießt, rechtzeitig startet und bewusst reizvolle Umwege zum Ziel wählt, der macht alles richtig. Wann und wohin es auch immer in diesem Urlaubsjahr geht.
Beim Reiseziel flexibel sein
Es wird dieses Jahr wieder eng auf den Stell- und Campingplätzen. Weil so viele Reisemobile zugelassen sind wie noch nie. Und wegen der verflixten Corona-Pandemie. Klar ist: Bei keinem anderen Urlaub lassen sich unnötige Kontakte so einfach vermeiden wie mit dem Wohnmobil. Man ist im eigenen rollenden Heim unterwegs, kann Distanz halten. Und die meist reifen Besitzer sind bei der Corona-Impfung vornedran. Klar ist ebenfalls: Fahrten ins Ausland werden wegen der Pandemie auch in diesem Jahr ein Nervenkitzel. Also bleiben viele Urlauber in Deutschland.
Dem Trubel ausweichen und Neues entdecken
Das bedeutet Hochkonjunktur für die beliebten Stell- und Campingplätze an der See und in den Bergen – in der ersten Reihe am Meer wollen alle stehen. Tipp der Redaktion: Statt überlaufene A-Lagen anzupeilen lieber nach Zielen in B-Lagen Ausschau halten. Da gibt’s manch schöne Entdeckung – und vor allem viel weniger Gedränge. Deutschland hat fast 360.000 Quadratkilometer Fläche und an die 3000 Orte zwischen 5000 und 50 000 Einwohner – alles schon gesehen?