BIDIREKTIONALES LADEN

So funktioniert das Elektroauto als Stromspeicher

Revolution des Strommarktes?

E-Mobilität, Versorgungsicherheit, regenerative Energien: Die Verfügbarkeit von Strom und Energie erschienen lange Zeit selbstverständlich und sind heute heiß diskutiert. Rund um E-Autos taucht dabei immer wieder der Begriff „Bidirektionales Laden“ auf. Wir erklären, was dahintersteckt – und warum das Konzept das Potential hat, den gesamten Strommarkt zu revolutionieren und damit auch die Energiewende zu ermöglichen.

E-Autos mit bidirektionalem Laden

Hier haben wir Ihnen ein paar E-Autos zusammengestellt, die bereits heute für das bidirektionale Laden vorbereitet sind.

© Westend61 / Joseffson

Was ist bidirektionales Laden?

Bidirektional bedeutet, etwas in beide Richtungen zu ermöglichen. Im Falle eines E-Auto heißt das, dass der Strom nicht nur ins Auto fließt, sondern sich auch direkt verwenden lässt sowie aus dem Auto in den Haushalt oder ins Stromnetz fließen kann.

In dieser Funktion als Energiequelle kann das E-Auto auch bei der Energiewende eine entscheidende Rolle spielen: Da regenerative Energien z. B. aus Windkraft oder Sonne nicht bei jedem Wetter oder zu jeder Tageszeit ausreichend verfügbar sind, braucht es Energiespeicher. Diese können dann gefüllt werden, wenn die Sonne scheint oder der Wind stark weht, der Strom aber nicht gleich vollständig verbraucht werden kann.

Eine Lösung ist die Speicherung der überschüssigen Energie in den dezentralen Batterien von E-Autos: Die Akkus in E-Autos können den Strom, der sonst verloren wäre, zwischenspeichern. Der gespeicherte Strom lässt sich dann nicht nur zum Fahren, sondern auch für den Haushalt oder für das öffentliche Netz nutzen.

So funktioniert bidirektionales Laden

Strom in beide Richtungen: Ein E-Auto mit bidirektionaler Ladetechnik kann Strom nicht nur selbst laden, sondern auch abgeben. Dieser Strom lässt sich dann direkt für den Haushalt verwenden, ins öffentliche Netz einspeisen oder zum Aufladen von elektrischen Geräten nutzen.

Vorteile bidirektionaler Ladefähigkeit

  • Der Strom lässt sich speichern und ist auch dann verfügbar, wenn gerade kein Wind weht oder keine Sonne scheint.
  • Wird der Strom selbst mit einer eigenen Photovoltaikanlage erzeugt, ist er meist günstiger als der Strom aus dem öffentlichen Netz.
  • Wird der Strom nicht selbst gebraucht, kann er künftig ins öffentliche Netz eingespeist werden – der Besitzer eines E-Autos hat eine zusätzliche Einnahmequelle.
  • Je mehr E-Autos als dezentrale Stromspeicher dienen, desto höher ist die Versorgungssicherheit des gesamten Stromnetzes.
  • Der Strom aus E-Autos kann über mehrere Tage dazu beitragen, die eigene Stromversorgung sicherzustellen. Hierfür wäre allerdings eine spezielle elektrische Hausinstallation notwendig.

So weit so gut – allerdings ist das bidirektionale Laden momentan noch kaum verbreitet, und das hat sehr konkrete Gründe. Noch scheitert eine flächendeckende und damit auch energiepolitisch relevante Anwendung des bidirektionalen Ladens an verschiedenen Regularien und technologischen Hürden sowie am momentan noch zu hohen Preis für die speziellen Wallboxen.

Die gute Nachricht: Es wird sowohl von Seiten der Industrie wie auch von der Politik viel dafür getan, diese Hürden zu überwinden. So hat z.B. das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Sommer 2022 für die Forschung und Entwicklung der E-Mobilität 80 Millionen Euro bereitgestellt und das bidirektionale Laden als Schwerpunkt definiert.

Voraussetzungen zum bidirektionalen Laden

Grundsätzlich sind zwei Dinge für das bidirektionale Laden notwendig.

  • Eine spezielle Wallbox mit einem Wandler der aus dem Gleichstrom im E-Auto Wechselstrom für den Haushalt oder das öffentliche Netz macht.
  • Ein E-Auto, das technisch in der Lage ist, den Strom auch abzugeben und nicht nur aufzunehmen.

Modelle mit CHAdeMO-Ladebuchse sind in der Regel bidirektional, können also auch Strom abgeben. In Europa konnte sich CHAdeMo aber nicht durchsetzen und ist somit ein Auslaufmodell. In Deutschland und Europa üblich ist das Typ 2- und CCS-Combo-Stecker-System.Einzelne Modelle sind bereits heute für bidirektionales laden vorbereitet.

Kosten einer Wallbox

Stand Anfang 2023 ist die Auswahl an bidirektionalen Wallboxen sehr gering. Und wenn, dann sind sie im Vergleich zu herkömmlichen Wallboxen wesentlich teurer. Die Preise schwanken von mehreren Tausend bis über zehntausend Euro.

Viel Potential, aber auch noch viel Luft nach oben

Eine sehr überschaubare Anzahl an E-Auto-Modellen und eine geringe Auswahl an Wallboxen zu sehr hohen Preisen – noch gibt es sowohl im gewerblichen wie im privaten Bereich nur ein paar wenige Pioniere, die das bidirektionale Laden nutzen. Aber: Sind alle technischen und regulatorischen Hürden abgebaut, können E-Autos als Stromspeicher wesentlich zum Gelingen der Energiewende beitragen.

Zudem gibt es bereits zahlreiche E-Auto-Modelle, mit denen bidirektionales Laden technisch möglich wäre. Einige E-Auto-Fahrer nutzen bereits eine im Auto integrierte 230-Volt-Steckdose zur Strom-Versorgung externer Geräte oder einen 230 Volt-Steckdosen-Adapter für den Ladeanschluss.

Bidirektionales Laden funktioniert und ist die Zukunft – E-Auto-Interessenten sollten beim Kauf eines E-Autos also auf jeden Fall nachfragen, ob ihr neues Fahrzeug das bidirektionale Laden ermöglicht oder ein entsprechendes Update bzw. eine Nachrüstung geplant ist.

Wie lässt sich der Strom aus dem E-Auto nutzen?

Dafür gibt es drei Szenarien: V2H = Vehicle to Home für den Verbrauch Zuhause. V2L = Vehicle to Load für das Laden oder Betreiben von elektrischen Geräten. Und V2G = Vehicle to Grid zur Einspeisung des E-Auto-Stroms ins öffentliche Netz.

Bei V2H wird mit dem Strom des E-Autos der Haushalt versorgt. Je nach Strom-Verbrauch und Batteriekapazität lässt sich damit ein 4-Personen-Haushalt mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 11 kWh ungefähr zwei bis acht Tage lang versorgen.

V2H ist auch im Zusammenspiel mit einer Photovoltaik-Anlage äußerst sinnvoll: Die selbst produzierte Energie lässt sich auch dann nutzen, wenn die Sonne nicht scheint. Der Besitzer kann so im besten Fall auch bei Nacht oder stark bewölktem Himmel auf die Entnahme von teurem Netzstrom verzichten.

Bei V2L geht es um das Laden bzw. die Stromversorgung von Dingen, also zum Beispiel eines E-Bikes, eines mobilen Tiny Homes oder eines Wohnwagens auf dem Campingplatz, oder um das Laden eines anderen Elektroautos.

V2G ist aus energiepolitischer Sicht die Königsdisziplin: Rein theoretisch lassen sich beliebig viele Elektroautos als Pufferspeicher kombinieren. So ist mehr Netzstabilität möglich, auch wenn Wind- oder Sonnenenergie nicht ausreichend bzw. konstant genug vorhanden sind. Wohlgemerkt ist das aber rein theoretisch: Hier gibt es zwar Feldversuche, aber in der Praxis ist das noch nicht anwendbar. Mehr Infos dazu finden Sie z.B. beim Forschungsprojekt „Bidirektionales Lademanagement – BDL“.

Welche Bemühungen gibt es, die technischen Hürden zu überwinden?

Um die technischen Voraussetzungen für das bidirektionale Laden zu vereinheitlichen, wurde die ISO-Norm 15118 erweitert. Diese Norm definiert die Grundlagen der Ladekommunikation für das in Europa und den USA vorherrschende Ladesystem CCS-Combo (Combined-Charging-System), mit einer Erweiterung zum Schnellladen (Combo). Fahrzeuge mit einer CCS Ladebuchse können mit dem Typ-2 Ladekabel mit Wechselstrom normal laden, also an Wallboxen oder öffentlichen 11 oder 22 kW Ladesäulen.

Fahrzeuge mit einer CCS-Combo Ladebuchse können zusätzlich an Schnellladesäulen Gleichstrom laden. Das Ladekabel fürs Schnellladen ist immer fest an der Ladesäule verbaut. Mit der Erweiterung der ISO-Norm bzw. der neuen Generation ISO 15118-20 können z.B. Ladestationen verifizieren, dass es sich bei der angeschlossenen Gegenstelle auch wirklich um ein Fahrzeug handelt.

Damit sind also die technischen Anforderungen für bidirektionales Laden definiert – allerdings muss die Industrie diese erst umsetzen.

Welche Pläne der Automobilhersteller gibt es für bidirektionales Laden?

VW hat bereits die Modelle ID 3, 4 und 5 per Software-Update mit der Fähigkeit zum bidirektionalen Laden ausgestattet. Alle Modelle mit modularen E-Antriebs-Baukasten MEB sollen auf ISO 15118 upgedatet werden – das wären auf einen Schlag Hundertausende neue bidirektionale E-Autos von VW, Audi, Skoda und Seat.

Dazu hat VW auch eine bidirektional-fähige Wallbox und Ladesäulen angekündigt, die Strom auch wieder ins Netz einspeisen können.

Auch bei Sono Motors wurde das Konzept bereits mitgedacht: Der Sion hat den Wechselrichter im Fahrzeug integriert und kann mit einer günstigeren Wallbox bidirektional Laden.

Zudem gibt es unter anderem Forschungsprojekte von Audi, BMW, Nissan und VW.

In den USA ist die Ford Motor Company ziemlich weit vorne dabei. Sie hat bereits eine bidirektionale Ladebox für den Pick-Up F-150 Lightning mit auf den Markt gebracht.