Schraube steckt in Seal Reifen

SEAL-REIFEN

Sicheres Fahren bei plattem Reifen

Der Reifen, der nicht platt wird

Eine Reifenpanne ist stets mit viel Ärger, Arbeit und auch Gefahren verbunden. Ob selbstheilende Reifen die Lösung dieses Problems sein können, hat ACE LENKRAD untersucht.

Wer es schon erlebt hat, weiß, was eine Reifenpanne bedeutet: Das Auto steht – mit viel Glück wenigstens an einem sicheren Ort – und nichts geht mehr. Selbst wenn ein Ersatz- oder Notrad an Bord ist, kann immer noch jede Menge schiefgehen: Windige Wagenheber und schlechtes Werkzeug, gepaart mit gnadenlos festsitzenden Radschrauben, lassen selbst Menschen ohne zwei linke Hände verzweifeln.

Seitdem Hersteller dazu übergegangen sind, ab Werk nur noch ein Pannenhilfe-Set in den Kofferraum zu legen, ist die Wahrung der Mobilität in Eigenleistung auch nicht gerade einfacher geworden. Ohnehin ist ein Reparaturversuch damit in den seltensten Fällen von Erfolg gekrönt. Mal reicht der Druck der Kompressoren nicht aus, mal geht das Dichtmittel ganz andere Wege als vorgesehen. Von der weiterhin bestehenden Gefahr der Bastelei am Straßenrand ganz zu schweigen.

Doch es gibt eine Lösung: Verschiedene Hersteller wie Continental, Pirelli, Hankook, Goodyear und Michelin haben Reifen entwickelt, die sich zumindest bei einem Durchstich im Bereich der Lauffläche quasi selbst reparieren können.

Im Gegensatz zu Reifen mit Notlaufeigenschaften, die dank verstärkter Seitenwand nur noch die Fahrt zur nächsten Werkstatt mit Tempo 80 ermöglichen, können diese selbst-abdichtenden Reifen theoretisch uneingeschränkt weiterbenutzt werden.

Der VW Passat und auch der neue VW Aerton werden sogar ab Werk mit solchen Reifen ausgeliefert. Aber diese Wunderpneus passen auch auf ganz normale Felgen und lassen sich so auch nachrüsten.

Der Preis liegt zehn bis 20 Prozent über dem der herkömmlichen Reifen ohne diese Technologie. Fast zu schön, um wahr zu sein.

Seal Inside, SelfSeal oder ContiSeal

Die Technologie dahinter ist die gleiche. Eine klebrige Masse wird auf der Innenseite des Reifens aufgetragen. Dadurch werden undichte Stellen abgedichtet und eine Weiterfahrt ohne Druckverlust ist möglich.

Unser Test

ACE LENKRAD hat in Zusammenarbeit mit GTÜ (Gesellschaft für Technische Überwachung) und dem österreichischen Partnerclub ARBÖ anhand der drei Reifentypen Hankook Ventus Prime2 Sealguard, Continental SportContact 5 mit ContiSeal und Pirelli Cinturato P7 Seal Inside in der Praxis ausprobiert. Dazu wurde ein VW Passat mit diesen Reifen in der Dimension 235/45 R18 94W ausgestattet und die Pneus wurden gezielt gelöchert. Natürlich nur in dem Bereich, in dem die Masse aufgetragen ist.

Wie funktioniert die Seal-Technologie?

Das Prinzip der Selbstheilung, von den Herstellern Seal-Technologie genannt, ist überraschend einfach: Auf der Innenseite des Reifens wird eine formbeständige, klebrige Masse aufgetragen. Sticht nun ein Fremdkörper durch den Reifen, legt sich die Masse um den Eindringling. Wird dieser herausgezogen, sorgt der Luftdruck im Inneren des Reifens dafür, dass die Masse in das Loch gepresst wird und die Öffnung versiegelt. Laut Herstellerangaben funktioniert das bei bis zu fünf Millimeter großen Löchern zuverlässig.

Wird die Seitenwand beschädigt, etwa an einem spitzen Bordstein, ist dieses System allerdings wirkungslos. Die empfindlichen Seitenwände sind ausgespart, da sonst der Reifen seine Eigendämpfung einbüßen würde. Die Fahrt wäre sehr unkomfortabel und der Reifen außerdem sehr schwer.

Schon jetzt wiegen die selbstdichtenden Reifen 1,4 bis 2,2 Kilogramm mehr als ihre konventionellen Brüder und Schwestern. Sensible Fahrernaturen können das sogar spüren. Die rotierenden, ungefederten Massen sind größer, das Abrollgeräusch dafür gedämpfter. Generell ist jedoch mit keinerlei Einbußen in den Fahreigenschaften oder dem Haftungsvermögen zu rechnen. Auch ein Bremstest auf nasser Straße ergab keine weiteren Nachteile.

Das Wichtigste ist jedoch: Schrauben oder Nägel verlieren auf diese Art tatsächlich ihren Schrecken, wie die Versuche von ACE LENKRAD zeigen. Die Wahl der Mittel war dabei alles andere als zimperlich: Mithilfe einer Vorrichtung wurde das rechte Vorderrad an drei verschiedenen Stellen mit einem vier Millimeter dicken Nagel gleich dreimal perforiert. Gleichzeitig wurden in den linken Vorderreifen drei vier Millimeter starke Holzschrauben aus dem Baumarkt durch die Karkasse eingedreht und im Reifen belassen. Und tatsächlich: Weder bei dem einen noch bei dem anderen Verfahren entweicht Luft aus dem Reifen. Auch nicht kurzfristig im Moment der Beschädigung.

Probefahrt bestätigt – Reifen bleiben dicht

Die malträtierten Pneus wurden direkt im Anschluss einer ausführlichen Probefahrt mit hohen Belastungen auf der Teststrecke unterzogen. Selbst dann schlug das ansonsten sehr sensible, aktive Reifendruck-Kontrollsystem des VW Passat keinen Alarm. Der Luftdruck blieb konstant. Und auch am darauffolgenden Tag war kein Luftverlust festzustellen.

Die Reifen wurden anschließend genau untersucht. Beim genauen Hinsehen lassen winzige schwarze Punkte die Stellen erahnen, an denen die Nägel eingedrungen sind. Der andere Reifen sieht da schon spektakulärer aus: Die Schrauben haben sich unter dem Gewicht des Wagens weiter eingedrückt, die Schraubenköpfe sind durch die flotte Fahrt entsprechend ramponiert. Allerdings empfehlen alle Hersteller, die Fremdkörper zu entfernen, damit die Löcher durch die Bewegungen der Fremdkörper nicht noch unnötig geweitet werden.

Und siehe da: Selbst beim Herausdrehen der Schrauben entweicht keine Luft. Allerdings war das Klackern der Schrauben auf dem Asphalt bis dato die einzige Möglichkeit, überhaupt festzustellen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Außer man hätte zufällig den Fremdkörper im Reifen stecken sehen.

Kein Luftverlust, keine Warnmeldung, keine Einschränkung im Fahrverhalten. Da könnte der Verbraucher leicht der Versuchung erliegen, den Reifen einfach weiter bis zur Verschleißgrenze zu nutzen. Hinter vorgehaltener Hand ist zu hören, dass dies technisch wohl möglich wäre. Doch erlaubt ist es im Grunde nicht. Offiziell gilt ein solcher Reifen als beschädigt, was er de facto auch ist. Schließlich hat ein Gegenstand die Karkasse durchdrungen und möglicherweise auch dort Schaden angerichtet.

Woran erkenne ich einen Seal-Reifen

Wie im Bild oben erkennbar, ist es auf dem Pneu erkennbar, welcher Reifen auf der Felge aufgezogen ist. Achten Sie beim Kauf eines neuen Reifensatzes bitte auch auf das EU-Reifenlabel.

Beschädigte Reifen sollten kontrolliert werden

Ein beschädigter Reifen muss so schnell wie möglich von einem Fachmann untersucht werden. Der Paragraf 36 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ist in dieser Hinsicht eindeutig. Dort ist sinngemäß zu lesen: Ein Reifen kann instand gesetzt werden, die Reifenreparatur ist aber nur zulässig nach Demontage, gründlicher Prüfung und bei Ausführung durch einen Fachmann. Der Gesetzgeber kann mit der neuen Technologie noch wenig anfangen. Nach Ansicht des Bundesverbandes Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk ist sogar das Einbringen von präventiven Dichtmitteln unzulässig – zumindest in flüssiger Form. Ein Seal-Reifen darf jedenfalls nicht als selbstheilend oder pannensicher beworben werden.

Sicherlich ist der zusätzliche Materialaufwand und die Recyclingfähigkeit bei den Seal-Reifen ein (Umwelt-)Thema. Doch diese Art von Reifen ganz zu verbieten, würde ja bedeuten, den Autofahrer bewusst allen Risiken eines platten Reifens und den damit verbundenen Gefahren auszusetzen. Und das kann ja niemand wollen.