24.05.2022

Bikes statt Bretter – Mountainbiken in den Alpen

Der Bikeurlaub ist der neue Skiurlaub: Immer mehr Winterdestinationen in den Bergen locken Mountainbiker auf die Trails und versprechen größere Naturerlebnisse als im Winter.

Die sieben- und elfjährigen Brüder Jakob und Adrian sehen in ihrer Schutzkleidung mit Oberkörperprotektoren aus wie zwei kleine Rugbyspieler. Sie schwitzen und sind abgekämpft, als sie die Räder im Bike-Keller des Hotels parken. Es ist der gleiche Keller, in dem im Winter Gäste ihre Skier an die Wand lehnen. Der erste Tag in der Bike-Schule Lenzerheide im Schweizer Kanton Graubünden war ganz schön anstrengend. Skifahren, das kennen sie bereits. Aber die Vorstellung vom Bikepark in den Bergen hat sie und ihre Familie neugierig gemacht.

Für manche Skidestinationen ist der Sommer die neue Hochsaison

Bikeurlaub als Sommervariante des klassischen Skiurlaubs? Das ist in immer mehr Wintersportgebieten möglich. Vom Jura bis in die Kalkalpen – sobald der Schnee schmilzt und die Temperaturen angenehmer werden, erobern Menschen mit Mountainbikes die Berghänge. „Das Biken ist das neue Skifahren“, sagt Christian Rakosy, der im österreichischen Fiss als Bikelehrer arbeitet und im Winter als Skilehrer am Arlberg. Er wisse von Skigebieten, die mittlerweile mehr in den Sommer investierten als in den Winter.

Viele Sommergäste steigen vom Wandern aufs Mountainbiken um

Die Entwicklung zeigt sich auch bei den Gästezahlen. So entfallen in Lenzerheide bereits ein Fünftel aller Gondel- und Liftfahrten auf Sommergäste, berichtet Marc Schlüssel, stellvertretender Geschäftsführer beim Lenzerheide-Marketing. Und die kämen immer öfter nicht zum Wandern, sondern zum Mountainbiken.

Seilbahnen nehmen die Fahrräder huckepack

Sogar die Hersteller von Gondeln stellen sich auf den neuen Fahrradtourismus ein. So hat Doppelmayr eine „BikeCab“ entwickelt, in der bis zu acht Fahrräder an einem Ring aufgehängt werden können.

Lenzerheide – Fahrrad-Reich statt Snowpark

Pascal Krieger, Brand-Manager beim Bike Kingdom, vergleicht den Bikepark, der mit Pumptrack, Rampen und weiteren Hindernissen zwischen Talstation Rothorn und der Mittelstation Scharmoin vor einigen Jahren angelegt wurde, mit einem Snowpark in einem Skigebiet. Hier stehen Tricks und Stunts im Vordergrund.

Mehr Bike- und Wanderwege als Skipisten

Das Skigebiet wandelt sich im Sommer zum „Bike Kingdom“. Hier sind die Radelnden jedoch nicht auf saisonal präparierte Pisten angewiesen. In Graubünden dürfen sie sämtliche Wanderwege nutzen. So kommen samt Singletrails 900 Kilometer zusammen, die Skipisten im Winter summieren sich auf 225 Kilometer.

Die Sprungrampen können umfahren werden

Die Strecken im Park sind so gebaut, dass Holzbretter-Konstruktionen, so genannte North-Shore-Elemente, wenn sie zu Sprüngen zwingen, umfahren werden können.

Im Winter Skilehrer, im Sommer Bike-Trainer

Außerdem bringen Bike-Urlaubsgäste Basis-Skills mit – denn Radfahren ist etwas Alltägliches. „Skifahren aber, das machst du einmal im Jahr“, sagt Benjamin Ott. Er unterrichtet wie viele andere Bike-Lehrenden im Winter auf Brettern.

Früh übt sich!

Schon die Jüngsten ab einem Alter von drei Jahren werden in technischem Fahrunterricht unterwiesen. Die Pimpfe sitzen dann auf pedallosen Kinderlaufrädern in Mountainbike-Optik.

Und die Umwelt?

Aber wäre es nicht besser, wenn die Berge nicht das ganze Jahr über belastet würden? „Für die Umwelt und die Tiere wäre es natürlich besser, aber die Leute wollen auch in die Natur“, sagt Ott.

Sommertourismus ist umweltverträglicher

Wander- und Bike-Wege stellten zudem den geringeren Eingriff in die Natur dar als der Bau von Liften. Auch müssten keine Raupen zum Einsatz kommen, die Pisten nicht aufwendig präpariert werden. Kunstschnee, der die Bodenchemie verändert, und Schneekanonen, die viel Wasser und Strom verbrauchen? Im Sommer nicht notwendig.

„Ein schwieriges Thema“, räumt Ott ein, aber der Sommertourismus in den Bergen sei unterm Strich umweltfreundlicher als der im Winter.

Mountainbike-Trails führen oft zu weiteren Eingriffen in die Natur

Thomas Frey, Alpenexperte beim BUND Naturschutz in Bayern, sieht das kritischer: Mountainbike-Trails seien oft doch mit zusätzlicher Infrastruktur verbunden und es würden zusätzliche Tagesgäste in die Berge gelockt. Aus Klimaschutzsicht sei es aber eher sinnvoll, mehr auf längere Aufenthalte zu setzen. „Ein naturnaher Bergtourismus braucht keine künstlich geschaffenen Eventinfrastrukturen am Berg. Natur und Landschaft der Alpen bieten selbst einen hervorragenden Rahmen für naturnahe Erholungsformen.“

Alpin-Gefühl in Grasgrün statt in Schneeweiß

Zurück an der Talstation helfen Mitarbeitende, die Bikes an den Gondel-Halterungen einzuhängen. Bald ist das Rumpeln, wenn es über die Masten geht, das einzige Geräusch, mit jedem Höhenmeter wird das Alpin-Feeling intensiver – wie im Skiurlaub, nur dass statt weißer Flächen sich jenseits der Baumgrenze kurz vor der Bergstation die Hochgebirgsvegetation zeigt: Buschwerk, Moose, blühende Alpenrosen, dazwischen nackter Fels.

Nur Mut!

Dann kommt der Adrenalinmoment: Es kostet Überwindung, sich von der gewölbten Schwelle aus Gitterrohr am Beginn des Trails abzustoßen. Die Brüder zögern, lassen einige Cracks in Race-Montur vor, die die Schwelle als Rampe nutzen, mit ihren Bikes abheben, wie ins Nichts zu plumpsen scheinen und der ersten Steilkurve entgegenrasen. 

Übung macht den Biker

Nach einem inneren Anschubser beginnt das Spektakel auf Stollen: Steilkurve um Steilkurve wird die Körperbeherrschung im Pedal stehend besser. Irgendwann haben sie den Dreh raus, die Kurven hoch genug anzufahren, um zur Kurvenmitte nicht über den Rand hinausgetragen zu werden. Lassen die Schräglage zu. Wie auf einer riesigen Murmelbahn rollen sie den Flowtrail entlang, machen an kleinen Buckeln erste Sätze, spüren die Anstrengung in den Beinen. Ein eigenartiges Gefühl von Harmonie und Nervenkitzel stellt sich ein. 

Downhill macht auch die jungen Biker süchtig

Dann, nach 2,7 Kilometern, 346 Höhenmetern und gut 15 Minuten ist der Rausch auf der Flowline auch schon wieder zu Ende, die Talstation naht nach dem letzten Buckel, wo die Fullys der Pausierenden wie teure Schinken an den Ständern hängen und andere in Waschboxen mit Schlauchwasser den Dreck von den Rohren spritzen. Am Drehkreuz angekommen, ist die Laune in ungeahnte Höhen geschossen: „Sofort noch mal!“

Im Überblick: Bikeregionen in den Alpen

Bike Kingdom Lenzerheide

  • Auf einen Blick: Zusammenschluss aus 900 Kilometern Wegen und Singletrails in den bis zu 3.000 Meter hohen Plessur-Alpen. Fünf abwechslungsreiche Lines verschiedener  Schwierigkeitsgrade.
  • Saison 2022: 26. Mai bis 23. Oktober
  • Preise: Einsteigerkurs für Erwachsene inkl. Bikes und Helm: 60 Franken; Kinderkurs (3 bis 12 Jahre): 35 Franken
  • Mountainbike-Verleih: An der Talstation.
  • Unterkünfte: In der Region 17 „Bike-Hotels” mit speziellen Angeboten, wie kostenlosem Wäsche-Service, Werkzeug oder Fahrrad-Keller, z. B. „Valbella Resort"
  • Auf einen Klick: Bike Kingdom Lenzerheide

Bikepark Serfaus-Fiss-Ladis (Tirol)

  • Auf einen Blick: 17 Strecken verschiedener Skill-Levels und Längen.
  • Saison 2022: 11. Juni bis 16. Oktober
  • Preise: Tagesticket: 45 Euro (Kinder ab 23 Euro)
  • Unterkünfte: Familienhotel „Löwe” in Serfaus
  • Auf einen Klick: Bikepark Serfauss-Fiss-Ladis

Bikepark Windischgarsten (Oberösterreich)

  • Auf einen Blick: Am „Abenteuerberg“ Wurbauerkogel in der Region Pyhrn-Priel gibt es vier Mountainbike-Trails. Aufstieg mit Sessellift. Pumptrack an der Talstation Wurbauerkogel. Neugierig auf Winterurlaub in der Region?: Dann lesen Sie unseren Artikel "Hinterstoder – Am Talende"!
  • Saison 2022: 7. Mai bis 2. Oktober
  • Preise: Tagesticket 37 Euro (Jugendliche: 31,50 Euro; Kinder: 19,50 Euro)
  • Auf einen Klick: Bikepark Windischgarsten

Bike Republic Sölden (Ötztal)

  • Auf einen Blick: Park mit elf Lines von 35 Kilometern Länge, dazu Singletrails und Mountainbikerouten von 500 Kilometern. Im Tal zwei Pumptracks.
  • Saison 2022: 10. Juni bis 2. Oktober
  • Preise: Tagesticket 45 Euro (Jugendliche: 36 Euro; Kinder: 25 Euro)

Bikepark Geisskopf Bischofsmais (Bayerischer Wald)

  • Auf einen Blick: Einer der ersten Parks seiner Art, 14 Strecken, verschiedene Skill-Levels.
  • Saison 2022: Mai bis November
  • Preise: Familienkurse inkl. Bikes und Protektoren: 8 bis 14 Jahre 99 Euro; ab 15 Jahre 109 Euro
  • Auf einen Klick: Der gleiche Betreiber MTB Zone Bikepark unterhält auch Bikeparks in Petzen (Kärnten) und Willingen (Sauerland).

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