Eine Weltreise unternehmen, ohne Deutschland zu verlassen? Orte mit berühmten "Namensvettern" machen es möglich – von Kalifornien an der Ostsee bis Wien in Oberbayern. – Zuerst geht es im tiefsten Winter ins malerische Allgäu. Zwischen verschneiten Weiden und geschwungenen Hügeln fahren wir südlich von Marktoberdorf runter von der Bundesstraße auf eine Landstraße und dann auf einen Feldweg kaum breiter als unser Auto. Der Schnee liegt daneben so hoch, dass Ausweichen nicht möglich ist. Glücklicherweise kommt uns so abseits der Zivilisation keine Menschenseele oder gar Auto entgegen. So stehen wir kurz danach am Ziel: Texas. Zumindest besagt das ein weißes Schild mit gekreuzten Revolvern. Im Navi oder Straßenatlas suchen wir dieses Texas vergeblich. In den 1960er-Jahren hatte der Weiler noch gar keinen Namen. Also tauften die Einwohner ihn einfach selbst und stellten kurzerhand ein eigenes Ortsschild auf. Die endlose Weite und die weidenden Kühe inspirierten zu Texas. Erst 1978 erhielt der Ort einen offiziellen Namen: Kippachmoos. Doch da hatte sich Texas in der näheren Umgebung schon etabliert.
Ganz offiziell heißt wenige Kilometer südlich ein Lengenwanger Ortsteil Bethlehem. Dadurch wird Jesus aber nicht zum Bayer. Früher wohnten außerhalb des Ortes ärmere Menschen. Das war sozusagen das Bettlerheim, woraus sich im Laufe der Jahre Bethlehem entwickelte.
Wir fahren weiter nach Osten, vorbei an München Richtung Chiemsee nach Inzell. Hier gibt es nicht nur sehr schöne Wanderwege in Berg und Tal sowie eine tolle Moorlandschaft, sondern auch den Ort Wien. Das lässt sich laut örtlichem Heimatbuch vermutlich auf Johann Wiener zurückführen, der 1675 den Hof und die Schmiede übernahm.
Passend dazu gelangen wir weiter im Norden, bei Passau, nach Österreich. Namensgeber könnte die dort ansässige Familie Österreicher sein.
Im Sommer reisen wir in den Osten nach Thüringen. In den 1930er-Jahren entstand zwischen Gera und Jena bei Münchenbernsdorf eine kleine Siedlung. Die Bewohner bauten aus den Bäumen des umliegenden Waldes mehrere Holzhäuser. „Hier sieht’s ja auch wie in Kanada!“, staunten Besucher und gaben der Siedlung so ihren Namen. Das erste Ortsschild erhielt die Gemeinde erst 1997. Das wurde aber nicht vom deutschen Staat aufgestellt, sondern von der kanadischen Botschaft in Düsseldorf gesponsert – weiß und mit rotem Ahornblatt. Erst kurz darauf erhielt der Ort dann das offizielle gelbe Ortseingangsschild, damit die StVO auch hier gilt.
Wir reisen weiter nach Norden. Auf unserer Fahrt durch den sehenswerten Spreewald passieren wir Krakau.
Das wohl kleinste Ortsschild entdeckten wir in Kamerun. Hier konnten wir lediglich eine Art normales Straßenschild finden.
Südlich von Berlin bei Storkow in Brandenburg landen wir im Örtchen Philadelphia. Das hieß nicht immer so. Die von König Friedrich II. in dieser Gegend errichteten Siedlungen trugen erst Namen wie Hammelstalle oder Häufchen. Eine unglückliche Wahl, wurden die neuen Bewohner doch schnell dafür verhöhnt. Friedrich II. hatte ein Einsehen und ersann, als Befürworter des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, die Namen Neu Philadelphia und…
... Neu Boston. Der besondere Reiz an dieser Weltreise durch Deutschland ist es, das eigene Land von einer neuen Seite kennen zu lernen. Wer die kleinen Örtchen finden will, muss abseits der Autobahn fahren, über geschwungene Landstraßen, Brandenburgs endlose Alleen oder unwegsame Waldwege. Mehr als ein kurioses Ortsschild und wenige Wohnhäuser haben die meisten Örtchen nicht zu bieten. Deswegen gilt bei dieser Reise einmal mehr: Der Weg ist das Ziel.
Dieser Weg führt uns weiter in den Norden durch die sehenswerte Uckermärkische Seenlandschaft. Hier finden wir Troja. Passenderweise wohnte Heinrich Schliemann, einer der angeblichen Entdecker des antiken Troja, nur 30 Kilometer entfernt. Eine Verbindung gibt es aber nicht. Der deutsche Ortsname wird vermutlich vom altslawischen Wort "troj" für drei hergeleitet.
Zwischen Berlin und Hamburg, nahe der idyllischen Brandenburgischen Elbtalaue liegt Waterloo. Seinen Namen erhielt es von Staatsminister Otto Karl Friedrich von Voss, der 1815 im belgischen Waterloo gegen Napoleons Truppen kämpfte. Passend zum wässrigen Namen regnete es bei unserem Besuch in Strömen.
Direkt an der Ostseeküste, 30 Kilometer östlich von Kiel, liegt Kalifornien. Der Überlieferung nach strandete einst ein Schiff vor der Küste. Eine Planke mit der Aufschrift „Kalifornien“ wurde an den Strand gespült und gab so die Inspiration.
Die Legende besagt weiter, dass der Nachbar neidisch wurde und seinen Strandabschnitt kurzerhand Brasilien nannte. Ob es tatsächlich so passiert ist, ist nicht belegt. Aber wer von Kalifornien nach Osten geht, sich den Ostseewind durch die Haare wehen lässt, erreicht nach kurzem Spaziergang tatsächlich das offizielle Ortsschild von Brasilien.
Ähnlich nah beieinander liegen auch Amerika und Rußland in Ostfriesland. Die Gemeinde Friedeburg, zu der die beiden Orte gehören, zählt zu den wenigen Verwaltungen, die den kuriosen Ortsnamen tatsächlich zu touristischen Zwecken nutzen. Wer möchte, kann den abwechslungsreichen 7 km langen Rußland/Amerika Rundwanderweg begehen. Anschließend kann man in der Tourist-Info eine Urkunde über die erfolgte Wanderung für 1,60 Euro in Empfang nehmen. Zum Namen Rußlands kennt Ostfriesland Tourismus drei Herleitungen. „In diesem Gebiet wohnte vor mehr als 100 Jahren ein armer Bauer, der wegen seiner Lebensweise und seines rauen Auftretens "Russe" genannt wurde. Eine weitere Geschichte besagt, dass der Boden in diesem Ortsteil besonders karg war und sich nur schlecht bewirtschaften ließ. Das Land glich den unfruchtbaren und unwegsamen Gegenden Rußlands. Eine dritte Version erzählt von einem Köhler (auch Rußer genannt), der hier vor mehr als 150 Jahren seine Köhlerhütte bewohnte.“
Im Ortsteil Amerika der Gemeinde Garrel, südlich von Oldenburg, erhält, wer sich rechtzeitig anmeldet, ein Zertifikat. Das bescheinigt, dass die Gäste Amerika einen Besuch abgestattet haben, ohne ein Flugzeug oder Schiff benutzt zu haben. Die Kosten liegen bei zwei Euro. Der Name rührt von der früher sehr beschwerlichen Anreise, die mit der Schiffsreise nach Amerika verglichen wurde.
Etwa 30 Kilometer von Amerika entfernt liegt Norwegen. Benannt nach Peter Friedrich Ludwig, dem damaligen Regenten des Herzogtums Oldenburg, der sich selbst Erbe zu Norwegen nannte. Der Ort mit knapp 60 Einwohnern hat nicht nur ein Ortsschild, sondern auch eine Bushaltestelle. Gebaut im nordischen Stil aus Holz.
Dass der Nordpol im Norden liegt, ist klar. Dass er in Norddeutschland, in Niedersachsen liegt, das wussten die wenigsten.
Auch in Sibirien geht es eher sommerlich zu. Der Ortsname geht vermutlich auf eine scherzhafte Bezeichnung der Bewohner der benachbarten Stadt Welzow zurück, da das Dorf recht weit vom Welzower Stadtzentrum entfernt lag.
Alle Wege führen nach Rom, heißt ein Spruch. Es steckt viel Wahres darin, denn allein in Deutschland gibt es mindestens drei Roms. Eines davon liegt in Nordrhein-Westfalen zwischen Köln und Siegen. Inspiration für den Namen war nicht die ewige Stadt. Rom soll ein alter Ausdruck für Erz und Metall gewesen sein.
Wer von hier aus in die italienische Hauptstadt – also von Rom nach Rom – möchte, erhält auf einem Holzwegweiser den Hinweis: „Roma Italia Via Bernnero 1503 km“.
Die Reise nach Jerusalem kann viele Ziele haben. Allein in Deutschland gibt es Jerusalems in Tewel, der Lüneburger Heide, in Heide (Holstein), Meiningen in Thüringen und Blender in Niedersachsen.
Die Siedlung Neuholland wurde in den Jahren nach 1659 durch klevisch-niederländische Zuwanderer aufgebaut.
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ließen sich Umsiedler aus dem Osten in der Nähe der Hessenhagener Mühle in der Uckermark nieder. Weil es kaum Baumaterial gab, gruben sie lediglich Löcher, über die sie niedrige Blockhütten setzten. Die Nachbarn aus der Umgebung erinnerte das an die Lebensweise der Afrikaner und so setzte sich der Name Afrika durch.
Der Name stammt aus dem Plattdeutschen: Einst hieß der Fleck "Enges Land" und bezeichnete den kleinen Hafen. - Wer die gesamte Rundreise mit mehr als 35 Orten am Stück zurücklegen möchte, hat gut 3000 Kilometer vor sich. Entspannter ist es jedoch, die Tour in Etappen zu machen und so noch mehr Zeit für die jeweilige Gegend zu haben. Reisen Sie also nicht nach Bethlehem, sondern ins Allgäu. Nicht nach Neu Boston, sondern in den Spreewald. Sie werden sehen, wie vielfältig Deutschland sein kann.