Ein Caravan mit Antrieb? Verkehrte Welt, dafür ist schließlich das Zugfahrzeug zuständig, es trägt seine Bezeichnung schließlich nicht zufällig.
Bei Dethleffs schiebt der Caravan mit
Caravan-Hersteller Dethleffs dreht den Spieß um: e.home Coco lautet der Name eines kompakten Anhängers auf einem elektrisch angetriebenen Alko-Chassis. In dessen Rahmen stecken vier Batterien mit zusammen knapp 20 kWh Energie für eine elektrisch angetriebene Achse. Sie schiebt kräftig mit an und kann damit die Anhängelast auf einen konstanten Wert von zum Beispiel 100 Kilogramm reduzieren. Das senkt den Energieverbrauch des Zugwagens deutlich. Geladen wird an der Steckdose sowie beim Bremsen und bergab durch Rekuperation, also die Umwandlung von Bremsenergie in Strom.
Wie der e.home Coco auf diese Weise sogar eine Alpenüberquerung schaffte, lesen Sie in unserem Artikel "Mit dem Elektro-Gespann über die Alpen"
Sparsamer und leichter unterwegs
Das nominelle Mehrgewicht von etwa 150 Kilo reduziert sich, erklären Alko-Entwickler: Dank der Stromversorgung kann die herkömmliche Flüssiggas-Anlage des Caravans einschließlich schwerer Gasflaschen entfallen, der Antrieb übernimmt die Rangierfunktion und verhindert außerdem durch rasche gezielte Eingriffe gefährliches Schlingern. Überdies werden die Bremsen von Zugfahrzeug und Caravan geschont. Im nächsten Jahr will Dethleffs mit dem e.home Coco vom Stammsitz Isny im Allgäu zum Gardasee rollen – ohne Nachladen hinter einem elektrisch angetriebenen Zugwagen, versteht sich. Parallel müssen zulassungsrechtliche Fragen geklärt werden, denn angetriebene Anhänger gibt es bisher nicht.
In einer Caravanstudie von LMC entfällt die Gasanlage
Auf Elektrik setzt ebenso LMC, allerdings ganz anders. Bei einer Caravanstudie verbannt LMC die Gasanlage. Heizmatten innerhalb der Möbelplatten temperieren den Caravan, Kompressorkühlschrank und Induktionskochfeld werden elektrisch betrieben. Ziel: „Gaslos glücklich“, so lautet prompt der Name der Studie.
Knaus-Tabbert und Bosch arbeiten am 48-Volt-Stromnetz für Caravans
Dazwischen bewegt sich eine dritte Variante. Knaus-Tabbert und Bosch entwickeln ein 48-Volt-Stromnetz für Caravans. Es wird während der Fahrt sowie beim Bremsen durch Rekuperation geladen. Die Energie wird in Lithium-Ionen-Akkus gespeichert und lässt sich für Bordverbraucher oder zum Rangieren nutzen. Eine entsprechende Antriebsfunktion wird in das System integriert.
Auch Campingbus-Spezialist Reimo entwickelt Alternativen zum Diesel
Auch erste Wohnmobilanbieter denken über Alternativen zum Diesel nach. Campingbus-Spezialist Reimo hat dem vollelektrisch angetriebenen Mercedes eVito einen Ausbau namens Weekender Easy spendiert. Die Batteriekapazität des eVito von 41 kWh begrenzt aber die Reichweite auf etwa 150 Kilometer – für die Urlaubsfahrt zu wenig. Abwarten, ob Reimo und Kollegen den kommenden Mercedes EQV nutzen werden. Diese elektrische Variante der V-Klasse, vorgestellt auf der IAA, bringt mit 100 kWh viel Reichweite mit – billig wird das leise und abgasfreie Reisevergnügen allerdings nicht.
Iridium präsentiert das erste teilintegrierte Wohnmobil mit Elektroantrieb
Das gilt ebenso für den Iridium, das erste teilintegrierte Wohnmobil mit E-Antrieb. Auf dem Caravan-Salon bot das Handelsunternehmen WOF das Wohnmobil mit 86 kWh Batteriekapazität für 159.900 Euro an. Es gibt ebenfalls eine Variante mit 108 kWh für etwa 400 Kilometer Reichweite, sie allerdings wird nochmals ganz erheblich teurer.
Hybridantriebe könnten eine praktikable Lösung sein
Realistischer scheinen Hybridantriebe, siehe Ford Transit Custom PHEV. Seine Batterie mit 13,6 kWh reicht allemal für 50 Kilometer, somit fährt der Ford in der Stadt und auf dem Campingplatz abgasfrei und leise. Ist die Batterie erschöpft, dient ein Dreizylinder-Benziner als Stromerzeuger, der Ford wird weiterhin elektrisch angetrieben. Der Akku wird an der Steckdose oder während der Fahrt aufgeladen – für die nächste Tour in eine umweltempfindliche Zone. Batterie und Benzintank zusammen ergeben rund 500 Kilometer Reichweite, damit ist der Transit reisetauglich.
Elektromobilität hat ihren Preis
Dethleffs präsentierte den Ford als ausgebauten Campingbus unter der Bezeichnung Globevan e.Hybrid und spannte ihn vor den e.home Coco. Auch hier wird angesichts des Preises von 74.990 Euro für den Dethleffs klar: E-Mobilität hat ihren Preis. Die französische Marke Dreamer aus dem Rapido-Konzern nutzte den Hybrid-Ford ebenfalls als Plattform. Der Dreamer namens Cap Land bietet sogar einen kompakten Sanitärraum im Heck.
2020 wird die elektrisch angetriebene Modellpalette weiter wachsen
Das alles ist erst der Anfang. Wenn im kommenden Jahr weitere E-Transporter von Fiat, Citroën/Peugeot/Opel, von Mercedes und auch der kompakte VW T6 an den Start gehen, wird der eine oder andere Campingbus folgen. Beim T6 sind Alko und Autoveredler Abt als Umbauer und Systemlieferant des E-Antriebs für VW an Bord. Nach derzeitigem Stand beschränkt sich VW auf eine Variante mit 37-kWh-Batterie, verzichtet auf den Doppelpack mit 74 kWh. Der aber käme Campern gerade recht.
Im zweiten Halbjahr 2020 kommt das "Hybrid Power Chassis" von Alko
Alko setzt parallel dazu auf sein „Hybrid Power Chassis“. Es wird in der zweiten Jahreshälfte 2020 zusammen mit dem Triebkopf eines Fiat Ducato verfügbar sein. Der Zusatzantrieb lässt das Frontantriebspaket mit Verbrennungsmotor unangetastet. Das E-Paket setzt sich aus der Hinterachse mit Elektromotor von Bosch und 90 kW Leistung sowie ein oder zwei Batteriepaketen mit jeweils 17 kWh zusammen. Daraus resultiert eine Reichweite von etwa 50 bis 100 Kilometern im E-Betrieb.
Ein Hybridantrieb verbindet emissionsfreies Fahren mit reisetauglicher Reichweite
Dank Hybridantrieb könnte ein Wohnmobil dann innerorts emissionsfrei im E-Modus fahren, außerorts ohne Einschränkung der Reichweite mit Verbrennungsmotor. Die Umschaltung erfolgt manuell, sie ist jedoch ebenso automatisiert über GPS-Daten bei Eintritt in eine Umweltzone denkbar. Bei gleichzeitigem Einsatz von Verbrennungs- und Elektromotor kann der Kraftstoffverbrauch trotz des Mehrgewichts um bis zu 30 Prozent sinken, etwa durch eine unterstützende Funktion des E-Antriebs beim Anfahren.
Hybridantriebe verbessern nicht nur die Energiebilanz, sondern auch den Fahrkomfort
Zusätzlich dient die angetriebene Hinterachse als Traktionshilfe im Winter oder abseits der Straße – mit Hybridmodul steht ein Vierradantrieb zur Verfügung. „Wir wollen im nächsten Jahr die ersten Wohnmobile auf der Straße haben“, so Alko-Entwicklungsleiter Frank Sager. Stimmt: Reichweite, Platz, Gewicht und Kosten sind unverändert Handicaps für den E-Antrieb von Freizeitfahrzeugen. Trotzdem werden auf dem Caravan-Salon 2020 weitere elektrisch angetriebene Caravans und Wohnmobile stehen.